Tridymit
Tridymit (auch Asmanit[3]) ist eine orthorhombische Hochtemperaturmodifikation von Quarz, einer kristallinen Form von Siliciumdioxid. Erst seit den 1960er Jahren ist Tridymit als stabile Phase von SiO2 allgemein anerkannt worden. Eine andere Hochtemperaturmodifikation von Quarz ist Cristobalit.
Tridymit | |
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Fundort: Wannenköpfe, Ochtendung, Eifel, Deutschland | |
Allgemeines und Klassifikation | |
Andere Namen |
Asmanit |
Chemische Formel | SiO2 |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Oxide und Hydroxide |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
4.DA.10 (8. Auflage: IV/D.01) 75.01.02.01 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | orthorhombisch |
Kristallklasse; Symbol | orthorhombisch-disphenoidisch; 222 |
Raumgruppe | siehe Kristallstruktur |
Gitterparameter | siehe Kristallstruktur |
Formeleinheiten | siehe Kristallstruktur |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 7 |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 2,25 bis 2,28; berechnet: [2,28][1] |
Spaltbarkeit | {0001} undeutlich, {1010} unvollkommen |
Bruch; Tenazität | muschelig; spröde |
Farbe | farblos, weiß, gelblich weiß, grau |
Strichfarbe | weiß |
Transparenz | durchsichtig bis durchscheinend |
Glanz | Glasglanz |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nα = 1,468 bis 1,482[2] nβ = 1,470 bis 1,484[2] nγ = 1,474 bis 1,486[2] |
Doppelbrechung | δ = 0,006[2] |
Optischer Charakter | zweiachsig positiv |
Achsenwinkel | 2V = 40 bis 86° (gemessen); 50 bis 72° (berechnet)[2] |
Etymologie und Geschichte
Im Juli 1867 erhielt Gerhard vom Rath zwei Proben aus trachytischem Porphyr, die vom Berg Cerro San Cristóbal nahe Pachuca de Soto (Hidalgo, Mexiko) stammten. In diesen Proben entdeckte er neben den bereits bekannten Mineralen Eisenglanz (Hämatit) und Hornblende auch ein bisher unbekanntes, farbloses Mineral von ungewöhnlicher Kristallgestalt. Diese stellte sich als charakteristische Drillingsverwachsung heraus, aufgrund dessen Gerhard vom Rath das Mineral als Tridymit nach dem griechischen Wort τρίδυμο [tridymo] für Drilling bezeichnete.[4]
Klassifikation
In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Tridymit zur Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort zur Abteilung der „Oxide mit Metall : Sauerstoff = 1 : 2“, wo er zusammen mit Coesit, Cristobalit, Melanophlogit, Mogánit, Opal, Quarz und Stishovit die „Quarzgruppe“ mit der System-Nr. IV/D.01 bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Tridymit ebenfalls in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „Metall : Sauerstoff = 1 : 2 und vergleichbare“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach der Größe der beteiligten Kationen und der Kristallstruktur bzw. der Zugehörigkeit zu einer verwandten Mineralfamilie, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit kleinen Kationen: Kieselsäure-Familie“ zu finden ist, wo es nur noch zusammen mit Opal die unbenannte Gruppe 4.DA.10 bildet.
Im Gegensatz zur Strunzschen Mineralsystematik ordnet die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana den Tridymit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Gerüstsilikatminerale“ ein. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 75.01.02 innerhalb der Unterabteilung „Gerüstsilikate: tetraedrisches Si-Gitter, SiO2 mit [4]-koordiniertem Si“ zu finden.
Kristallstruktur
Tridymit ist bei Raumtemperatur von monokliner Symmetrie, allerdings gibt es temperaturabhängig eine große Anzahl struktureller Modifikationen, deren Komplexität mit sinkender Temperatur zunimmt. Die Bestimmung dieser Phasen wurde in den 1980er Jahren abgeschlossen. Mit sinkender Temperatur lauten diese Phasen:
Name | Stabilitätsbereich | Raumgruppe | Gitterparameter |
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β-Tridymit (HP-Tridymit ) | 465–1470 °C | hexagonal, Raumgruppe P63/mmc (Raumgruppen-Nr. 194) | a = 5,05 Å und c = 8,27 Å sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle[5] |
Tridymit (OC-Tridymit ) | 180–350 °C | orthorhombisch, C2221 (Nr. 20) | a = 8,74 Å; b = 5,04 Å und c = 8,24 Å sowie 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle[5] |
OS-Tridymit | 150–190 °C | Überstruktur | |
OP-Tridymit | 110–150 °C | orthorhombisch, P212121 (Nr. 19) | |
MC-Tridymit | < 110 °C | monoklin, Cc (Nr. 9) |
Die wichtigste Phase ist HP-Tridymit, das die ideale Hochtemperaturphase von Tridymit darstellt. Es besteht aus gleichen Lagen von SiO4-Tetraedern, die in hexagonalen Ringen angeordnet sind. Diese Lagen sind in einer ABAB-Sequenz aufeinander gestapelt und lassen so durchgehende Tunnel frei.
Bei sinkender Temperatur führt im OC-Tridymite eine Verkippung der Tetraeder zunächst zu einer Verscherung hintereinanderliegender Lagen. Bei den restlichen Modifikationen werden zusätzlich die hexagonalen Ringe zu ditrigonalen und ovalen Konfigurationen deformiert, die sich in einer für die Modifikation charakteristischen Überstruktur abwechseln.
