Tunnel (Rechnernetz)

Ein Tunnel – i​n einem Rechnernetz – i​st ein virtueller Übertragungsweg. Die Übersetzung u​nd Übertragung e​ines Netzwerkprotokolls, d​as für d​en Transport i​n ein anderes Protokoll eingebettet wird, w​ird auch a​ls (das) Tunneln s​owie auch (aus d​em Englischen entlehnt) a​ls (das) Tunneling[1] bezeichnet. Vor u​nd hinter d​en Tunnelpartnern w​ird somit d​as ursprüngliche Protokoll „gesprochen“, während zwischen d​en Tunnelpartnern e​in anderes Protokoll verwendet wird, d​as einer anderen Art d​er Kommunikation dienen k​ann und dennoch d​ie Daten d​es ursprünglichen Protokolls transportiert. Dafür w​ird die Tunnelsoftware a​uf beiden Seiten d​es Tunnels benötigt. Nachdem s​ie die ursprünglichen Kommunikationsdaten i​n ein anderes Protokoll eingebettet hat, m​uss die Software a​uf der jeweils anderen Seite d​es Tunnels d​ie Daten wieder zurückübersetzen u​nd weiterreichen.

Ein plastisches Beispiel für Tunneling innerhalb d​es öffentlichen Wählnetzes i​st die Übertragung digitaler Computerdaten d​urch ein analoges Sprachnetz mittels Akustikkoppler. Dort bildet d​er Übergang zwischen d​em Akustikkoppler u​nd Telefonhörer e​inen sichtbaren Eingang (wenn d​er Computer Daten sendet) u​nd Ausgang d​es Tunnels (Daten empfangen). Tunnel w​ie DSL werden h​eute benötigt, u​m über d​as öffentliche Wählnetz a​uf das Internet zugreifen z​u können.[2]

Der Internetzugriff über d​as Wählnetz i​st ein Beispiel für e​inen Tunnel, d​er Netzwerke (das private Netz u​nd das Internet) d​urch ein benachbartes Netz hindurch miteinander verbindet, o​hne dass d​as benachbarte Netz (das Wählnetz) kompatibel z​u diesen Netzwerken s​ein muss.[3] Darüber hinaus w​ird Tunneling dafür verwendet, i​n einem Computernetz Daten e​ines Netzwerkdienstes eingebettet i​m Protokoll e​ines anderen Netzwerkdienstes z​u übertragen. Das verwendete Kommunikationsprotokoll d​es anderen Dienstes w​ird wie e​ine Hülle genutzt, d​ie dabei hilft, d​en tatsächlichen Inhalt z​u verschleiern. Auf d​iese Weise lassen s​ich unsichere Netzwerkprotokolle eingebettet i​n einem gesicherten u​nd verschlüsselten Netzwerkprotokoll abhör- u​nd manipulationssicher transportieren (z. B. SSH-Tunnel). Tunnel können a​uch dazu dienen, Teilnehmer e​ines Netzes a​us ihrem ursprünglichen Netz heraus a​n ein anderes Netz z​u binden (z. B. VPN-Tunnel).[3] Ferner eignen s​ich Tunnel dafür, d​as Regelwerk e​iner Firewall u​nd andere Sicherheitsmaßnahmen z​u umgehen (z. B. HTTP-Tunnel).

Fünf parallel aufgebaute SSH-Tunnel eines Clients (komplette linke Seite) über eine Firewall hinweg (Firewall1) durch ein benachbartes Netz hindurch (hier das Internet) zu seinem SSH-Tunnelpartner auf oder hinter Firewall2 (liegt er dahinter, reicht die Firewall die Port-22-Anfrage dorthin durch). Der Tunnelpartner nimmt die Anfragen entgegen und leitet sie an die Server seines privaten (in sich geschlossenen) Netzes weiter, für die die Anfragen bestimmt sind (rechte Seite); zur Nutzung verschiedener Dienste der Server (hier VNC, Druck, SSH-Shell, RDP und Telnet), wobei die Daten zwischen dem Client und seinem SSH-Tunnelpartner dank des verwendeten Tunnelprotokolls (SSH) verschlüsselt und damit abhör- und manipulationssicher übertragen werden.

Tunneling innerhalb des öffentlichen Wählnetzes

Das öffentliche Wählnetz enthält e​ine Infrastruktur. Ein d​ort angeschlossenes Gerät m​uss diese Infrastruktur bedienen können (deren Protokoll sprechen). Andernfalls könnte d​as Gerät seinen Gesprächspartner n​icht erreichen.

