Tina Malti
Tina Malti (* 6. Februar 1974 in Alsfeld)[1]:2 [2]:5 ist eine deutsch-palästinensische Entwicklungs- und klinische Psychologin und Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche (mit Approbation in der Schweiz). Sie ist Professorin für Psychologie an der University of Toronto, wo sie das Forschungszentrum für sozial-emotionale Entwicklung und Intervention leitet.
Malti ist für ihre Forschung zu den emotionalen Grundlagen von Aggression und prosozialem Verhalten von Kindern und Jugendlichen bekannt. In ihren wissenschaftlichen Arbeiten entwickelt, implementiert und evaluiert Malti Interventionsstrategien für Kinder und Jugendliche, welche das Ziel verfolgen, Verhaltens- und emotionale Probleme zu reduzieren und die psychische Gesundheit und die sozial-emotionale Entwicklung zu fördern. Malti ist Associate Editor der Zeitschrift Child Development[3] und Membership Secretary der International Society for the Study of Behavioural Development[4].
Biografie
Malti besuchte zunächst von 1980 bis 1984 die Grundschule in Homberg und von 1984 bis 1990 die private Stiftsschule St. Johann in Amöneburg, bevor sie 1993 am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Alsfeld die Allgemeine Hochschulreife erlangte. Sie studierte bis 1999 Psychologie, Psychopathologie und Geschichte der Psychologie an der Freien Universität Berlin. Anschließend arbeitete sie in den 2000er Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und an der Psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli Zürich. Zusätzlich absolvierte sie eine Ausbildung zur kognitiv-behavioralen Psychotherapeutin mit Schwerpunkt Kinder und Jugendliche an der Universität Fribourg. Seit 2002 ist sie als Psychotherapeutin an der Klinik Meissenberg Zug, Psychiatrische und Psychotherapeutische Spezialklinik für Frauen tätig.[1]
Zu Beginn des Jahres 2003 promovierte sie an der FU Berlin mit der Arbeit "Das Gefühlsverständnis aggressiver Kinder".[1]
Forschung
Malti hat extensive Forschung auf dem Gebiet der sozial-emotionalen Entwicklung, Ursachen von Aggression und sozialem Ausschluss und prosozialen Orientierungen von der frühen Kindheit bis in die späte Adoleszenz durchgeführt.[5][6][7][8][9][10] Ziel ihres klinisch-entwicklungspsychologischen theoretischen Ansatz ist es, zu einem besseren Verständnis der Frage beizutragen, warum Kinder und Jugendliche Verhaltensweisen zeigen, die anderen Menschen schaden oder ihnen helfen. Dabei legt sie einerseits besonderen Schwerpunkt auf die Rolle von emotionalen Prozessen in der Genese und Entwicklung von Aggression und prosozialem Verhalten. Andererseits behandelt sie in ihren Arbeiten die Fragen, wie man Aggression effektiv vorbeugen und behandeln und prosoziale Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen fördern kann.
