Unsere Liebe Frau von Guadalupe
Unsere Liebe Frau von Guadalupe (spanisch Virgen de Guadalupe‚ „Jungfrau von Guadalupe“) ist ein Gnadenbild Marias. Vom 9. bis 12. Dezember 1531 erschien im Stadtviertel Guadalupe am nördlichen Stadtrand von Mexiko-Stadt dem Indio Juan Diego Cuauhtlatoatzin (1474–1548) der Überlieferung zufolge viermal eine schöne Frau, die sich als „Maria, die Mutter des einzig wahren Gottes […], durch den das Leben ist, des Schöpfers der Menschen, des Herrn“[1] bezeichnete. Sie beauftragte Juan Diego, dem örtlichen Bischof zu übermitteln, dass am Berg dieser Erscheinung eine Kapelle errichtet werden sollte, sie wolle den Menschen dort ihre Liebe als mitleidvolle Mutter zukommen lassen. Der Bischof bezweifelte den Bericht und verlangte ein Zeichen. Als tags darauf der Indio vor dem Bischof seinen Mantel ausbreitete, in dem er auf Geheiß seiner Auftraggeberin mitten im Winter blühende, duftende Blumen gesammelt hatte, und auf dem Mantel das Gnadenbild Mariens erschien, erkannte der Bischof die Echtheit der Erscheinung an und erfüllte den Wunsch des Bittstellers.[2]
Am Ort der Erscheinung wurde zunächst eine Kapelle errichtet, 1709 wurde die erste Basilika geweiht, die später zu einem Museum umgebaut wurde. 1974 wurde die neue Basilika konsekriert. Unsere Liebe Frau von Guadalupe ist das bedeutendste Marienheiligtum Mexikos und zählt zu den bekanntesten Gnadenbildern der Welt. Der Wallfahrtsort Villa de Guadalupe ist ein Viertel von Mexiko-Stadt und befindet sich auf dem Berg Tepeyac.
Geschichtlicher Hintergrund
Bevor Christoph Kolumbus auf Entdeckungsfahrt aufbrach, soll er im spanischen Kloster Guadalupe vor dem Bildnis der Schwarzen Madonna um Schutz und Beistand gebeten haben. Zum Dank für die erfolgreiche Reise benannte er bereits eine Insel im Atlantischen Ozean, die er als erster Europäer betrat, nach dem Marienheiligtum in Extremadura Guadalupe.
Das später ebenfalls nach der Gottesmutter von Guadalupe in Spanien benannte mittelamerikanische Gnadenbild Unserer Lieben Frau entstand im Kontext der Gründung des mexikanischen Kolonialreichs Neuspanien. 1521 hatten spanische Truppen unter dem Konquistador Hernán Cortés das Aztekenreich erobert. Zwar wurde die Ausübung der aztekischen Staatsreligion, die tägliche Menschenopfer einschloss, dadurch abgebrochen, doch die Bevölkerung war nur zu einem kleinen Teil zum Christentum übergetreten, zumal Vorbehalte gegen die teils grausamen Eroberer auch solche gegen deren Religion hervorriefen. Nach der Erscheinung der Mutter Gottes vor Juan Diego – der mit seiner Familie schon zuvor Jesus Christus als Heiland angenommen hatte – und in Anbetracht des wundersam entstandenen Gnadenbildes bekehrten sich innerhalb weniger Jahre Millionen Indios zum Christentum.[3]
Überlieferung
Im Urtext Nican mopohua, einem Teil des religiösen Traktates Huei tlamahuiçoltica, wird die Marienerscheinung auf Nahuatl erzählt.[4][5]
Verehrung
1576 erteilte Papst Gregor XIII. den Pilgern zum Heiligtum einen vollkommenen Ablass, Papst Benedikt XIV. erklärte Unsere Liebe Frau von Guadalupe zur Schutzpatronin Mexikos, Papst Leo XIII. führte die Feier des Gedenktags ihrer Erscheinung am 12. Dezember in ganz Lateinamerika ein. Papst Johannes XXIII. rief der Gottesmutter zu Ehren vom 12. Dezember 1960 bis 12. Dezember 1961 ein marianisches Jahr aus.
Papst Johannes Paul II. stellte Nord- und Südamerika unter den Schutz Marias, verfasste Unserer Lieben Frau von Guadalupe zu Ehren ein Weihegebet, stellte 2002 die Heiligkeit Juan Diegos fest und erhob für die ganze Kirche den 12. Dezember zum Gedenktag Unserer Lieben Frau in Guadalupe.[6] Das Zentrum der Wallfahrt bildet die Basilika Unserer Lieben Frau von Guadalupe nahe dem Erscheinungsort. Weitere Kirchen mit dem Patrozinium sind die Basiliken in San Salvador und Rom. In der Kathedrale Notre Dame in Paris ist eine Kapelle Unserer Lieben Frau von Guadalupe geweiht.
Das Gnadenbild
Das Gnadenbild stellt Maria als junge Frau in einem roséfarbenen Kleid und einem blaugrünen, von Sternen übersäten Mantel dar. Eine geschnitzte Madonnenfigur im Kloster von Guadalupe in der spanischen Provinz Cáceres ähnelt diesem Bild stark, stellt die Gottesmutter allerdings mit Kind dar. Beide Bilder stellen eine Mondsichelmadonna dar.