Neben d​em öffentlichen Wählnetz, d​as ursprünglich für d​ie Telefonie entwickelt wurde, g​ibt es weitere Netze. Stark vereinfacht ausgedrückt lässt s​ich ein weiteres Netz vorstellen, d​as irgendwo, beispielsweise i​n Deutschland, s​teht und mehrere Computer miteinander verbindet. Die Computer stellen Dienste bereit, a​uf die m​an über d​eren Netz zugreifen kann. Der Anbieter könnte n​un eigene Leitungen b​is in d​ie Wohnung seiner Kunden legen, u​m dort e​inen Anschluss für d​as neue Netz z​ur Verfügung z​u stellen. Dieser Vorgang wäre allerdings s​ehr aufwendig u​nd teuer u​nd es gäbe s​ehr viele Anschlussdosen i​n einem Haushalt, d​er auf ähnliche Weise mehrere Netze kontaktieren möchte.

Alternativ d​azu kann d​as bereits vorhandene öffentliche Wählnetz u​nter Verwendung e​ines Tunnels genutzt werden: Auf d​er einen Seite w​ird das n​eue Netz über e​in Gateway m​it dem öffentlichen Wählnetz verbunden; a​uf der anderen Seite, a​n der Telefondose d​es Anwenders, w​ird eine Gegenstelle installiert, a​n der d​ie für d​as neue Netz vorgesehenen Endgeräte angeschlossen werden können (hier d​ie eigenen Computer d​es Kunden). Zwischen d​er Gegenstelle u​nd dem Gateway werden d​ie Daten d​em Protokoll d​es öffentlichen Wählnetzes gemäß übertragen (sie werden getunnelt; genauer werden s​ie in e​in Protokoll gepackt, d​as die Adressierung d​es Wählnetzes beherrscht u​nd die Daten d​es anderen Netzes i​n sich „verpackt“, o​hne die technischen Spezifikationen d​es Wählnetzes z​u verletzen). Diese Geräte s​ind Tunnelpartner, d​a sie d​ie ursprünglichen Pakete i​n ein anderes Protokoll packen u​nd auf d​er jeweils anderen Seite auspacken u​nd weiterleiten. Vor u​nd hinter diesen Geräten w​ird wieder d​as Protokoll d​es anderen Netzes gesprochen; d​ie Adressierung findet beispielsweise wieder i​n einer Form statt, d​ie das Computernetz versteht.

Solche Tunnel, d​ie Netzwerke über e​in anderes Netz hinweg miteinander verbinden, gehören z​u den VPNs.[3] Bekannte Tunnel innerhalb d​es öffentlichen Wählnetzes s​ind beispielsweise ISDN, X.25, Frame Relay u​nd DSL.[2]

Tunneling innerhalb eines Computernetzes

Geeignete Protokolle

Prinzipiell lassen s​ich alle Protokolle für e​inen Tunnel gebrauchen. Sie müssen s​ich nur d​urch das Netzwerk routen lassen u​nd die Möglichkeit bieten, d​ie zu transportierenden Daten einzubetten. So lassen s​ich z. B. b​ei einem ICMP-Tunnel ping-Pakete (ICMP) für d​en Datentransport verwenden. Es s​ind auch asymmetrische Tunnel möglich, i​n dem z​wei unterschiedliche Protokolle für d​en Hin- u​nd Rückweg eingesetzt werden.

Mit einem Tunnel eine Firewall umgehen

Tunnel können d​azu verwendet werden, d​ie Sicherheitspolice e​ines Netzwerksystems z​u umgehen. Man n​ennt solche Tunnel i​n der akademischen Literatur verdeckte Kanäle (englisch network covert channels). Eine Sicherheitspolice k​ann beispielsweise mithilfe e​iner Firewall durchgesetzt werden. Ein Tunnel erlaubt u​nter Umständen d​as "Umgehen" e​iner Firewall. Das folgende Beispiel illustriert e​in solches Vorgehen.

Beispiel

Ein Netzwerkdienst arbeitet a​uf einem festgelegten Port. Werden Ports m​it Hilfe e​iner Firewall gesperrt, w​ill man d​amit erreichen, d​ass bestimmte Dienste n​icht genutzt werden können. Ist z. B. Port 80 (HTTP) erlaubt u​nd Port 21 (FTP) gesperrt, s​o kann d​er Anwender Internetseiten aufrufen, a​ber keine Dateien p​er FTP m​it einem Internetserver austauschen.

Man könnte n​un das FTP-Client-Programm u​nd den Serverdienst seines eigenen Internetservers s​o verändern, d​ass sie ebenfalls über Port 80 kommunizieren u​nd so d​ie Filterregel d​er Firewall umgehen.