Die Arbeiten von Tina Malti und ihrem Team haben die Bedeutung von Mitgefühl als eine zentrale Dimension der sozial-emotionalen Entwicklung für aggressive und prosoziale Verhaltensweisen, wie beispielsweise einfache Formen altruistischen Helfens, hervorgehoben.[11] Trotz des Befundes, dass Mitgefühl eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Aggression hat, haben Maltis’ Arbeiten auch gezeigt, dass Mitgefühl nicht immer für die Entstehung prosozialen und aggressiven Verhaltens notwendig ist. Vielmehr motivieren auch Emotionen, die eine kritische Selbstreflexion beinhalten, wie beispielsweise Schuldgefühle aufgrund realen (oder erlebten) Fehlverhaltens Kinder und Jugendliche dazu, sich prosozial zu verhalten[12] und tragen dazu bei, aggressive Verhaltensweisen zu reduzieren.[13] Malti hat diese Befunde dahingehend interpretiert, dass solche Emotionen Kinder darin unterstützen, sich im Einklang mit internalisierten Normen wie Fairness, Gerechtigkeit und Güte zu verhalten. Sie hat argumentiert, dass insbesondere Peer-Interaktionen wichtig sind, um die Entwicklung von solchen Emotionen zu verstehen, und sie führt derzeit die Forschungsarbeiten zur Rolle von selbstreflektiven und an-anderen orientierten Emotionen in der Genese von Aggression und prosozialen Verhaltensweisen in Peerbeziehungen fort.[14][15][16] Dabei konnte beispielsweise belegt werden, dass Schuldgefühle sogar dann aggressive Verhaltenstendenzen abschwächen können, wenn ein hohes Ausmaß an Ärger vorhanden ist, das sonst typischerweise zu einem hohen Aggressionsniveau und dessen Stabilität beiträgt.[17]
In jüngeren Arbeiten hat Malti ihren klinisch-entwicklungspsychologischen Ansatz um die Erfassung biologischer Marker, wie beispielsweise physiologische Erregung mittels der Messung von Herzfrequenz und elektrischer Leitfähigkeit der Haut, sowie kognitiver Faktoren, wie Aufmerksamkeitsfokussierung mittels Eye-Tracking, erweitert. Ziel ist es, einen umfassenden theoretischen Ansatz zur kindlichen emotionalen Entwicklung im Kontext von Peer-Interaktionen in Realzeit zu erarbeiten. Sie und ihr Team konnten beispielsweise zeigen, dass Kinder mit einem starken Empfinden von Schuldgefühlen nach eigenen moralischen Regelverletzungen spezifische Muster von physiologischer Erregung aufweisen.[18] Dieser Befund weist auf eine möglicherweise zentrale Rolle physiologischer Erregung und regulatorischer Funktionen in der Genese von Schuldgefühlen und damit assoziierter niedriger Ausprägung unprovozierter Aggression hin.
Zusätzlich zu diesen Arbeiten haben Malti und ihre Kollegen an der Erarbeitung neuer diagnostischer Methoden zur Messung der sozial-emotionalen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gearbeitet mit dem Ziel, diese differenzierter zu erfassen und im schulischen Kontext anzuwenden.[19][20] Basierend auf ihrer rekursiven sozial-emotionalen Entwicklungstheorie arbeitet sie weiterhin an der Entwicklung und Implementierung von Interventionsstrategien mit dem Ziel, Aggression zu reduzieren und prosoziales Verhalten und soziale Inklusion in Kindheit und Adoleszenz zu fördern.[21][22][23][24]
Auszeichnungen und Ehrungen (Auswahl)
- Fellow, American Psychological Association (Division 7, Developmental Psychology), 2015-heute
- Fellow, Association for Psychological Science, 2015-heute
- Early Researcher Award, Ontario Ministry of Research and Innovation, 2012–2017
- New Investigator Award, Canadian Institutes of Health Research, 2012–2017
- Dean’s Excellence Award from the University of Toronto Mississauga, 2011, 2012, 2014
- Connaught Award for New Researchers, University of Toronto, 2011
- Young Investigator Award, Society for Research on Adolescence, 2010
- Fellowship Award for Advanced Research Scientists, Swiss National Science Foundation, 2007–2010
- New Investigator Award, International Society for Research on Aggression, 2004
Publikationen (Auswahl)
- Malti, T., Chaparro, M. P., Zuffianò, A., & Colasante, T. (in press). School-based interventions to promote empathy in children and adolescents: A developmental analysis. Journal of Clinical Child and Adolescent Psychology.
- Eisner, M. P., & Malti, T. (2015). Aggressive and violent behavior. In M. E. Lamb (Vol. Ed.) and R.M. Lerner (Series Ed.), Handbook of child psychology and developmental science, Vol. 3: Social, emotional and personality development (7th ed., pp. 795-884). New York, NY: Wiley.
