UN-Menschenrechtskommission

Die UN-Menschenrechtskommission (englisch: United Nations Commission o​n Human Rights (CHR)) w​ar eine gemäß Artikel 68 d​er UN-Charta eingesetzte Fachkommission d​er Vereinten Nationen z​ur Förderung u​nd zum Schutz d​er völkerrechtlich verbindlichen Menschenrechte. Sie existierte v​on 1946 b​is 2006 u​nd wurde d​urch den UN-Menschenrechtsrat ersetzt.

UN-Menschenrechtskommission
United Nations Commission on Human Rights
 
Organisationsart Unterorgan der ECOSOC der Vereinten Nationen
Kürzel CHR
Leitung nicht besetzt
Status inaktiv, wurde 2006 durch den UN-Menschenrechtsrat abgelöst
Gegründet 1946
Hauptsitz Genf, Schweiz Schweiz
Oberorganisation Vereinte Nationen
 

Die UN-Menschenrechtskommission i​st nicht z​u verwechseln m​it dem UN-Menschenrechtsausschuss (englisch: Human Rights Committee), d​em UN-Vertragsorgan, d​as die Einhaltung d​es Internationalen Paktes über Bürgerliche u​nd Politische Rechte überwacht.

Entstehung und Entwicklung

Die entsetzlichen Erfahrungen durch den Genozid und die Kriegsführung des Zweiten Weltkrieges überzeugte die internationale Gemeinschaft, dass ein enger Zusammenhang zwischen individuellen Menschenrechten, internationalem Frieden und Sicherheit bestand. Staaten, die die natürlichen, angeborenen Rechte ihrer Bürger verletzten, so dachte man, gefährdeten ihre Nachbarn und das internationale System als Ganzes. Aus diesem Grund kam man zu der Überzeugung, dass nur ein internationales Friedens- und Sicherheitssystem in der Zukunft für Ordnung sorgen konnte. Die Errichtung einer Menschenrechtskommission war die logische Konsequenz dieser neuen Weltanschauung, in der Frieden, Sicherheit und Menschenrechte als interdependent erachtet wurden.[1] Das Gremium wurde 1946 gegründet und war als Unterorgan dem UN-Wirtschafts- und Sozialrat rechenschaftspflichtig. Ursprünglich fanden die Sitzungen in New York und dann abwechselnd in Genf und New York statt, bis man 1974 die Menschenrechtsabteilung der UN ganz nach Genf verlegte. Mit dem zahlenmäßigen Anstieg der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wurde auch die Zahl der Mitglieder der Menschenrechtskommission sukzessive von anfangs 18 auf zuletzt 53 Mitglieder erhöht. Die Mitglieder wurden vom UN-Wirtschafts- und Sozialrat für eine dreijährige Periode nach einem geographischen Regionalschlüssel gewählt, d. h., jede Region erhielt eine bestimmte Anzahl an Mitgliedern. Eine sofortige Wiederwahl von Staaten war möglich und temporär unbeschränkt – so war es Großmächten auch möglich quasi ständiges Mitglied in der Menschenrechtskommission zu werden. Die Menschenrechtskommission wurde 2006 aufgrund der Kritik, nicht effektiv für den Schutz der Menschenrechte einstehen zu können, durch den UN-Menschenrechtsrat abgelöst.

Arbeitsweise

Die Kommission tagte jährlich in einer sechswöchigen Periode von März bis April. Aufgrund der beschränkten Sitzungsdauer war eine zeitgerechte Reaktion auf akut auftretende Menschenrechtsverletzungen nicht möglich. Um diesem Problem Abhilfe zu schaffen, gab es seit 1990 die Möglichkeit in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen Sondersitzungen abzuhalten; seit 1993 gab es auch besondere Verfahrensregeln für deren Einberufung und Durchführung.[2] Der Sitzungsablauf der MRK war in einer Agenda mit verschiedenen Tagesordnungspunkten organisiert, von welchen jeder einzelne einen anderen spezifischen thematischen Bereich bezogen auf Menschenrechte oder aber auf prozedurale Fragen zur Funktionsweise der MRK abdeckte. Am Ende jeder Sitzung hatte die MRK einen Bericht über die wesentlichen Ergebnisse der Debatten geordnet nach den einzelnen Tagesordnungspunkten, dazu die verabschiedeten Resolutionen und Entscheidungen, als auch Dokumententwürfe an den UN-Wirtschafts- und Sozialrat zu übermitteln. Aufgabe der Kommission war es die Menschenrechtssituation in bestimmten Ländern zu beurteilen. Dabei kam es innerhalb des Gremiums immer wieder zu Kontroversen über die Auswahl der Länder, in die die Sonderberichterstatter letztendlich entsendet werden. Ergänzend zu diesen Berichten ging sie auch Hinweisen aus individuellen Menschenrechtsbeschwerden gemäß dem UN-Zivilpakt nach. Die Menschenrechtskommission konnte auf dem Gebiet der Kodifizierung menschenrechtlicher Verbürgungen Erfolge vorweisen (die sog. „standard setting“-Phase): So wurde u. a. die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, der Internationale Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte sowie der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von der Kommission ausgearbeitet.[3]