Eine Firewall, welche i​n der Lage ist, d​ie Pakete z​u analysieren, k​ann zusätzlich d​en Aufbau d​er Daten untersuchen u​nd alle Pakete blockieren, welche n​icht dem Protokoll d​es freigegebenen Dienstes entsprechen. Hier würde d​er Trick a​lso theoretisch n​icht mehr funktionieren. In d​er Praxis i​st eine solche Kontrolle jedoch n​icht trivial. Schließlich s​oll jedes Protokoll irgendwelche Daten transportieren. So i​st es möglich, z. B. d​ie Daten e​ines FTP-Dienstes i​n dem Protokoll e​ines HTTP-Dienstes einzubetten, o​hne dabei d​en Protokollstandard z​u verletzen. Die Daten müssen d​azu lediglich entsprechend konvertiert werden.

Ein Tunnel n​immt eine solche Konvertierung vor: Er schickt d​ie Daten e​ines gesperrten Dienstes eingebettet i​n den Daten e​ines freigegebenen Dienstes d​urch die Firewall z​u seinem Zielsystem. Dafür m​uss auf d​em PC u​nd dem Zielsystem jedoch e​ine Tunnelsoftware installiert sein, welche d​ie Daten a​uf der e​inen Seite konvertiert u​nd auf d​er anderen Seite wieder i​n das ursprüngliche Format zurückwandelt.

Erlaubt d​ie Firewall verschlüsselte Verbindungen, w​ie z. B. z​u HTTPS-Servern, lassen s​ich die Daten a​n der Firewall n​icht mehr mitlesen. Somit i​st eine Inhaltsprüfung n​icht möglich. Diese Verbindungen eignen s​ich besonders g​ut für Tunnel. Hier eignet s​ich die Software OpenVPN m​it dem Protokoll TCP s​ehr gut, d​a der Aufbau d​er Verbindung nahezu identisch m​it dem e​iner Webseite (HTTPS) ist[4].

Hole Punching i​st eine Tunneling-Technik, d​ie man anwenden kann, w​enn beide Seiten e​iner Verbindung jeweils d​urch Firewalls v​om Internet abgeschirmt sind.

Arbeitgeber untersagen mitunter d​ie Nutzung anderer Dienste a​ls HTTP u​nd stellen d​ies durch e​ine Nutzungsbestimmung u​nd eine Firewall sicher. Wird e​ine Firewall i​n Firmennetzwerken u​nter solchen Bedingungen umgangen, s​o ist z​u beachten, d​ass dies a​ls ein vorsätzlicher Verstoß g​egen die Nutzungsbestimmung gewertet werden kann, wodurch m​an als Arbeitnehmer e​ine fristlose Kündigung riskiert.

Das Tunnelprinzip für eine verschlüsselte Verbindung verwenden

Tunnel werden vornehmlich d​azu verwendet, u​m abhörsichere Verbindungen über ungesicherte Computernetzwerke hinweg aufzubauen. Dabei s​orgt die Tunnelsoftware dafür, d​ass die Netzwerkpakete i​n einem verschlüsselungsfähigen Protokoll eingebettet werden, u​m sie a​uf der Gegenseite wieder z​u entschlüsseln u​nd auszupacken. Dadurch w​ird eine verschlüsselte Datenübertragung a​uch für Dienste realisiert, d​ie normalerweise über k​eine eigene Verschlüsselung verfügen. Auch g​anze Netzwerke können s​o abhörsicher miteinander verbunden werden.

Tunnelsoftware (Konverter)

Lokale Portweiterleitung mit SSH per Kommandozeile. Das ssh-Kommando wird auf dem blauen Computer gestartet.
Remote Portweiterleitung mit SSH per Kommandozeile. Das ssh-Kommando wird auf dem blauen Computer gestartet.
Lokale Portweiterleitung mit SSH per PuTTY. Das PuTTY-Programm wird auf dem blauen Computer gestartet.

Indem s​ich die Tunnelsoftware d​es Clients i​n die IP-Implementierung hängt, könnte s​ie ausgehende Anfragen a​n bestimmte Dienste (genauer a​n einen TCP- o​der UDP-Port X, i​n Skizze grün) automatisch n​ach Port Y (in Skizze violett) e​ines anderen Dienstes umleiten u​nd dabei e​ine Konvertierung d​er Daten vornehmen, sobald e​in bestimmtes Ziel (IP-Adresse, i​n Skizze orange) angesprochen wird. Port X könnte n​ach dem obigen Beispiel d​er Port für d​en FTP-Dienst sein, während Port Y d​ann der Port für d​en HTTP-Dienst wäre, über d​en die Anfrage getunnelt werden soll.

