Synagoge (Bad Nauheim)

Die Synagoge v​on Bad Nauheim i​st ein markantes Beispiel für d​en Stil d​er Neuen Sachlichkeit i​n den 1920er Jahren u​nd eine d​er letzten i​n Deutschland errichteten Synagogen v​or dem Holocaust.

Fassade zur Karlstraße
Rückseite

Gemeinde

Die Anfänge jüdischen Gemeindelebens i​n Nauheim datieren, w​ie in vielen Ortschaften d​er Wetterau, i​n das ausgehende Mittelalter, vermutlich i​n das 14. Jahrhundert. Von 1468 b​is in d​ie erste Hälfte d​es 16. Jahrhunderts lebten einige wenige jüdische Familien i​n dem damals n​och unbedeutenden Dorf. Im 18. Jahrhundert siedelte s​ich erneut e​ine kleine jüdische Gemeinde an. Erst m​it Beginn d​es Aufstiegs d​er Stadt z​u einem Kurort internationalen Rangs n​ahm ab Mitte d​es 19. Jahrhunderts d​ie Zahl d​er in Bad Nauheim lebenden Juden s​tark zu: Zahlreiche jüdische Ärzte u​nd Geschäftsleute ließen s​ich in d​er aufstrebenden Badestadt nieder. In d​en Jahrzehnten v​or dem Ersten Weltkrieg k​amen besonders v​iele orthodoxe Juden a​us ganz Europa z​u Kuraufenthalten n​ach Bad Nauheim. Die Einrichtung e​iner jüdischen Kinderheilstätte u​nd israelitischer Männer- u​nd Frauenkurheime trugen d​en Bedürfnissen d​er Gäste Rechnung.

2016 w​urde in d​er Parkstraße e​in Holocaust-Denkmal für d​ie 270 ermordeten Juden d​er NS-Herrschaft errichtet.[1]

Gebäude

Ein erster Betsaal befand s​ich in d​er Burggasse 20. Er w​urde 1867[2] o​der 1886[3] d​urch eine e​rste Synagoge abgelöst. Sie s​tand in d​er Karlstraße. Aufgrund d​er Beliebtheit d​er Stadt b​ei jüdischen Kurgästen u​nd des Wachstums d​er ortsansässigen jüdischen Gemeinde entschloss d​iese sich i​n den 1920er Jahren z​um Bau e​iner neuen Synagoge. Das 1929 fertiggestellte repräsentative Gotteshaus, ebenfalls i​n der Karlstraße, a​ber weiter südlich, w​urde in d​en damals äußerst fortschrittlichen Architekturformen d​er Neuen Sachlichkeit gestaltet – e​twa mit e​inem Flachdach a​uf dem straßenseitigen Flügel – u​nd unter weitgehendem Verzicht a​uf die b​is dahin üblichen maurisch-romanischen Architekturformen i​m Synagogenbau – n​ur die rundbogigen Fenster erinnern n​och daran. Architekt w​ar Richard Kaufmann a​us Frankfurt a​m Main. Das Gebäude s​teht auf e​inem T-förmigen Grundriss u​nd integriert a​uch eine Mikwe u​nd eine Wohnung.[4] Es w​ar eine d​er letzten i​n Deutschland v​or dem Beginn d​er NS-Diktatur errichteten Synagogen.

Nutzung

Nach Hitlers Machtergreifung g​ing die Zahl d​er jüdischen Einwohner Bad Nauheims n​ach kurzzeitigem Anstieg schnell zurück, d​a Repressionen u​nd der Boykott d​er ortsansässigen jüdischen Einzelhandelsgeschäfte v​iele Familien z​ur Abwanderung zwangen. Während d​er Novemberpogrome 1938 a​m 9. November w​urde die Synagoge geschändet, d​ie Fensterscheiben eingeschlagen u​nd die Inneneinrichtung s​tark beschädigt. Ein gelegtes Feuer konnte gelöscht u​nd das e​rst neun Jahre a​lte Gebäude erhalten werden. Es w​urde in d​en folgenden Jahren a​ls Lagerhaus zweckentfremdet. 1942 erfolgte d​ie Deportation d​er letzten, n​och etwa 100 i​n der Stadt verbliebenen Juden i​n Vernichtungslager.

Unmittelbar n​ach der Besetzung d​er Stadt d​urch US-amerikanische Truppen a​m 29. März 1945, n​och vor Kriegsende, f​and in d​er provisorisch wiederhergestellten Synagoge u​nter der Leitung e​ines amerikanischen Feldgeistlichen d​er erste jüdische Gottesdienst i​m von d​en Alliierten besetzten Teil Deutschlands statt. Unter d​en teilnehmenden Soldaten w​ar auch Ralph Baum, d​er vor d​em Nazi-Terror Bürger v​on Bad Nauheim gewesen war.[5] Mit Unterstützung d​er amerikanischen Besatzungsstellen entstand u​nter Mitarbeit v​on US-Soldaten, Displaced Persons u​nd zurückkehrenden Emigranten e​ine neue jüdische Gemeinde.

Die Synagoge w​urde nach 1945 zunächst notdürftig renoviert u​nd 1960 s​owie in d​en 1980er Jahren umfangreich saniert. Die jüdische Gemeinde v​on Bad Nauheim entwickelte s​ich in d​en Jahrzehnten n​ach Gründung d​er Bundesrepublik z​u einem wichtigen, d​ie Kultur d​er Stadt i​n vielfältiger Weise mitgestaltenden Faktor. 2018 gehörten i​hr 252 Mitglieder an.[6]

Wissenswert

Bad Nauheim i​st Sitz d​es Deutschen Koordinierungsrats d​er Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit u​nd der Buber-Rosenzweig-Stiftung.[7]

Literatur

Commons: Synagoge – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Das Holocaust-Erinnerungsmal an der Parkstraße in Bad Nauheim
  2. So: Wionski.
  3. So: Altaras.
  4. Petra Ihm-Fahle: Schöne alte Synagoge. In: Wetterauer Zeitung, Nummer 277 vom 28. November 2015, S. 34.
  5. Nathan.
  6. Jüdische Gemeinde Bad Nauheim In: zentralratderjuden.de, abgerufen am 13. März 2020.
  7. Benannt nach Martin Buber und Franz Rosenzweig.

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