Den Kontrollkompetenzen i​hrer völkerrechtlichen Kodifizierungen w​aren allerdings Grenzen gesetzt, s​ie durfte Menschenrechtsverletzungen n​ur feststellen u​nd öffentlich verurteilen. Entscheidungen über Maßnahmen z​ur Durchsetzung u​nd Wahrung d​er Rechte wurden u​nd werden v​om UN-Sicherheitsrat, gegebenenfalls u​nter Mitwirkung d​er UN-Generalversammlung, getroffen.

Bei d​en Jahrestagungen w​aren fast a​lle Mitgliedstaaten d​er Vereinten Nationen u​nd etwa 200 nichtstaatliche Organisationen a​ls Beobachter vertreten.

Kritik

Mit andauerndem Fortbestehen geriet d​ie Kommission i​mmer weiter u​nter Verruf u​nd zahlreiche Medien, NGOs, Regierungsvertreter warfen d​er Kommission mangelnde Glaubwürdigkeit u​nd Effizienz vor, d​ie vor a​llem 4 Punkte betrafen: [4]

  1. Eine Selektivität bei der Auswahl der Staaten, die in den Resolutionen kritisiert wurden, ließ viele Staaten „ungeschoren“ davonkommen. Eigentlich war die Menschenrechtskommission dafür zuständig sich mit allen Menschenrechtsverletzungen zu befassen und nicht nur mit denen der Staaten, die keine oder nicht ausreichende politische Gegenmacht mobilisieren konnten. Mittels politischer Absprachen zwischen den Delegationen wurden Menschenrechtsverletzungen oft gar nicht wahrgenommen oder nur mit Empfehlungen bedacht. Auch das Mittel der Nichtbefassungsanträge[5] war hochgeschätzt, um sich nicht mit der Menschenrechtslage in gewissen Ländern befassen zu müssen. Dieser, im englischen als “no-action motion” bezeichnet, ist eine Verfahrensweise, um die Wahl sowie jegliche Debatte bezugnehmend auf eine spezifische Resolution zu verhindern. Sobald ein Land einen Nichtbefassungsantrag einbringt, über diesen mehrheitlich positiv abgestimmt wird, kann keine Debatte bzw. Resolution zustande kommen. „In welcher Form die MRK im Einzelfall tätig wird, ist gleichwohl oft eine Frage der politischen Opportunität bzw. der vorhandenen Mehrheitsverhältnisse.“[6]
  2. Eine Polarisierung zwischen den Staatengruppen lähmte die MRK zunehmend, d. h., es fand eine Blockbildung statt, mit den westlichen Staaten auf der einen Seite und den afrikanischen sowie asiatischen Staaten auf der anderen Seite. Viele Regierungsvertreter kritisierten außerdem eine zunehmende Politisierung der Kommission, womit gemeint war, dass viele Anträge von den Delegationen nicht aus sachlichen Erwägungen, sondern aus politischem Kalkül eingebracht wurden. Allerdings sprachen die Delegierten immer dann von Politisierung, wenn Themen oder Länder angesprochen wurden, die nicht erwünscht waren und sie selbst betrafen. Die afrikanische, asiatische Staatengruppe und Kuba warfen den westlichen Staaten vor, dass sie gegen Entwicklungsländer mit erhobenem Zeigefinger auftraten und Menschenrechtsverletzungen mit doppelten Standards beurteilten, während jene selbst jedoch Beschlüsse über schwere Menschenrechtsverletzungen in ihren eigenen Staaten blockierten.
  3. Die Zusammensetzung der Menschenrechtskommission sorgte für ungeheure Kritik, wenn nicht oft sogar für Empörung. Jedes Mitglied der UN konnte auch Mitglied in der Kommission werden, sofern es auch ausreichend Unterstützung in seiner Regionalgruppe fand, um nominiert zu werden. Da jede Regionalgruppe meist genauso so viele Kandidaten vorbrachte wie ihnen zustand, war die Vorauswahl im UN-Wirtschafts- und Sozialrat hinfällig. Auch die „Hochrangige Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel“ kritisierte in ihrem Bericht, dass Staaten nicht deshalb die Mitgliedschaft in der Menschenrechtskommission angestrebt hatten, weil sie die Menschenrechte stärken wollten, sondern um sich selbst vor Kritik zu schützen oder um Kritik an anderen zu üben.[7]
  4. Die mangelnde Reaktionsfähigkeit auf sich abzeichnende, akute, massive Menschenrechtsverletzungen verursacht durch den jährlichen Tagungsrhythmus ist ein weiterer Kritikpunkt. Sondersitzungen waren eher die Ausnahme und fanden in der Geschichte der MRK nur vier Mal statt. In der Regel blieben die Berichte von Sonderberichterstattern monatelang liegen, bevor man sie in der einmal jährlich stattfindenden sechswöchigen Tagung der Kommission diskutierte.