- Ongley, S. F., & Malti, T. (2014). The role of moral emotions in the development of children’s sharing behavior. Developmental Psychology, 50(4), 1148–1159. doi:10.1037/a0035191
- Malti, T., & Ongley, S. F. (2014). The development of moral emotions and moral reasoning. In M. Killen & J. Smetana (Eds.), Handbook of moral development (2nd ed., pp. 163-183). New York, NY: Psychology Press.
- Malti, T., & Krettenauer, T. (2013). The relation of moral emotion attributions to prosocial and antisocial behavior: A meta-analysis. Child Development, 84(2), 397-412. doi:10.1111/j.1467-8624.2012.01851.x
- Malti, T., Averdijk, M., Ribeaud, D., Rotenberg, K., & Eisner, M. P. (2013). “Do you trust him?” Children’s trust beliefs and developmental trajectories of aggressive behavior in an ethnically diverse sample. Journal of Abnormal Child Psychology, 41(3), 445-456. doi:10.1007/s10802-012-9687-7
- Malti, T., Gummerum, M., Keller, M., Chaparro, M. P., & Buchmann, M. (2012). Early sympathy and social acceptance predict the development of sharing in children. PLoS ONE, 7(12), e52017. doi:10.1371/journal.pone.0052017
- Malti, T., Killen, M., & Gasser, L. (2012). Social judgments and emotion attributions about exclusion in Switzerland. Child Development, 83, 697-711. doi:10.1111/j.1467-8624.2011.01705.x
- Malti, T., Ribeaud, D., & Eisner, M. P. (2011). The effectiveness of two universal preventive interventions to reduce children’s externalizing behavior: A cluster-randomized controlled trial. Journal of Clinical Child and Adolescent Psychology, 40(5), 677-692. doi:10.1080/15374416.2011.597084
- Malti, T., & Noam, G. G. (2009). A developmental approach to the prevention of adolescents’ aggressive behavior and the promotion of resilience. European Journal of Developmental Science, 3, 235-246. doi:10.3233/DEV-2009-3303
- Malti, T., Gasser, L., & Buchmann, M. (2009). Aggressive and prosocial children’s emotion attributions and moral reasoning. Aggressive Behavior, 35(1), 90-102. doi:10.1002/ab.20289
- Malti, T., Gummerum, M., Keller, M., & Buchmann, M. (2009). Children’s moral motivation, sympathy, and prosocial behavior. Child Development, 80, 442-460. doi:10.1111/j.1467-8624.2009.01271.x
Weblinks
- Tina Maltis’ Forschungszentrum für sozial-emotionale Entwicklung und Intervention an der University of Toronto (englisch)
Einzelnachweise
- Tina Malti: Das Gefühlsverständnis aggressiver Kinder. (PDF) Lebenslauf in der Dissertation. FU Berlin, 24. Januar 2003, S. 2, abgerufen am 24. August 2021.
- ciando
- Editorial Board & Statement von Child Development, abgerufen am 5. November 2015.
- Homepage der International Society for the Study of Behavioural Development, abgerufen am 5. November 2015.
- Malti, T., Killen, M., & Gasser, L. (2012). Social judgments and emotion attributions about exclusion in Switzerland. Child Development, 83, 697-711. doi:10.1111/j.1467-8624.2011.01705.x.
- Malti, T., & Krettenauer, T. (2013). The relation of moral emotion attributions to prosocial and antisocial behavior: A meta-analysis. Child Development, 84(2), 397-412. doi:10.1111/j.1467-8624.2012.01851.x
- Malti, T., Averdijk, M., Ribeaud, D., Rotenberg, K., & Eisner, M. P. (2013). “Do you trust him?” Children’s trust beliefs and developmental trajectories of aggressive behavior in an ethnically diverse sample. Journal of Abnormal Child Psychology, 41(3), 445-456. doi:10.1007/s10802-012-9687-7
- Malti, T., Strohmeier, D., & Killen, M. (2015). The impact of on-looking and including bystander behavior on judgments and emotions regarding peer exclusion. British Journal of Developmental Psychology, 33, 295-311. doi:10.1111/bjdp.12090
- Ongley, S. F., & Malti, T. (2014). The role of moral emotions in the development of children’s sharing behavior. Developmental Psychology, 50(4), 1148–1159. doi:10.1037/a0035191
- Malti, T., Dys, S. P., & Zuffianò, A. (2015). The moral foundations of prosocial behaviour. In R.E. Tremblay, M. Boivin, & R. D. Peters (Eds.), Encyclopedia on early childhood development [online]. Montreal, Quebec: Centre of Excellence for Early Childhood Development and Strategic Knowledge Cluster on Early Child Development.
