Taborfriedhof
Der Taborfriedhof in Steyr ist ein Großfriedhof mit vier Hektar Ausdehnung und 8500 Gräbern im Stadtteil Tabor. Zu den ältesten, 1584 fertiggestellten Teilen gehören der Renaissance-Torbogen am Eingang und ein Arkadengang mit 84 Grüften. Der Erdfriedhof gehört der Stadtpfarre Steyr und der Vorstadtpfarre St. Michael. Der benachbarte Urnenfriedhof mit dem Krematorium eröffnete 1927 und untersteht dem Magistrat Steyr.
Geschichte und Architektur
Der ursprüngliche Begräbnisplatz der Stadt Steyr lag bei der Stadtpfarrkirche, allerdings war dieser während der Pest 1541/42 rasch überfüllt. Ein neuer, im „Weichselgarten“ beim Bruderhaus in der Sierningerstraße erwies sich jedoch bald als ungeeignet, denn 1569 begann das Gelände gegen den Wehrgraben hin abzurutschen. Bis 1572 konnte das heutige Grundstück erworben werden; durch ein zerstörerisches Hochwasser an Enns und Steyr wurde das bereitgestellte Geld jedoch vorerst anders gebraucht. Erst 1583 konnte mit dem Bau von Torbogen und Arkadengang begonnen werden. Letzterer ist reich mit Malereien und Plastiken geschmückt. Bei diesem ältesten Teil des Friedhofs handelt es sich um einen Campo Santo[1] (heiliges Feld) mit quadratischem Grundriss. Eine Spruchinschrift über dem Torbogen nennt 1584 als Jahr der Fertigstellung.[2]
Während der Reformationszeit wurde der Friedhof nicht geweiht, dies geschah erst am 31. August 1628 durch Abt Anton II., Spindler von Garsten. Aus demselben Jahrhundert stammt auch eine Kapelle. Erstmals erweitert wurde die Anlage 1841 bis 42, dabei wurde der hintere Turm abgerissen um ein größeres Tor zu schaffen. Ab April 1874 richtete die jüdische Gemeinde einen eigenen separaten Friedhof ein, der laut Friedhofsregister 141 Gräber umfasst. Außerdem befindet sich dort ein Massengrab von über 100 ungarischen Juden, den Opfern eines Todesmarsches in den letzten Kriegstagen. An einen eingeebneten Kinderfriedhof erinnert ein Gedenkstern.[3] Nach Friedrich Uprimny, einem 1939 geflohenen Steyrer Juden, ist die Uprimnystiege benannt, die vom Wieserfeldplatz zu einem Nebeneingang (Friedhofsverwaltung) führt. Uprimny kehrte als einziger Bürger jüdischer Abstammung nach dem Krieg zurück, widmete sich zuletzt der Instandsetzung des jüdischen Friedhofes und verstarb 1992.[4]
Aus dem Jahr 1892 stammt ein durch eine Mauer vom katholischen Friedhof abgegrenzter evangelischer Teil. Eine neuerliche Erweiterung stammt aus dem Jahr 1909. Der Verein Heimatpflege richtete gegen Ende des Ersten Weltkrieges einen Soldatenfriedhof ein, dieser wird seit 1938 von der Stadt verwaltet.[5] Da die katholische Kirche Brandbestattungen ablehnte, wies der Gemeinderat dem Verein „Die Flamme“ 1926 ein benachbartes Grundstück für einen Urnenhain zu (Urnenfriedhof am Tabor). 1927 eröffnete dort das von dem Architekten Franz Koppelhuber geplante Steyrer Krematorium.[6] 1945 wurde der katholische Friedhof vergrößert und 1950 ein Kriegerfriedhof neben dem alten Soldatenfriedhof geweiht. Am 5. November 1953 beschloss der Stadtrat die Übernahme von Ehrengräbern.[5] Seit dem Jahr 2000 wurde der Friedhof umfassend renoviert.[7]
