Terenz
Publius Terentius Afer, auf Deutsch Terenz (* zwischen 195 und 184 v. Chr. in Karthago; † 159 oder 158 v. Chr. in Griechenland), war einer der berühmtesten Komödiendichter der römischen Antike. Er war neben Plautus der bedeutendste römische Dichter der Archaik und stand dem aristokratischen Scipionenkreis nahe. Von Terenz sind insgesamt sechs Komödien erhalten, die zwischen 166 und 160 v. Chr. aufgeführt wurden.
Leben
Über Terenz’ Geburt ist nichts genaues bekannt. Laut Aelius Donatus wurde er 195 v. Chr. in Karthago geboren, der römische Historiker Fenestella dagegen datiert die Geburt in das Jahr 184 v. Chr.
Terenz kam als Sklave nach Rom. Sein Herr, der Senator Terentius Lucanus, erkannte seine Talente, sorgte für eine gute Ausbildung und ließ ihn frei. Dementsprechend nahm Terenz den Namen seines Herrn (Publius Terentius) an. Der Beiname Afer (der Afrikaner) deutet auf Zugehörigkeit zu einem libyschen Stamm hin. Sein ursprünglicher Name ist unbekannt.[1]
Terenz soll mit Scipio und Laelius befreundet gewesen sein, die jedoch beide deutlich jünger waren als er. Ein „intimer Verkehr“ mit diesen, wie ihn Porcius Licinus (im 2. Jahrhundert) behauptet, gilt als unbelegt.[2]
Kurz nach einer der letzten Aufführungen seiner Stücke 160 v. Chr. reiste er zu Bildungszwecken nach Griechenland und starb dort 159 v. Chr., wobei die Todesursache nicht geklärt ist: Sueton zufolge erlitt er auf der Heimreise Schiffbruch und kam dabei um; andere Versionen berichten, er sei aus Trauer über den Verlust seiner in Griechenland geschaffenen Werke gestorben.[3]
Werke
Jahr | Originaltitel | Deutscher Titel | Anlass |
---|---|---|---|
166 | Andria | Das Mädchen von Andros | Ludi Megalenses |
165, 160 | Hecyra | Die Schwiegermutter | Leichenspiele für Aemilius Paulus bzw. zu den Ludi Romani |
163 | Heautontimoroumenos | Der Selbstquäler | Ludi Megalenses |
161 | Eunuchus | Der Verschnittene | Ludi Megalenses |
161 | Phormio | – | Ludi Romani |
160 | Adelphoe | Die Brüder | Leichenspiele für Aemilius Paulus |
Spätere Werke, die ab 160 geschaffen worden sein sollen, sind nicht überliefert.
Bedeutung
Vorbild für Terenz waren die Komödien der neuen attischen Komödie, besonders die nur teilweise erhaltenen des Menander und des Apollodor von Karystos, wobei er teilweise zwei Stücke zu einem zusammenarbeitete, so in seiner Andria etwa Menanders Andria und Perinthia. In den Prologen seiner Komödien verteidigte Terenz sich daher oft gegen die Vorwürfe des Plagiats und rechtfertigte die Mitarbeit adliger Freunde (z. B. an dem Stück Adelphoe).
In seinen von dem Schauspieler Ambivius Turpio inszenierten Komödien gestaltete Terenz das bürgerliche Alltagsleben in sorgfältiger, lebensechter Charakterisierung der Personen. Erziehungsprobleme, Ehefragen und Liebesverwicklungen sind die Themen seiner von großer Menschlichkeit getragenen Stücke: „Homo sum: humani nil a me alienum puto – Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches ist mir fremd.“ (Heaut., 77).
Der Verzicht auf drastische Komik, groben, volkstümlichen Scherz und Vulgäres unterscheidet Terenz von dem etwa 50 Jahre älteren Plautus. Mit ihrer planmäßigen, kunstvoll angelegten Handlungsführung und ihrer gepflegten Konversationssprache fanden Terenz’ Komödien besonders bei den gebildeten Schichten schnell Anklang. Das breitere Publikum dagegen fand erst allmählich einen Zugang zu seinen Stücken. So mussten die ersten Aufführungen der Hecyra abgebrochen werden, da das römische Publikum sich lieber Boxkämpfen bzw. Gladiatorenspielen zuwandte. Erst im Jahr 160 ließ sie sich komplett darbieten.[4]
Nachwirkung
Obwohl Caesar dem Dichter Terenz die „vis comica“ (Lustigkeit) aberkannte und ihn einen „halbierten Menander“ (dimidiatus Menander) nannte, wirkte Terenz stark auf die Weltliteratur. Roswitha von Gandersheim lehnte seine Komödien zwar wegen ihrer (relativen) Freizügigkeit ab, lehnte sich stilistisch jedoch eng an ihn an. Die Theaterpraxis des Humanismus orientierte sich an der Terenzbühne. Das neuzeitliche Drama (Molière, Lessing) empfing wesentliche Impulse von ihm. Zitate aus den Werken des Terenz wurden seit dem Mittelalter zu Sprichwörtern oder geflügelten Worten und mit dem ausgehenden 16. Jahrhundert über die Emblematik zum Sujet der Malerei des Barock, zum Beispiel „Sine Cerere et Baccho friget Venus“.