Eigenschaften
Der Schmelzpunkt von Tridymit beträgt 1670 °C.[6]
Unter dem Mikroskop ist Tridymit im Dünnschliff aufgrund seiner niedrigen Licht- und Doppelbrechung unauffällig und im Hellfeld nur schlecht von Quarz zu unterscheiden. Die dünntafeligen oder blättrigen, häufig verzwillingten Kristalle erscheinen unter gekreuzten Polarisatoren in grauen Interferenzfarben der ersten Ordnung.[7]
Modifikationen und Varietäten
Tridymit bleibt bis maximal 3 kbar stabil und wandelt sich unter Normaldruck bei 870 °C in Hochquarz und bei 1470 °C in Cristobalit um.[8] Allerdings gilt als sicher, dass viele natürliche Vorkommen von Tridymit bei Temperaturen unterhalb des Stabilitätsbereichs gebildet wurden, was auf den Einbau von Fremdionen in das Kristallgitter zurückgeführt wurde.[9]
Bildung und Fundorte
Als eher seltene Mineralbildung kann Tridymit an verschiedenen Fundorten zum Teil zwar reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet. Neben dem Auftreten in sauren, SiO2-reichen Vulkaniten wird er noch in kontaktmetamorphen Gesteinen der Sanidinit-Fazies gefunden.[7] Als bekannt gelten bisher (Stand: 2012) rund 300 Fundorte.[2] Neben seiner Typlokalität Cerro San Cristóbal in Hidalgo trat das Mineral in Mexiko noch in der „La Esperanza Mine“, der „Barranca Mine“ und der „Remedios Mine“ in Durango, der „Santín Mine“ in Guanajuato und der „Tocho Mine“ in San Luis Potosí zutage.
In Deutschland trat das Mineral vor allem in Rheinland-Pfalz auf, wo es an vielen Fundstellen in der Eifel gefunden werden konnte, so unter anderem bei Andernach, Daun, Ettringen und Mendig. Daneben ist Tridymit aber auch aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen bekannt.
In Österreich fand sich Tridymit unter anderem im Basalt-Steinbruch am Pauliberg im Burgenland sowie am Steinbruch „Schlarbaum“ bei Klausen (Bad Gleichenberg), am Stradner Kogel und im Basalt-Steinbruch bei Klöch in der Steiermark.
Weitere Fundorte liegen unter anderem in der Antarktis, Argentinien, Aserbaidschan, Australien, Bolivien, Brasilien, Burundi, China, Ecuador, Frankreich, Griechenland, Island, Indien, Indonesien, Israel, Italien, Japan, Kanada, Madagaskar, Namibia, den Niederlanden, in Neuseeland, im Oman, auf Papua-Neuguinea, in Peru, Rumänien, Russland, der Slowakei, Spanien, Südafrika, Tadschikistan, Tschechien, der Türkei, Ungarn, im Vereinigten Königreich (Großbritannien) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).
Des Weiteren fand sich Tridymit noch im Basalt des Mondmeeres „Mare Tranquillitatis“, von dem die Besatzung der ersten Mondlandemission Apollo 11 einige Gesteinsproben mitbrachte sowie im Basalt des Fra-Mauro-Hochlandes, das von der Besatzung der Apollo 14-Mission besucht wurde.[10]
Im Juni 2016 gab die NASA bekannt, dass der Mars-Rover Curiosity auch auf dem Mars Tridymit gefunden hat.[11]
Siehe auch
Literatur
- Tadayuki Hirose, Kuniaki Kihara, Masayuki Okuno, Syuhei Fujinami, Keiji Shinoda: X-ray, DTA and Raman studies of monoclinic tridymite and its higher temperature orthorhombic modification with varying temperature. In: Journal of Mineralogical and Petrological Sciences. Band 100, 2005, S. 55–69 (rruff.info [PDF; 1,4 MB; abgerufen am 7. Juli 2018]).
- Peter J. Heaney: Structure and chemistry of the low-pressure silica polymorphs. In: Reviews in Mineralogy and Geochemistry. Band 29, Nr. 1, 1994, S. 1–40.
- M. Wennemer, A. B. Thompson: Tridymite polymorphs and polytypes. In: Schweizerische Mineralogische und Petrographische Mitteilungen. Band 64, 1984, S. 335–353.
- Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4. durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 450.
Weblinks
- Mineralienatlas: Tridymit
- Mindat – Tridymite (englisch)
Einzelnachweise
- Tridymite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org [PDF; 69 kB; abgerufen am 7. Juli 2018]).
- Mindat – Tridymite
- Karl Friedrich Rammelsberg: Die chemische Natur der Meteoriten. In: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin. 1879, S. 8–9 (http://www.archive.org/stream/abhandlungenderk1879deut#page/n43/mode/2up/search/Asmanit online verfügbar bei archive.org [abgerufen am 7. Juli 2018]).
- Gerhard vom Rath: Ueber den Tridymit, eine neue krystallisirte Modification der Kieselsäure. In: Annalen der Physik und Chemie. Band 135, 1868, S. 437–454 (rruff.info [PDF; abgerufen am 7. Juli 2018]).
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 205.
- William Alexander Deer, Robert Andrew Howie, Jack Zussman: An Introduction to the Rock Forming Minerals. Longman Scientific & Technical, London 1966, ISBN 978-0-582-44210-8, S. 340–355.
- Hans Pichler, Cornelia Schmitt-Riegraf: Gesteinsbildende Minerale im Dünnschliff. 2. Auflage. Enke, Stuttgart 1993, ISBN 3-8274-1260-9, S. 66.
- Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 426–429.
- P. Ramdohr, H. Strunz: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 526–527.
- Mindat – Localities for Tridymite
- mars.nasa.gov: NASA Scientists Discover Unexpected Mineral on Mars - Mars Science Laboratory. In: mars.jpl.nasa.gov. Abgerufen am 24. Juni 2016.