- Malti, T., Gummerum, M., Keller, M., Chaparro, M. P., & Buchmann, M. (2012). Early sympathy and social acceptance predict the development of sharing in children. PLoS ONE, 7(12), e52017. doi:10.1371/journal.pone.0052017
- Malti, T., Gummerum, M., Keller, M., & Buchmann, M. (2009). Children’s moral motivation, sympathy, and prosocial behavior. Child Development, 80, 442-460. doi:10.1111/j.1467-8624.2009.01271.x
- Malti, T., Gasser, L., & Buchmann, M. (2009). Aggressive and prosocial children’s emotion attributions and moral reasoning. Aggressive Behavior, 35(1), 90-102. doi:10.1002/ab.20289
- Malti, T., Zuffianò, A., Cui, L., Colasante, T., Peplak, J., & Bae, N. Y. (in press). Healthy social-emotional development and peer exclusion. In C. Spiel, N. J. Cabrera, & B. Leyendecker, (Eds.), Handbook of positive development of minority children. Netherlands: Springer.
- Killen, M., & Malti, T. (2015). Moral judgments and emotions in contexts of peer exclusion and victimization. Advances in Child Development and Behavior, 48, 249-276. doi:10.1016/bs.acdb.2014.11.007
- Zuffianò, A., Colasante, T., Peplak, J., & Malti, T. (2015). Sharing without caring? Respect for moral others compensates for low sympathy in children’s sharing. British Journal of Developmental Psychology, 33(2), 252-258. doi:10.1111/bjdp.12084
- Colasante, T., Zuffianò, A., & Malti, T. (2015). Do moral emotions buffer the anger-aggression link in children and adolescents? Journal of Applied Developmental Psychology, 41, 1-7. doi:10.1016/j.appdev.2015.06.001
- Malti, T., Colasante, T., Zuffianò, A., & de Bruine, M. (2015). The physiological correlates of children’s emotions in contexts of moral transgressions. Journal of Experimental Child Psychology. Early online publication, 2 November, 2015.
- Malti, T., Liu, C. H. J., & Noam, G. G. (2010). Holistic assessment in school-based, developmental prevention. Journal of Prevention and Intervention in the Community, 38, 244-259. doi:10.1080/10852352.2010.486306
- Noam, G. G., Malti, T., & Guhn, M. (2012). From clinical-developmental theory to assessment: The Holistic Student Assessment Tool. International Journal of Conflict and Violence, 6(2), 201-213.
- Malti, T., Chaparro, M. P., Zuffianò, A., & Colasante, T. (in press). School-based interventions to promote empathy in children and adolescents: A developmental analysis. Journal of Clinical Child and Adolescent Psychology.
- Malti, T., Eisner, M. P., & Ribeaud, D. (2012). Effectiveness of a universal school-based social competence program: The role of child characteristics and economic factors. International Journal of Conflict and Violence, 6(2), 249-259.
- Malti, T., & Dys, S.P. (2015). A developmental perspective on moral emotions. Topoi, 34(2), 453-459.
- Malti, T., Ribeaud, D., & Eisner, M. P. (2011). The effectiveness of two universal preventive interventions to reduce children’s externalizing behavior: A cluster-randomized controlled trial. Journal of Clinical Child and Adolescent Psychology, 40(5), 677-692. doi:10.1080/15374416.2011.597084