Tilemann Stella

Tilemann Stella, latinisierte Namensform von Tilemann Stoll, Stolz oder Stoltz (* 15. April 1525 in Siegen, Grafschaft Nassau-Dillenburg; † 18. Februar 1589 in Wittenberg, Kurfürstentum Sachsen) war ein deutscher Gelehrter in der Zeit der Renaissance. Er betätigte sich unter anderem als Bibliothekar, Mathematiker, Geometer, Kartograf und Astronom.

Zweibrückische Landesaufnahme (1564)
Karte Tilemann Stellas zur geplanten Verbindung von der Elbe bis zur Ostsee von 1576

Leben

Als Sohn eines Schmiedes geboren besuchte Stella bis 1542 das Siegener Pädagogium unter Magister Georg Aemilius, einem Verwandten Luthers und Freund Melanchthons.[1] Er studierte anschließend in Wittenberg, Marburg und Köln und erschloss sich das dort gelehrte Wissenschaftsverständnis.

Ab 1552 stand Tilemann Stella im Dienst des Herzogs Johann Albrecht I. in Mecklenburg. Sein Entwurf einer Karte von Mecklenburg, die 1552 in Rostock gedruckt wurde, ist die älteste Karte über dieses Land. Als Reisebegleiter des Herzogs besuchte Stella 1560 Wien und Ungarn. Beide betrieben dabei eifrig kartographische und Architekturstudien. Stellas Tagebuch dieser Reise mit 60 Kartenskizzen ist im Landeshauptarchiv Schwerin erhalten.[2] Beobachtungen und Erkenntnisse der Reise flossen später in mecklenburgische Festungsbauten des 16. Jahrhunderts ein. Am herzoglichen Hof in Schwerin erhielt Stella 1561 eine Stellung auf Lebenszeit, zunächst für die Verwaltung der wertvollen herzoglichen Bibliothek in Schwerin, jedoch unter der Maßgabe, auch als Mathematiker und Geograf herangezogen zu werden.[3] Kurz nach Johann Albrechts Tod im Jahr 1576 stellte er einen heute als St. Galler Globus bekannten kombinierten Erd- und Himmelsglobus fertig.[4]

Neben der Kartografie prägte die Anlage von Wasserstraßen das Berufsleben Stellas. 1564–1582 begleitete er als verantwortlicher Ingenieur für etwa zwei Jahrzehnte die Anlage eines Kanals zwischen Elde und Elbe (heute Teil der Müritz-Elde-Wasserstraße zwischen Dömitz und Eldena) und des heutigen Störkanals. Der Tod seines Arbeitgebers, Johann Albrecht I., 1576 und die in der Folgezeit einsetzende Sparpolitik entzog Stella allmählich die wirtschaftliche Existenzgrundlage in Mecklenburg. 1583/84 stand Stella als Bibliothekar und Wasserbaumeister zeitweilig im Dienst des Pfalzgrafen Johann I. in Zweibrücken.

Als Kartograf ist Stella vor allem für die 1560 veröffentlichte Übersichtskarte von Deutschland bekannt. Daneben führte er in verschiedenen Staaten Landesaufnahmen durch, so ab 1552 in Mecklenburg, 1557–1560 in der Grafschaft Mansfeld und 1563/64 in den Ämtern Zweibrücken und Kirkel des Fürstentums Pfalz-Zweibrücken. Überliefert ist außerdem die Beteiligung an Atlaswerken und eine Karte des biblischen Palästinas. Zeit seines Lebens verfolgte er die Vision einer großen, sehr detaillierten und durch umfangreiche Faktensammlungen ergänzten Deutschlandkarte. Naturgemäß überstieg ein solches Großprojekt seine Möglichkeiten und blieb letztendlich unvollendet.

Stella verstarb am 18. Februar 1589 während einer Reise in Wittenberg.[5] Stellas privater Nachlass ging mit der Bibliothek in Zweibrücken im Jahr 1677 verloren. Große Teile seines kartographischen Werkes von Mecklenburg, zahlreiche Grenzkarten und dazugehörige Akten verwahrt heute das Landeshauptarchiv Schwerin.

Werke

Literatur

  • Christa Cordshagen: Tilemann Stellas Wirken in Mecklenburg: Theoretische Schriften und deren Umsetzung in seinen Karten. In: Siegerland. Bd. 66 (1989), 3–4, S. 83–87, ISSN 1435-7364
  • Christa Cordshagen: Neue Erkenntnisse zum Wirken Tilemann Stellas als Kartograph in Mecklenburg. In: Archivmitteilungen: Zeitschrift für Theorie und Praxis des Archivwesens. Bd. 36 (1986), 5, S. 158–161, ISSN 0004-038X
  • Gyula Pápay: Ein berühmter Kartograph des 16. Jahrhunderts in Mecklenburg: Leben und Werk Tilemann Stellas (1525–1589). In: Beiträge zur Kulturgeschichte Mecklenburgs aus Wissenschaft und Technik. 1985, S. 17–24
  • Bend Feicke: Tilemann Stella und die älteste Karte des Mansfelder Landes. In: Mansfelder Heimatblätter. Nr. 9, Eisleben 1990, S. 70–72
  • Adolf Hofmeister: Stella, Tillmann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 36, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 32 f.
  • Peter H. Meurer: Stella, Tillmann. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 236 (Digitalisat).
  • Bernd Feicke: STELLA (Stoltz), Tilemann. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 30, Bautz, Nordhausen 2009, ISBN 978-3-88309-478-6, Sp. 1433–1437.
  • Ferdinand Opll: »Iter Viennese Cristo auspice et duce«. Wien im Reisetagebuch des Tilemann Stella von 1560. In: Jahrbuch des Vereins für die Geschichte der Stadt Wien 52/53 (1996/1997), S. 321–360.
  • Christa Cordshagen: Stella (Stoll, Stolz), Tilemann. In: Sabine Pettke (Hrsg.): Biographisches Lexikon für Mecklenburg. (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Mecklenburg: Reihe A). Band 3, Schmidt-Römhild, Lübeck 2001, ISBN 3-7950-3713-1, S. 290–295.
  • Jost Schmid: Optische und radiografische Analysen zum St. Galler Globus – Neue Erkenntnisse zu seiner Datierung und Urheberschaft. In: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte (ZAK) 74 (2017), S. 145–156 (Digitalisat auf e-periodica.ch)
  • Jost A. Schmid-Lanter: Der St. Galler Globus. Ein kosmographisches Modell des Tilemann Stella (= Monasterium Sancti Galli 9). Verlag am Klosterhof, St. Gallen 2019, ISBN 978-3-905906-37-0.
Commons: Tilemann Stella – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Josef-L. Ewers, Walter Thiemann: 450 Jahre Gymnasium am Löhrtor, Siegen, 1536–1986 (1986), S. 20
  2. LHAS 2.12-1/7 Reisen mecklenburgischer Fürsten, Nr. 57. (Digitalisat)
  3. Christa Cordshagen: Stella (Stoll, Stolz), Tilemann. In: Biographisches Lexikon für Mecklenburg. Band 3 (2001), ISBN 3-7950-3713-1, S. 290–295 [Hier S. 291].
  4. https://www.nzz.ch/schweiz/aktuelle-themen/der-stgaller-globus-stammt-aus-norddeutschland-ld.1317624. Accessed: 2017-09-21. (Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/6teZNp0nk)
  5. „Zurückgeblättert...“, Siegener Zeitung vom 5. März 2011
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