Symbiogenese

Unter Symbiogenese versteht man die Verschmelzung von zwei oder mehreren verschiedenen Organismen in einem einzigen neuen Organismus. Begründet wurde die Theorie der Symbiogenese durch den deutschen Botaniker Andreas Franz Wilhelm Schimper 1883[1] und den russischen Biologen Konstantin Mereschkowsky 1905.[2][3] Sie wurde 1922 vom amerikanischen Biologen Ivan Wallin[4][5] und um 1970 von Lynn Margulis aufgegriffen. Die Theorie der Symbiogenese stellt insofern eine Ergänzung der Evolutionstheorie dar, als die Entstehung neuer Zellorganellen, Organe oder Arten auf die symbiotische Beziehung und den Zusammenschluss zwischen einzelnen Arten zurückgeführt wird.[6] Entsprechend folgt aus der Symbiogenese die Möglichkeit, dass sich Stammbäume nicht nur verzweigen, sondern auch wieder vernetzen können[7].

  • Ein allgemein bekanntes Beispiel für Symbiogenese sind die Flechten als Zusammenschlüsse zwischen Pilzen und Grünalgen bzw. Cyanobakterien.
  • Die Endosymbiontentheorie beinhaltet ein weiteres inzwischen wissenschaftlich anerkanntes Beispiel für Symbiogenese. Demnach liegt der Ursprung bestimmter Organellen (Mitochondrien und Plastiden) der eukaryotischen Zelle darin, dass Einzeller ohne Zellkern von voreukaryotischen Urzellen durch Endocytose einverleibt wurden. Die Endosymbiose führt zur Erhöhung der morphologischen Komplexität und ermöglicht eine Anreicherung derjenigen Zellen, die andere aufnehmen oder mit ihnen verschmelzen, mit genetischem Material und somit eine Zunahme der innerhalb einer Art verfügbaren Erbinformation.
  • Bei Symbiosen vor allem mit Prokaryoten kann es auch zum horizontalen Gentransfer (oder genauer endosymbiotischen Gentransfer, EGT) kommen. Dieser ist eine weitere Möglichkeit der Anreicherung mit genetischem Material, die von Carl Woese als eine zusätzliche treibende Kraft vor allem der frühen Evolution erkannt wurde.
  • Daneben wird von Lynn Margulis und anderen Vertretern der Theorie auch angenommen, dass auch Flagellen und Zilien von Eukaryoten sich aus endosymbiotischen Spirochäten entwickelt haben könnten. Diese Hypothese ist unter Evolutionsbiologen umstritten, da in den Organellen offenbar keine eigenständige DNA vorkommt. Ein ursprünglich behaupteter Fund konnte nie reproduziert werden.
  • Wie das Beispiel der Epixenosomen (zu den Verrucomicrobia gehörende Bakterien) des Wimperntierchens Euplotidium zeigt, sind derartige innige Ektosymbiosen im mikrobiellen Bereich aber prinzipiell möglich.[8][9]
  • Wie die DNA-losen Plastiden der nicht photosynthetisch aktiven Grünalge Polytomella (Chlamydomonadales, syn. Volvocales),[10] die meisten Hydrogenosomen und alle Mitosomen (beide aus der Mitochondrien-Verwandtschaft) zeigen, ist der totale Verlust von DNA möglich. Auch bei den Mitosomen konnte ein vermeintlicher DNA-Fund widerlegt werden. Entscheidend ist in diesen Fällen aber der Nachweis von (zuvor) auf den Zellkern übertragener DNA des Organells, die homolog zu der von ähnlichen Organellen (mit eigener DNA) bei anderen Spezies ist (siehe Biosignatur: chemische Fossilien).

Nach Auffassung v​on Lynn Margulis u​nd Dorion Sagan h​at das Leben d​en Globus n​icht durch Kampf, sondern d​urch Zusammenarbeit erobert (Life d​id not t​ake over t​he globe b​y combat, b​ut by networking).[11]

Einzelnachweise

  1. Andreas Franz Wilhelm Schimper: Über die Entwicklung der Chlorophyllkörner und Farbkörper. In: Bot. Zeitung. 41, 1883, S. 105–114, 121–131, 137–146, 153–162. (via WebArchiv)
  2. Constantin S. Mereschkowsky: Über Natur und Ursprung der Chromatophoren im Pflanzenreiche. In: Biologosches Centralblatt. 25, 15. September 1905, S. 593–604. (via WebArchiv)
  3. Sapp J, Carrapiço F, Zolotonosov M: Symbiogenesis: the hidden face of Constantin Merezhkowsky. In: History and philosophy of the life sciences. 24, Nr. 3–4, 2002, S. 413–440. PMID 15045832.
  4. Ivan E. Wallin: On the nature of mitochondria. I. Observations on mitochondria staining methods applied to bacteria. II. Reactions of bacteria to chemical treatment. In: American Journal of Anatomy. 30, Nr. 2, 1922, S. 203–229. doi:10.1002/aja.1000300203.
  5. Ivan E. Wallin: On the nature of mitochondria. III. The demonstration of mitochondria by bacteriological methods. IV. A comparative study of the morphogenesis of root-nodule bacteria and chloroplasts. In: American Journal of Anatomy. 30, Nr. 4, 1922, S. 451–471. doi:10.1002/aja.1000300404.
  6. Vgl. das Modell der Makroevolution Synade bei Ulrich Kutschera: "Symbiogenesis, natural selection, and the dynamic Earth", "Theory in Biosciences", Bd. 128, Nr. 3 / August 2009, doi:10.1007/s12064-009-0065-0, S. 191–203.
  7. Peter Sitte: "Wesen, Werden und Wachsen der Lebenswelt", in: Hans Gebhardt, Helmuth Kiesel (Hg.), Weltbilder, Springer, 2004, S. 92.
  8. englisch Epixenosomes
  9. Giovanna Rosati, Giulio Petroni, Silvia Quochi, Letizia Modeo, Franco Verni: Epixenosomes: Peculiar Epibionts of the Hypotrich Ciliate Euplotidium Itoi Defend Their Host Against Predators. In: Journal of Eukaryotic Microbiology. 46, Nr. 3, 1. Mai 1999, ISSN 1550-7408, S. 278–282. doi:10.1111/j.1550-7408.1999.tb05125.x.
  10. David Roy Smith, Robert W. Lee: A Plastid without a Genome: Evidence from the Nonphotosynthetic Green Algal Genus Polytomella. In: Plant Physiology. 164, Nr. 4, 1. April 2014, S. 1812–1819. doi:10.1104/pp.113.233718. PMID 24563281. PMC 3982744 (freier Volltext).
  11. Margulis und Sagan: Microcosmos, New York 1986, S. 15.
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