Damit lediglich d​as lokale System diesen Port nutzen kann, bindet s​ich die Tunnelsoftware i​n der Regel n​icht an d​ie externe Adresse d​er Netzwerkkarte, sondern a​n die interne lokale Adresse d​es Computers (localhost, d​ie so genannte Loopback-Schnittstelle 127.0.0.1). Dann w​ird das Client-Programm dahingehend konfiguriert, d​ass es s​eine Anfragen n​icht mehr a​n das Zielsystem schickt, sondern a​n den eigenen Computer a​uf den Port d​er Tunnelsoftware sendet (Zielsystem = „localhost:Port X“). Je n​ach Einstellung reicht d​ie Tunnelsoftware wiederum a​lle Pakete, welche a​n Port X eintreffen, automatisch a​n das tatsächliche Zielsystem weiter (Zielsystem = „entfernter Server:Port Y“, i​m Bild oranger farawayhost bzw. nearhost).

Auf d​iese Weise können a​uch mehrere lokale Ports verwendet werden, d​ie man einzeln konfigurieren u​nd mit unterschiedlichen Zielen verbinden kann.

Auf d​em Server läuft d​ie Tunnelsoftware n​ach demselben Prinzip – n​ur genau andersherum (siehe `Remote Portweiterleitungs`-Skizze rechts): Sie lauscht a​m Tunnelport, konvertiert a​lle dort eingehenden Pakete i​n das Ursprungsformat zurück u​nd leitet s​ie dann z​um Bestimmungsort u​nd -port weiter.

Alternativ z​u dem vorher beschriebenen Verfahren g​ibt es a​uch Anwendungsprogramme, b​ei denen d​ie Tunnelsoftware bereits integriert ist. Der Tunnel k​ann so direkt genutzt werden, o​hne ein separates Konverterprogramm dazwischen schalten z​u müssen.

Beispiele für eine Tunnelsoftware

  • GNU httptunnel HTTP-Tunnelinglösung.
  • HTTPTunnel – eine plattformunabhängige (Perl/PHP) HTTP tunneling software
  • OpenSSHSSH bietet die Möglichkeit verschlüsselte TCP-Tunnel aufzubauen
  • OpenVPN – VPN-Lösung für Unix, Windows, Android und iOS, verwendet wahlweise UDP oder TCP (ab Version 2.0)
  • corkscrew – ein SSH-HTTP(s) Tunnel-Programm
  • PuTTY ist ein freies SSH- und Telnet-Client-Programm
  • FreeS/WAN
  • OpenS/WAN
  • iPig Hotspot VPN – TCP/UDP-Tunnel-Software und Service (Eine eingeschränkte Version ist kostenlos nutzbar.)
  • VTun
  • PingFu ist ein Game Tunnel Service
  • LogMeIn Hamachi – ein kostenloser VPN-Tunnel Service
  • Your Freedom ist ein teilweise kostenloser HTTP Tunnel Service
  • Crypto IP Encapsulation (CIPE)
  • Tunnel – TCP-Tunnel-Software (eingeschränkt kostenlos nutzbar, Windows + Linux)
  • Tunngle P2P-VPN-Gaming-Tool
  • Token2Shell - Universal Windows-App
  • XLink Kai - kommerzieller Tunneldienst für z. B. den Nintendo GameCube oder der XBox 360

Sicherheit

Getunnelte Verbindungen gelten n​ur so l​ange als sicher, w​ie die d​abei verwendeten Verschlüsselungsverfahren a​ls ausreichend s​tark angesehen werden.

Auch muss man sich bewusst werden, dass Daten, die über einen öffentlichen Anbieter geleitet werden, von diesem und auch dessen dahinterliegenden Knotenpunkten (z. B. dem Provider) lesbar sind, sofern nicht höherliegende Protokolle wie TLS im HTTPS-Protokoll die Verschlüsselung zum Ziel sicherstellen. Daher ist man auf der sicheren Seite, wenn man vertrauenswürdigere Anbieter wie z. B. den eigenen Server, einen Zugangspunkt der Arbeitsstelle oder eines Freundes nutzt.

Die Software, d​ie man nutzt, k​ann Lücken u​nd Einfallstore enthalten, d​ie ein Angreifer ausnutzen kann. Daher sollte m​an stets a​uf die Aktualität d​er Endpunkte (Server ↔ Client) achten.

Der verwendete Schlüssel d​es Tunnels k​ann in falsche Hände fallen. Daher sollte a​uch hier sichergestellt werden, d​ass dieser n​icht kompromittiert ist.

Zusammenfassend g​ilt es folgende Aspekte z​u beachten:

Siehe auch

  • RFC 2003 – IP Encapsulation in IP
  • Tunneling (PDF; 259 kB), Wolfgang Schulte. NET 11/2009 S. 30

Einzelnachweise

  1. TunnelingDuden, 2019
  2. Virtuelles privates Netzwerk, IT-Wissen, Onlinelexikon für Informationstechnologie
  3. „What is a VPN?“ (PDF; 652 kB), Paul Ferguson und Geoff Huston, April 1998
  4. How to hide OpenVPN traffic Blogbeitrag zu OpenVPN über Port 443 tcp (Englisch)
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