Ablösung

Als Teil d​er Reformbestrebungen d​er Vereinten Nationen entschloss s​ich die UN-Generalversammlung a​m 18. März 2006 m​it einer Zustimmung v​on 180 Stimmen für d​ie Gründung d​es UN-Menschenrechtsrat a​ls Nachfolgeorganisation d​er UN-Menschenrechtskommission. Die Kommission w​ar von vielen Seiten i​n die Kritik geraten, n​icht effektiv für d​en Schutz d​er Menschenrechte einstehen z​u können.

Die Initiative z​ur Schaffung d​es Menschenrechtsrates g​eht auf d​ie Hochrangige Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen u​nd Wandel u​nd ihrem Bericht „Eine sicherere Welt: Unsere gemeinsame Verantwortung“ zurück, d​er eine Analyse d​er institutionellen Kapazitäten d​er Vereinten Nationen z​um Inhalt hatte. Die Hochrangige Gruppe machte d​en Vorschlag, d​en Menschenrechtsrat a​ls ein Hauptorgan d​er Vereinten Nationen z​u gründen, d. h. d​em Sicherheitsrat o​der der Generalversammlung gleichgestellt. Auf d​em Weltgipfel 2005 beschlossen d​ann die Staats- u​nd Regierungschefs, u​nter anderem, d​ie Menschenrechtskommission abzulösen u​nd durch d​en Menschenrechtsrat z​u ersetzen. Die Verhandlungen z​ur Etablierung d​es Menschenrechtsrates wurden anschließend begonnen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Paul Gordon Lauren: The Evolution of International Human rights: Visions seen, Philadelphia, 1998, S. 309
  2. Tobias IRMSCHER: Die Behandlung privater Beschwerden über systematische und grobe Menschenrechtsverletzungen in der UN-Menschenrechtskommission: das 1503-Verfahren nach seiner Reform, Frankfurt am Main, 2002, S. 82
  3. Tilman Dralle: Die Reformierbarkeit der Vereinten Nationen am Beispiel des Sicherheitsrates und der Menschenrechtskommission (Memento des Originals vom 19. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.tilman-dralle.de (PDF; 248 kB) August 2010, S. 6 f.
  4. Die gesamte Aufzählung basiert auf Gunnar THEISSEN: Mehr als nur ein Namenswechsel. Der neue Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, In: Vereinte Nationen. Zeitschrift für die Vereinten Nationen und Ihre Sonderorganisationen, Vol. 54, 4/2006, S. 138–146.
  5. Der Nichtbefassungsantrag (engl. no-action motion) bezieht sich auf Regel 65, Artikel 2 der Rules of Procedure of the Functional Commissions of the Economic and Social Council: E/5975/Rev.1
  6. Michael Schaefer: Brückenbau: Herausforderung an die Menschenrechtskommission, In: BAUM, Gerhart/RIEDEL, Eibe/SCHAEFER, Michael (Hg): Menschenrechtsschutz in der Praxis der Vereinten Nationen, Baden-Baden, 1998, S. 57–84.
  7. Vgl. A/59/565, A more secure world: our shared responsibility, Report of the High Level Panel on Threats, Challenges and Change, 2. Dezember 2004
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