Noch zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts war er der wichtigste Dichter, dessen Werke zum Erlernen der lateinischen Sprache an den Gymnasien auf dem Lehrplan standen. Nach der Methodus nova von Wolfgang Ratke sollte er viermal nacheinander durchgenommen werden.[5] Ratke selbst fertigte zusammen mit Johannes Kromayer eine Übersetzung aller sechs Werke an, die 1626 mit dem Titel Sechs Freuden-Spiel veröffentlicht wurde.
Carl Zuckmayer wirkte in der Spielzeit 1922/23 als Dramaturg der Städtischen Bühnen in Kiel. Er nahm vom Terenz-Lustspiel „Der Eunuch“ den Grundriss der Handlung und die Personen; ansonsten schrieb er die Komödie „völlig neu, im unverblümtesten Deutsch der Nachkriegszeit“. Der Autor packte alles hinein, was er „den Kielern an politischen und sonstigen Aufrichtigkeiten“ zu sagen hatte.[6] Am Tag nach der Uraufführung wurde das Theater „wegen groben Unfugs“ polizeilich geschlossen, der Intendant Kurt Elwenspoek und Zuckmayer fristlos entlassen.[7]
Ausgaben
- P. Terenti Afri comoediae. Hrsg. von Alfred Fleckeisen, Leipzig 1898. (Bibliotheca Teubneriana)
- P. Terenti Afri: Comoediae. Hrsg. von Robert Kauer & Wallace M. Lindsay, Oxford 1958. (Oxford Classical Texts)
- Terenz: Die Komödien. Übers. von Viktor von Marnitz, Stuttgart 1960. (Alfred Kröner Verlag)
- Terenz: Adelphoe / Die Brüder. Lateinisch / Deutsch, hrsg. und übers. von Herbert Rädle, Stuttgart 1986. (Reclam)
- Terenz: Der Eunuch. Übers. von Andreas Thierfelder, Stuttgart 1986. (Reclam)
- Publius Terentius Afer: Werke. Übers. und hrsg. von Dietrich Ebener, Berlin & Weimar 1988. (Aufbau-Verlag)
- Terence. 2 Bände, Lateinisch / Englisch, hrsg. und übers. von John Barsby, Cambridge (Mass.) 2001. (Loeb Classical Library)
- Terenz: Komödien. 2 Bände, Lateinisch und deutsch, hrsg., übers. und komm. von Peter Rau, Darmstadt 2012. (Wissenschaftliche Buchgesellschaft)
Literatur
Übersichtsdarstellungen
- Eckard Lefèvre: P. Terentius Afer; in: Werner Suerbaum (Hrsg.): Die archaische Literatur. Von den Anfängen bis Sullas Tod (= Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, Band 1), München 2002, S. 232–254. (C. H. Beck)
- Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur von Andronicus bis Boethius und ihr Fortwirken. Band 1, 3., verb. und erw. Auflage, Berlin 2012, S. 184–206. (Walter De Gruyter)
Gesamtdarstellungen
- Karl Büchner: Das Theater des Terenz. Heidelberg 1974. (Winter Verlag)
- Peter Kruschwitz: Terenz. Hildesheim, Zürich und New York 2004. (Georg Olms Verlag)
Rezeption
- Barbara R. Kes: Die Rezeption der Komödien des Plautus und Terenz im 19. Jahrhundert. Theorie – Bearbeitung – Bühne, Amsterdam 1988. (Grüner)
Weblinks
Einzelnachweise
- Ludwig Bieler: Geschichte der römischen Literatur. 4., durchgesehene Auflage, Berlin u. a. 1980, S. 60.
- Ludwig Bieler: Geschichte der römischen Literatur. 4., durchgesehene Auflage, Berlin u. a. 1980, S. 60.
- Ludwig Bieler: Geschichte der römischen Literatur. 4., durchgesehene Auflage, Berlin u. a. 1980, S. 63.
- Ludwig Bieler: Geschichte der römischen Literatur. 4., durchgesehene Auflage, Berlin u. a. 1980, S. 62.
- Karl Adolf Schmid: Geschichte der Erziehung vom Anfang an bis auf unsere Zeit, Bd. 3, Abteilung 2, Stuttgart 1892 (Nachdruck Aalen 1970), S. 84.
- Carl Zuckmayer: Der Eunuch (1922). Erstdruck (mit einem Beitrag von Gunther Nickel zur Entstehungs- und Aufführungsgeschichte). In: Jahrbuch zur Literatur der Weimarer Republik 3, 1997: 47–122.
- Carl Zuckmayer: Als wär's ein Stück von mir. Horen der Freundschaft. 7. Auflage der Sonderausgabe © Carl Zuckmayer 1966. S. Fischer; Frankfurt M 1983. ISBN 3 10 396501 X.