Der Erdfriedhof untersteht der Stadtpfarre Steyr und der Vorstadtpfarre St. Michael, der benachbarte Urnenfriedhof dagegen dem Magistrat.[8]
- Hauptportal und Torturm
- Lateinische und deutsche Widmungsinschrift über dem Hauptportal
- Soldatengräber
- Der alte evangelische Friedhof
- Gräber im jüdischen Friedhof
- Uprimnystiege
Gräber
- Marlen Haushofer (1920–1970), Schriftstellerin[9]
- Josef Werndl (1831–1889), Waffenproduzent
- Ludwig Werndl (1847–1890), Messerfabrikant. Familiengruft mit Gedenktafel für Leopold Werndl (1866–1914), seinen im 1. Weltkrieg gefallenen Sohn.[10]
- Karl Holub (1830–1903), Waffentechniker, Erfinder des Tabernakelverschlusses
- Ignaz Freiherr Trollmann von Lovcenberg (1860–1919), k.u.k. General
- Franz Josef Hartlauer (1944–2000), Gründer der Fotohandelskette Hartlauer
- Anton Spitalsky (1831–1909), Technischer Direktor der Österreichischen Waffenfabriksgesellschaft
- Michael Blümelhuber (1865–1936), Grafiker – Stahlschnitt
- Jakob Kompaß (Bürgermeister, 1864 gewählt – Verdienste um die Errichtung der Kronprinz-Rudolf-Bahn von Kleinreifling nach St. Valentin)[5][11]
Bilder der Grabstätten
- Familiengruft Josef Werndl
- Grab Marlen Haushofers
- Grab Michael Blümelhubers
- Hartlauergruft
- Holub-Gruft
- Spitalsky-Gruft
- Arkadengruft Ludwig Werndl
- Hack-Gruft
Literatur
- Josef Stubauer, Ernst Schimanko, Veronika Berti: Der Steyrer Taborfriedhof. Der älteste Renaissance-Friedhof Österreichs, 1584–2016. Eigenverlag Friedhofsverwaltung, Steyr 2016.
- Raimund Ločičnik: Schatztruhe Oberösterreich. 1. Auflage, Verlag Sutton, Erfurt 2011, ISBN 978-3-86680-878-2, S. 74–75.
Weblinks
Einzelnachweise
- Stadtpfarre Steyr: Der Friedhof auf dem Tabor (Bezeichnung Campo Santo), aufgerufen am 17. Mai 2019.
- Josef Ofner: Der Taborfriedhof, aus dem Amtsblatt der Stadt Steyr Nr. 11/1970 (online auf der Website der Stadt Steyr), aufgerufen am 17. Mai 2019.
- Mauthausen Komitee Steyr (Memento vom 20. Oktober 2007 im Internet Archive) abgerufen am 8. Oktober 2012.
- Reinhard Kaufmann: Kleiner Führer durch Steyr. Ennsthaler, Steyr 2004, ISBN 3-85068-297-8, S. 66.
- Manfred Brandl: Neue Geschichte von Steyr. Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr 1980, ISBN 3-85068-093-2, S. 71.
- Neue Geschichte von Steyr, S. 71 u. 230.
- Hans Stögmüller: Restaurator entdeckte im Steyrer Taborfriedhof erstes abstraktes Bild. OÖN-Artikel vom 7. November 2008, abgerufen am 22. November 2016.
- Steyr Online – Friedhof, aufgerufen am 26. März 2011.
- Daniela Strigl: Wahrscheinlich bin ich verrückt ... List Taschenbuch. 2. Auflage, Berlin 2008, ISBN 978-3-548-60784-9, S. 328.
- Website der Stadt Steyr: Werndl-Gruft mustergültig restauriert, Beitrag vom 19. November 2020, aufgerufen am 12. Oktober 2021
- Steyr online: Straßennamen: K, aufgerufen am 22. November 2016.