Schiffgraben (Hannover)
Der Schiffgraben, niederdeutsch auch Scheepgraben,[1] ist einerseits eine innerstädtische Straße in Hannover. Sie verläuft zwischen Aegidientorplatz und Emmichplatz (Musikhochschule) und kreuzt die Berliner Allee. Zum anderen ist der Schiffgraben ein etwa 9 km langer Wasserlauf. Er gab der Straße ihren Namen und wird seit Mitte des 19. Jahrhunderts unter dieser verrohrt geführt.
Geschichte
Im Mittelalter war die heutige Straße – wie der Name Schiffgraben sagt – eine künstlich angelegte Wasserstraße, die aber im 19. Jahrhundert beim Stadtausbau in Rohre unter die Straße gelegt wurde. Die 9 km lange Wasserstraße war ein Kanal, der dem Torf- und Holztransport aus dem Altwarmbüchener Moor in die Stadt diente. 3 km des Wasserlaufes sind heute noch im Stadtwald Eilenriede erhalten. Im Stadtteil Groß-Buchholz fließt er noch unverrohrt westlich des Messeschnellwegs vom Mittellandkanal bis in Höhe der Straße Schäferweg.
Der schmale Kanal, der mit einer Breite von drei bis fünf Metern eher den Charakter eines Grabens hatte, begann am Altwarmbüchener Moor und führte auf neun Kilometer Länge durch die Eilenriede zum Aegidientor in Hannover. Zweck der Wasserstraße war der Transport von Torf und Holz aus dem Moor in die Stadt, wo es als Brennmaterial von einer Ziegelbrennerei benötigt wurde. Im Mittelalter gehörte der Abschnitt zwischen Steuerndieb und Altwarmbüchen zum Befestigungssystem der Hannoverschen Landwehr. Im Niederdeutschen hieß der Wasserweg Schepgraben, so noch in einem Stadtplan von 1762 von Ernest Eberhard Braun („Situation der Stadt Hannover...“) in der Schreibung Scheepgraben.
Im Laufe der Zeit verschlammte der Graben und führte häufig zu wenig Wasser, so dass er unpassierbar wurde. 1746 beschloss die Stadt, in den Torfhandel einzusteigen, da sich der Preis wegen Brennmittelknappheit erhöht hatte. Hannover machte den Wasserweg durch den Bau von Schleusen wieder befahrbar für Torfschiffe. Die Torfbauern aus Altwarmbüchen, die ihr Brennmaterial auf hannoverschen Märkten anboten, fürchteten Konkurrenz im Torfhandel und sabotierten den Graben durch Zuschütten. Trotzdem wurde das Werk fertiggestellt. An den Rändern entstanden Laufwege zum Treideln der Torfkähne. Jedes der damals sechs städtischen Boote konnte bis zu 5000 Torfsoden transportieren. Die Fahrt auf der neun Kilometer langen Strecke dauerte mehrere Tage. Die Torfschifffahrt wurde bereits 1751 eingestellt. Während der einjährigen Besetzung Hannovers 1757 durch französische Truppen unter Richelieu wurde der Kanal völlig vernachlässigt, so dass er etwa 10 Jahre nach dem Ausbau erneut verschlammte.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Schiffgraben im Bereich der Innenstadt von Hannover zwecks Stadterweiterung verrohrt und liegt unter der Straße. Das Wasser fließt unterirdisch weiter. Die steinerne Balustrade, die den Schiffgraben im innerstädtischen Bereich einfasste, wurde verlegt und dient seither als Begrenzungsmauer auf mehreren hundert Metern auf dem Stadtfriedhof Engesohde in der Südstadt.
Gegenwart
Am besten und auf größter Länge hat sich der Schiffgraben im Stadtwald Eilenriede erhalten. Er fließt als einer von mehreren Wasserläufen auf etwa drei Kilometer Länge zwischen der Musikhochschule und der Waldgaststätte Steuerndieb. Auf dem letzten Stück nahe der Innenstadt ist das Gewässer trockengefallen, denn sein Wasser wird durch ein Wehr an andere Gräben der Eilenriede abgeleitet. Auch in Groß-Buchholz nahe dem Messeschnellweg zwischen Weidetorkreisel und Mittellandkanal ist das Gewässer erhalten geblieben.
In der Gewässergüte wurde der Schiffgraben zuletzt 2003 ebenso wie die anderen Eilenriede-Gräben als kritisch belastet eingestuft. Dies ist bedingt durch schadstoffbelastete Regenzuflüsse von Gewerbe- und Straßenverkehrsflächen. Das in den Wasserlauf gefallene Laub verbraucht große Mengen an Sauerstoff, was sich in der Bildung von (sauerstofffreiem) Faulschlamm widerspiegelt.
Literatur
- Oskar Ulrich: Schiffgraben. In: Christian Ulrich Grupen, Bürgermeister der Altstadt Hannover 1692–1767. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Stadtwesens im 18. Jahrhundert. Veröffentlichung des Vereins für Geschichte der Stadt Hannover. Hannover: Ernst Geibel, 1913, S. 174–186.
- Anton Scholand: Zur Geschichte des Altwarmbüchener Moores bei Hannover, mit besonderer Berücksichtigung seines westlichen Abflusses, des Schiffgrabens In: Mitteilungen der Provinzial-Stelle für Naturdenkmalpflege Hannover, Heft 2, 1929.
- Anton Scholand: Der Schiffgraben. In: Jahrbuch der Hannoverschen Heimatfreunde e. V., 1941, S. 63–70.
- Martina Scheitenberger: Das Altwarmbüchener Moor im Wandel – vom bäuerlichen Torfstich zum Naherholungsgebiet. Nordhannoversches Bauernhaus Museum Isernhagen e.V., Luck Druck, Isernhagen 1984, 1997.
- Horst Kruse: Die Entwicklung der Vorstadt Hannover seit 1315 am Beispiel der Bebauung der Ufergrundstücke des Schiffgrabens vom Moor bis in die Masch und der Hausbesitzer bis 1979. In: Materialien zur Ortsgeschichte hannoverscher Stadtteile, Bd. 19, Gehrden-Everloh: Selbstverlag, 2003, S. 7–9 u.ö.
- Gerd Weiß, Marianne Zehnpfennig: Schiffgraben und ehemalige Georg-Stadt/Marien-Stadt (vgl. 09 Oststadt/04 Südstadt). In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover, Teil 1, Bd. 10.1, hrsg. von Hans-Herbert Möller, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege, Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig/Wiesbaden 1983, ISBN 3-528-06203-7, S. 76–79 u.ö.; sowie: Mitte und Oststadt im Addendum Verzeichnis der Baudenkmale gem. § 4 (NDSchG) (ausgenommen Baudenkmale der archäologischen Denkmalpflege), Stand 1. Juli 1985, Stadt Hannover, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege, S. 3ff., 11f.
- Helmut Knocke, Hugo Thielen: Schiffgraben. In: Hannover Kunst- und Kultur-Lexikon, S. 191ff.
- Waldemar R. Röhrbein: Schiffgraben. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 541.