Nach manchen Interpretationen richtet sich das Bild an die indigene Bevölkerung Mexikos, indem es die Bildsprache der vorchristlichen Religion aufnehme.[7] Der blaugrüne Umhang sei die Farbe, die das göttliche Paar Ometecuhtli und Omecihuatl getragen habe. Der Gürtel wird als ein Zeichen von Schwangerschaft gedeutet, die kreuzförmige Schärpe soll den Kosmos symbolisieren.
Untersuchungen[8][9] ergaben, dass das Original an vielen Stellen übermalt ist. Hinzugekommene Fremdelemente sind die Sonnenstrahlen, die vom Körper der Gestalt ausgehen, die Sterne auf dem Umhang, die Blumenzeichnungen auf dem Untergewand, der Mond, der Engel, die Wolken im Hintergrund und die Schleife unterhalb der Hände. Außerdem wurden die Hände verkleinert, vermutlich weil sie dadurch mexikanischer aussehen.[10] Das Original ist eine schlichte Frauendarstellung ohne jegliche Verzierung, deren Gewand sich mit der Kleidung einer jüdischen Frau des ersten Jahrhunderts vergleichen lässt.[11]
Siehe auch
Literatur
- Paul Badde: Maria von Guadalupe. Wie das Erscheinen der Jungfrau Weltgeschichte schrieb. Ullstein, Berlin 2004, ISBN 3-550-07581-2.[12]
- Juan Manuel Contreras Colín: Das „Nican mopohua“, kritischer Ausdruck des indigenen Denkens. Eine ethische und politische Lektüre. Diss., Hochschule für Philosophie, München, 2010.
- Virgil Elizondo: Guadalupe. Mother of a New Creation. Orbis Books, Maryknoll, New York 1997.
- Gisela Ermel: Rätselhafte Tilma von Guadalupe. Auf den Spuren eines unerklärlichen Bildes. Argo, Marktoberdorf 2002, ISBN 3-9807812-9-1.
- Lars A. Fischinger: Das Wunder von Guadalupe. Silberschnur 2007. ISBN 978-3-89845-174-1.
- José Carlos Espriella Godínez: Unsere Liebe Frau von Guadalupe (II). Eine göttliche Botschaft vom Tepeyac für die Welt. In: Grenzgebiete der Wissenschaft 66 (2017), S. 99–125 (https://www.imagomundi.biz/wp-content/uploads/2018/07/Espriella_Guadalupe2.pdf)
- Wilhelm Maria Havers: Maria de Guadalupe. Unsere Liebe Frau von Mexiko. Adveniat, Essen, 3. Aufl. 1992.
- Francis Johnston: So hat er keinem Volk getan. Christiana, Stein am Rhein, 3. Auflage 1998.
- Jacques Lafaye: Quetzacoatl and Guadalupe. The Formation of Mexican National Consciousness, 1531–1813. University of Chicago Press, Chicago 1976 (mit einem Vorwort von Octavio Paz).
- Miguel León-Portilla, Antonio Valeriano: Tonantzin Guadalupe. Pensamiento náhuatl y mensaje cristiano en el „Nicān mopōhua“. El Colegio Nacional y Fondo de Cultura Económica, Mexiko-Stadt 2000, ISBN 968-16-6209-1.
- Xavier Noguez: Documentos guadalupanos, un estudio sobre las fuentes de información tempranas en torno a las mariofanías en el Tepeyac. El Coleguo Mexiquense, Toluca 1993, ISBN 968-16-4206-6.
- Stafford Poole: Our Lady of Guadalupe. The Origins and Sources of a Mexican National Symbol, 1531–1797. University of Arizona Press, Tucson 1995.
Weblinks
Einzelnachweise
- Deutsche Fassung des Nican mopohua, 26, abgerufen am 28. Dezember 2014. Vgl. das Kapitel zur Überlieferung und die Literaturhinweise.
- Deutsche Fassung des Nican mopohua, abgerufen am 12. Dezember 2014.
- kath-info.de Zum Gnadenbild von Guadalupe, abgerufen am 12. Dezember 2014.
- Miguel León-Portilla, Antonio Valeriano: Tonantzin Guadalupe: pensamiento náhuatl y mensaje cristiano en el „Nicān mopōhua“. 2000, Colegio Nacional Mexico: Fondo de Cultura Económico. Siehe Literaturhinweise.
- Deutsche Fassung des Nican mopohua, abgerufen am 17. August 2011.
- Magnificat. Das Stundenbuch, (12)2014. Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer.
- A short history of Tonantzin, Our Lady of Guadalupe. Abgerufen am 4. März 2019 (britisches Englisch).
- Jody Smith: The image of Guadalupe, Garden City 1983.
- Philip Callahan: Estudio de la Virgen de Guadalupe al infrarojo. Basilica de Guadalupe – Alhambra de Mexico 1981.
- Johannes Fiebag/Peter Fiebag: Zeichen am Himmel. Ufos und Marienerscheinungen, Berlin 1997, S. 314–315.
- Juan Benitz: El misterio de Guadalupe, Barcelona 1982.
- vgl. die Rezension von Felix Hinz