Verweser

Ein Verweser (ahd. firwesan „jemandes Stelle vertreten“) i​st ein Vertreter i​m weitesten Sinne, insbesondere i​n staatlichen Spitzenämtern. Im Schweizerischen s​teht ein Verweser a​uch für e​inen nicht-schulischen Lehrer, d​er fachübergreifend gebildet ist, s​owie für d​en Stellvertreter e​ines ordentlich gewählten Pfarrers.

Geschichte

Laut Adelung bezeichnete m​an als Verweser „eine Person, welche e​twas verweset, d​ie Aufsicht über dasselbe hat. In diesem Verstande w​ar Fürweser u​nd Verweser s​o viel, a​ls ein Vormund.“[1] Verweser wurden i​n der Geschichte a​ls Regenten, d​ie das Amt e​ines monarchischen Staatsoberhauptes provisorisch ausübten, eingesetzt. Diese Position w​urde häufig m​it dem Begriff Reichsverweser umschrieben.[2]

Die Funktion u​nd den Begriff d​es Amtsverwesers g​ibt es s​chon seit Anfang d​es 16. Jahrhunderts.[3]

Verwendung

  • Die Gemeindeordnungen von Baden-Württemberg (in § 48 Abs. 2 und 3)[4] und Sachsen (§ 54 Abs. 4 bis 6 der Sächsischen Gemeindeordnung sowie § 51 Abs. 2 bis 4 der Sächsischen Landkreisordnung) sehen einen Amtsverweser oder Stadtverweser für das Amt des Bürgermeisters einer Stadt oder Gemeinde oder des Landrates vor, wenn keine regulär gewählte Person dieses Amt ausüben kann. Dieser Fall kann eintreten, wenn der Amtsinhaber beispielsweise wegen Krankheit (wie im Frühjahr 2018 im Fall des Bürgermeisters der sächsischen Stadt Thum) nicht amtieren kann, stirbt oder gegen einen Amtsinhaber ein Disziplinarverfahren durchgeführt wird und deshalb nach § 39 Beamtenstatusgesetz ein Amtierverbot ausgesprochen wird (wie im Frühjahr 2018 im Fall des Bürgermeisters der sächsischen Gemeinde Schönheide), oder er nach dem Disziplinarrecht vom Dienst suspendiert ist. Die Ansetzung von Neuwahlen kommt im Todesfall und bei Krankheit in Betracht, wenn der Amtsinhaber wegen Dienstunfähigkeit dauerhaft in den Ruhestand versetzt worden ist. Wird in einem Disziplinarverfahren rechtskräftig auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis entschieden, wird ebenfalls eine Neuwahl angesetzt.
    Auch wenn gegen eine Wahl fristgerecht eine Beschwerde oder Wahlprüfungsbeschwerde eingelegt wurde (wie im November 2020 mit den drei Wahlanfechtungen bei der Wahl des Chemnitzer Oberbürgermeisters)[5], kann ein Amtsverweser eingesetzt werden, bis die Rechtmäßigkeit der Wahl festgestellt wurde. Sollte die Wahl für ungültig erklärt werden, müssen ebenfalls Neuwahlen angesetzt werden. Der Amtsverweser übt die Amtsgeschäfte in jedem Falle nur so lange aus, bis ein rechtmäßig gewählter Kandidat das Amt übernehmen kann.
  • Im kirchlichen Bereich werden auf frei gewordene Pfarr- und Bistumsstellen Verweser abgeordnet, bis diese wieder ordentlich besetzt werden können. Diese Pfarrverweser bzw. Bistumsverweser, die sich sodann um die weitere Entwicklung (Abwicklung) des jeweiligen Objektes zu kümmern haben, werden auch für nicht mehr genutzte Klöster oder andere Einrichtungen bestellt.
  • Für aus dem Amt ausgeschiedene Notare wird ein offizieller Notariatsverwalter bestellt, der früher als Notariatsverweser bezeichnet wurde. Auch werden Nachlassverwalter als Verweser bezeichnet.
  • Gemäß dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen wird im Konsulatswesen als Verweser bezeichnet, wer nur vorübergehend das Konsulat verwaltet.
  • 1848 wurde das seit 1509 so bezeichnete Amt des „Landvogts“ des Fürstentums Liechtenstein in „Landesverweser“ umbenannt. Die Inhaber des Amtes waren Stellvertreter des meist abwesenden Fürsten und führten alle Aufgaben des Oberamts bzw. Regierungsamts aus.[6] Erst mit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung des Fürstentums Liechtenstein im Jahr 1921 besteht die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, als oberstes Exekutivorgan des Staates, aus einem Regierungschef und vier Regierungsräten.
  • In den Jahren 1918 und 1919 wurde Kärnten von einer nicht direkt gewählten Provisorischen Landesversammlung regiert, der Arthur Lemisch mit dem Titel eines Landesverwesers vorstand. Der Titel Landesverweser wurde gewählt, da während der Monarchie sowohl ein Landeshauptmann als auch ein Landespräsident existiert hatten und die genauen Befugnisse des Amtes in der jungen Republik erst in Ausarbeitung begriffen waren. In Vorbereitung auf (letztlich erst 1921 durchgeführte) Wahlen wurde der Titel auf Landeshauptmann geändert.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Verweser. auf zeno.org
  2. Verweser. auf zeno.org
  3. Amtsverweser. In: Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Deutsches Rechtswörterbuch. Band 1, Heft 4 (bearbeitet von Eberhard von Künßberg). Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar (adw.uni-heidelberg.de Erscheinungsdatum zwischen 1914 und 1930).
  4. § 48 Abs. 2 GemO Baden-Württemberg, aktuelle Fassung bei Landesrecht-BW.de.
  5. Stadt Chemnitz: „Sven Schulze zum Amtsverweser gewählt“, Pressemitteilung vom: 25. November 2020, abgerufen am: 26. November 2020.
  6. Landvogt – Historisches Lexikon. Abgerufen am 16. Juni 2019.

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