Güttinger elektronische Rechengeräte
Die Firma Güttinger elektronische Rechengeräte AG wurde 1957 durch Walter Güttinger, Diplomelektroingenieur ETHZ, in Teufen AR gegründet und als Alleininhaber geführt.[1] Anfänglich wurden Analogrechner entwickelt. An der Interkama in Düsseldorf stellte sich die Firma 1957 mit dem Rechner AR der internationalen Fachwelt vor. Eine erste Lieferung erfolgte 1958 an die Maschinenfabrik Oerlikon (MFO).[2] Zu den nachfolgenden Lieferungen von Analogrechnern zählte 1960 eine Anlage für das RWE-Kernkraftwerk Kahl. Bestimmte Kundenwünsche konnten nur Digitalrechner erfüllen. Die noch kleine Firma beschloss, auf die Entwicklung anwendungsspezifischer Digitalrechner für den zivilen Bereich umzustellen und wurde dafür ein erfolgreiches Schweizer Pionierunternehmen.
Eine Anwendung für deren volltransistorisierte Digitalrechner betraf den Buch- und Zeitungsdruck. Güttinger entwickelte ein automatisches Satzsystem, welches Silbentrennung und Zeilenausgleich für einheitliche Spalten oder Seiten vornahm. Als Programmspeicher diente ein Magnetkernspeicher. Über ein Dutzend Zeitungsdruckereien waren bis 1968 mit solchen automatischen Satzsystemen ausgerüstet.[2] Ein weiteres Einsatzgebiet waren Datenverarbeitungssysteme für das Rechnungswesen[3] und zur Steuerung industrieller Prozesse. Schon zuvor lieferte Güttinger ab 1961 die Steuerungselektronik für hochpräzise Zeichentische mit Kurvimeter als automatisches Kartiergerät, genannt Coradomat, der Firma Coradi in Zürich. Sie dienten vor allem der Landesvermessung und Grundbuchämtern.[4] In allen erwähnten Teilgebieten lieferte Güttinger bereits 1963 eigene Digitalrechner. Güttinger beschäftigte 1967 über 100 Mitarbeiter.[5] Güttinger entwickelte und fabrizierte die notwendige Elektronik von Grund auf selbst. Die dafür notwendigen diskreten Komponenten wie Widerstände, Kondensatoren und Halbleiter wurden in grossen Mengen beschafft. Mit etwa einer Million Halbleitern pro Jahr gehörte Güttinger damals zu den bedeutendsten Abnehmern in der Schweiz.[5]
Güttinger gründete 1968 eine deutsche Niederlassung in Bad Waldsee, welche 1971 durch einen Neubau zur Fertigung von Rechnern erweitert wurde.[6]
Die Firma Güttinger wurde 1973 eine Tochterfirma der Sprecher & Schuh AG in Aarau.[7] Die Abteilung für Satzautomatik wurde an die Firma H. Berthold AG in Berlin verkauft. Aus der Abteilung Werkzeugmaschinensteuerungen entstand 1982 die NUMGüttinger AG, welche mit der französischen Firma NUM assoziiert war.[8]
Weblinks
- Kassenanlage Güttinger aus dem Warenhaus Rüfenacht & Heuberger (R&H) in Bern. Sammlung Museum für Kommunikation Bern, abgerufen am 15. Oktober 2021
Einzelnachweise
- Walter Güttinger: Die technischen Grundlagen der Automation. In: Organisation und Automation im Handel. Forschungsstelle für den Handel an der Handels-Hochschule St. Gallen, Paul Haupt, Bern 1962, S. 51–57
- Güttinger-Elektronik in Niederteufen. In: St. Galler Tagblatt, 13. Januar 1968.
- Die erste schweizerische elektronische Datenverarbeitungsanlage in Betrieb. Buchhaltung mit 70 Konten in zwei Minuten verarbeitet. In: Der Bund, 20. Februar 1964, abgerufen am 15. Oktober 2021
- Erich Zachhuber: Der Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung im österreichischen Grundkataster. Österreichische Zeitschrift für Vermessungswesen und Photogrammetrie, Jg. 62, Nr. 2+3, 1973, S. 54, abgerufen am 30. Oktober 2021
- Elektronik-Jubiläum in Niederteufen. In: St. Galler Tagblatt, 5. Oktober 1967.
- Güttinger, Niederteufen. In: Die Tat, 7. Januar 1971, S. 15, abgerufen am 15. Oktober 2021
- Übernahme der Güttinger AG. In: Neue Zürcher Zeitung, 20. Dezember 1973, S. 12
- Sprecher & Schuh im Aufstieg. In: Der Bund, 18. Mai 1982, S. 15, abgerufen am 15. Oktober 2021