Vidmar AG
Vidmar AG war ein Schweizer Familienunternehmen, das 1862 von Julius Wiedemar in Bern zur Herstellung von Kassenschränken und Tresoren gegründet wurde.[1] Nach der Aufgabe der industriellen Tätigkeit im Jahr 1992 wurde das Areal umgenutzt. Die daraus entstandenen VIDMARhallen sind ein Kultur- und Begegnungszentrum geworden.[2]
Geschichte
Zu Beginn war die Firma eine Schlosserei an der Aarbergergasse in Bern, die durch Julius Wiedemar gegründet wurde und feuersichere Kassen- und Büroschränke herstellte. Nachdem die Räumlichkeiten in der Berner Altstadt für die Firma zu klein geworden waren, fand 1910 der Umzug nach Liebefeld bei Bern statt. Von 1895 bis 1912 wurde das Unternehmen durch Lina Wiedemar, die Witwe von Julius Wiedemar, geführt. Danach übernahmen ihre Söhne Arthur und Richard Wiedemar die Unternehmensführung.[1] Gleichzeitig wurde die Produktpalette ab 1913 um Panzertüren und Schliessfächer für Banktresore erweitert.[3]
Die Aufnahme der Produktion von Bürostahlmöbeln führte 1932 zur Neuausrichtung des Unternehmens. Die Firmenbezeichnung Wiedemar wurde in Vidmar geändert. Vidmar wurde in der Folge zur Marke für moderne Stahlbüromöbel. Zusätzlich wurden ab 1941 Werkzeugschränke und weitere Betriebseinrichtungen hergestellt.[1] Ab 1942 leitete Hans A. Wiedemar das Unternehmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand etappenweise durch Neubauten ein Industrieareal in Liebefeld. Der Bekanntheitsgrad der Marke Vidmar für Schubladenschränke wurde durch Lizenznehmer in den USA und in Österreich gefördert. Später kamen weitere Lizenznehmer in Frankreich, England und Japan dazu, die lokal Vidmar-Produkte herstellten.[1] Zusammen mit Vertriebspartnern zählte Vidmar 1973 14 Auslandvertretungen.[4]
Pionierleistungen vollbrachte Vidmar im Bereich der Einrichtungen zur Lagerhaltung. Mitte der 1960er Jahre wurde im Fabrikareal der Firma der Prototyp eines automatisierten Hochregallagers erprobt. Die Steuerung für die Einlagerung von Paletten wurde mit Hilfe eines applikationsspezifischen Digitalrechners der Firma Güttinger elektronische Rechengeräte verwirklicht. In der Folge konnte Vidmar komplette Lagerlösungen für Kunden planen und implementieren. Zu den selbst hergestellten Teilen gehörten Hochregallagergestelle sowie stapelbare Schubladen- und Kombinationsgestelle zur automatischen Auslagerung von Kleinteilen. Die Bedienung zur Kommissionierung erfolgte durch einen Lift mit moderner elektronischer Steuerung.[5] Eine von Vidmar erstmals eingeführte Neuerung war die Konstruktion von Hochregallagergestellen, die gebäudetragend für die Dachkonstruktion waren.
Eine weitere Innovation der Vidmar AG war die Einführung des TeleSafe in den 1960er Jahren. Im Gegensatz zu traditionellen Bankschliessfächern, die zum Öffnen sowohl den Schlüssel der Bank wie denjenigen des Kunden erfordern, kann das Bankpersonal über eine elektromechanische Fernsteuerung die äussere Schliessfachtüre eines spezifischen Kunden öffnen. Der Kunde öffnet dann seine innere Türe mit seinem Schlüssel.
Der US-Lizenznehmer von Vidmar AG begann 1956 die lokale Produktion von Schubladenstöcken und Werkzeugschränken. Dieser Lizenznehmer wurde 1966 von der Stanley Works Corporation übernommen, führte jedoch diese Geschäfte weiterhin unter dem Namen Vidmar weiter, weil die Marke für hohe Funktionalität und Qualität steht. Seit 2017 gehört dieser Geschäftsbereich zusammen mit Produkten des ehemaligen Konkurrenten Lista zu Stanley Black & Decker Storage Solutions. Auch der neue Besitzer hält am Markennamen Vidmar (en:Vidmar#Businesses) und der entsprechenden Website fest.[6]
In der Hochkonjunktur arbeiteten bis zu 420 Angestellte auf dem Vidmar-Areal. Die Produktion erfolgte im 3-Schicht-Betrieb. Ab 1978 führten Hans und Daniel Wiedemar die Firma. Der konjunkturelle Einbruch Mitte der 1970er Jahre machte der Firma zu schaffen. Der Rückgang des Umsatzes konnte nicht aufgehalten werden und führte 1989 zum Verkauf der Firma an den Konkurrenten Lista Holding in Erlen TG, der weiterhin die Produkte von Vidmar herstellte. Aufgrund von Marktveränderungen musste 1992 die Produktion am Standort Liebefeld aufgegeben werden. Danach vermietete der neue Besitzer Fredy Lienhard als Eigentümer der Lista AG die frei gewordenen Räumlichkeiten des Vidmar-Areals ab 1992 an Interessenten wie Gewerbetreibende und Künstler. Nach der Einrichtung einer Aussenstelle des Theaters der Stadt Bern entwickelte sich das Vidmar-Areal unter dem Namen VIDMARhallen zu einem Kulturzentrum und Treffpunkt vor den Toren Berns. Die Bushaltestelle für Besucher trägt den Namen Hardegg Vidmar.
Literatur
- Arthur und Richard Wiedemar: 100 Jahre Vidmar: 1862–1961. Festschrift. Bern 1962.
- Christiane Gabler: Sanierung und Umnutzung der VIDMARhallen. Nutzungsmix statt Monofunktion. In: Bauwelt. Nr. 23, 2005.
Weblinks
- Website der VIDMARhallen
Einzelnachweise
- Jubilierendes Berner Industrieunternehmen. In: Neue Zürcher Nachrichten. 13. September 1962, abgerufen am 1. März 2022.
- Konzert Theater Bern. In: vidmarhallen.ch/aktuelles, abgerufen am 26. Februar 2022.
- Die VIDMARhallen: Von der Tresorfabrik zum Kultur- und Gewerbezentrum. In: rykart.ch, abgerufen am 26. Februar 2022 (PDF; 5,3 MB).
- Vidmar Betriebseinrichtungen weltweit bevorzugt. In: Neue Zürcher Zeitung. 18. September 1973, S. 46.
- Rationalisierung im inner- und ausserbetrieblichen Transport: Fördermittelmesse, Februar 1972, Basel. In: Neue Zürcher Zeitung, Technik. 7. Februar 1972, S. 33–34.
- About Vidmar. In: vidmar.com, abgerufen am 27. Februar 2022.