Verkehrsberuhigter Bereich
Ein verkehrsberuhigter Bereich, umgangssprachlich häufig falsch als Spielstraße, seltener Wohnstraße und auch als Wohnverkehrsstraße bezeichnet, ist in Deutschland eine mit Verkehrszeichen 325.1 beschilderte Straße oder Verkehrsfläche. Der Bereich dient der Verkehrsberuhigung in geschlossenen Ortschaften. Erste Modellprojekte wurden seit 1977 realisiert. Die offizielle Einführung in die StVO erfolgte 1980. Der umgangssprachlich fälschlich als „Spielstraße“ bezeichnete verkehrsberuhigte Bereich ist nicht zu verwechseln mit der eigentlichen Spielstraße, die heutzutage fast nur noch zeitlich begrenzt umgesetzt wird.
Verhaltensregeln
Auf Verkehrsflächen, die mit dem Zeichen 325.1 gekennzeichnet sind, gelten nach Anlage 3 zu § 42 Absatz 2 StVO folgende Verhaltensregeln:[1]
- Fahrzeuge müssen mit Schrittgeschwindigkeit bewegt werden.
- Fußverkehr darf nicht durch den Fahrzeugverkehr gefährdet oder behindert werden. Wenn nötig, muss der Fahrzeugverkehr warten.
- Der Fußverkehr darf den Fahrzeugverkehr nicht unnötig behindern.
- Fahrzeuge müssen innerhalb gekennzeichneter Flächen geparkt werden. Ausgenommen ist davon das Ein- und Aussteigen sowie das Be- und Entladen.
- Der Fußverkehr darf die ganze Straßenbreite benutzen. Spielende Kinder sind überall erlaubt.
Darüber hinaus gibt es folgende Urteile, die die vorgenannten Verhaltensregeln konkretisieren:
- Angesichts der vorgeschriebenen Schrittgeschwindigkeit ist nicht mit einem Überholen zu rechnen.[2]
- Fahrzeuge dürfen innerhalb gekennzeichneter Flächen auch entgegen der Fahrtrichtung geparkt werden.[3]
Das Ende eines verkehrsberuhigten Bereichs wird durch das Zeichen 325.2 gekennzeichnet und die zuvor genannten Verhaltensregeln werden dadurch aufgehoben. Beim Ausfahren aus einem verkehrsberuhigten Bereich ist gemäß § 10 StVO eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Wie beim Ausfahren aus einem Grundstück ist man gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern wartepflichtig. „Rechts vor Links“ gilt ausdrücklich nicht. Dies ist nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sogar dann der Fall, wenn zwischen dem Zeichen 325.2 und der Einmündung noch bis zu 30 Meter zurückzulegen sind.[4]
Verwaltungsvorschriften
Die Kennzeichnung von verkehrsberuhigten Bereichen setzt voraus, dass die in Betracht kommenden Straßen, insbesondere durch geschwindigkeitsmindernde Maßnahmen des Straßenbaulastträgers oder der Straßenbaubehörde, überwiegend Aufenthalts- und Erschließungsfunktion haben. Das bedeutet, der verkehrsberuhigte Bereich muss baulich so angelegt sein, dass der typische Charakter einer Straße mit Fahrbahn, Gehweg, Radweg nicht vorherrscht. In der Regel wird dies durch einen niveauausgleichenden Ausbau (Pflasterung), Pflanzbeete oder Pflanzkübel, wechselseitige Parkstände, Plateau-Aufpflasterungen und Einengungen erreicht (siehe auch Shared Space).
Bremsschwellen allein sind nicht immer ausreichend, da sie ohne begleitende Maßnahmen Autofahrer auch zum wiederholten Beschleunigen zwischen den Schwellen verleiten können.
Durchgangsverkehr und Lkw-Verkehr sind nicht grundsätzlich verboten, der verkehrsberuhigte Bereich ist also keine Anliegerstraße. Um den Durchgangsverkehr aus den Gebieten bzw. Straßen herauszuhalten, können zusätzlich folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- oftmals werden Sackgassen angelegt.
- die Einfahrt wird nur von einer Seite aus erlaubt.
- die Wohnverkehrsstraße wird durch eine Fußgängerzone geteilt, wie z. B. in der Regensburger Maximilianstraße.
Verwandte Konzepte
Verwandte Konzepte sind die Wohnstraße in Österreich, die Begegnungszone in der Schweiz, in Frankreich und Belgien und der verkehrsberuhigte Geschäftsbereich in Deutschland. Im Unterschied zum verkehrsberuhigten Bereich, wo nur mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden darf und Kfz-Fahrer und Fußgänger gleichberechtigt sind, gelten:
- in der Begegnungszone Tempo 20 und eine Bevorrechtigung der Fußgänger
- im verkehrsberuhigten Geschäftsbereich auch höhere Geschwindigkeiten (sie gehört aber verkehrsrechtlich zur Tempo-30-Zone)
- in der Wohnstraße in Österreich (bei demselben Verkehrszeichen!) ein Durchfahrtsverbot
- Shared Space: („gemeinsamer Raum“) bezeichnet eine Planungsphilosophie, nach der vom Kfz-Verkehr dominierter öffentlicher Straßenraum lebenswerter, sicherer sowie im Verkehrsfluss verbessert werden soll. Charakteristisch ist dabei die Idee, auf Verkehrszeichen, Signalanlagen und Fahrbahnmarkierungen zu verzichten. Gleichzeitig sollen die Verkehrsteilnehmer vollständig gleichberechtigt werden, wobei die Vorfahrtsregel weiterhin Gültigkeit besitzt. Im Gegensatz zur konventionellen Verkehrsberuhigung soll auch eine Anwendung in Hauptverkehrsstraßen möglich sein.
- Woonerf: ein in den Niederlanden in den 1970er Jahren entwickeltes Konzept zur Verkehrsberuhigung. Dabei werden Straßenräume in vorwiegend urbanen Wohngebieten als Mischverkehrsfläche angelegt und einer besonderen Gestaltung unterzogen. Fuß- und Kraftfahrzeugverkehr sind dabei nicht eindeutig getrennt und müssen aufeinander Rücksicht nehmen.
Im Gegensatz zu allen oben genannten Konzepten ist die Spielstraße für Fahrzeuge aller Art gesperrt.
Verkehrszeichen international
- Österreich
- Tschechien
- Belgien
- Finnland
- Deutschland
- Niederlande
- Polen
- Russland
- Slowakei
- Spanien
- Schweden
- Norwegen
- Schweizer Begegnungszone
- Französische
Zone résidentielle
Siehe auch
Literatur
- Frank Höfler: Verkehrswesen-Praxis, Band 1: Verkehrsplanung. Bauwerk Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-934369-52-9, S. 231 ff.
Weblinks
Einzelnachweise
- Genauer Wortlaut der Anlage 3 zu Verordnung 42 Absatz 2 StVO, abgerufen am 7. September 2021.
- Urteil des LG Dortmund vom 26. September 2005, Az 17 S 131/05
- Beschluss des Oberlandesgerichtes Köln vom 30. Mai 1997 – Az.:Ss 136/97(Z), abgerufen am 7. September 2021.
- BGH, 20. November 2007 – VI ZR 8/07. Abgerufen am 7. September 2021.