Supranaturalismus
Supranaturalismus (von lateinisch supra „über“; natura „Natur“) ist in Theologie und Philosophie als metaphysischer Standpunkt die Annahme einer Existenz von Übernatürlichem: das heißt von Strukturen oder Objekten, die nicht Teil der sinnlich wahrnehmbaren Welt der Dinge sind, sondern dieser zugrunde liegen oder sie überschreiten. Diese „zweite Seite der Welt“ verweist auf den Begriff der Transzendenz. In etwa diesem Sinne hat neben anderen auch Immanuel Kant den Ausdruck Supranaturalismus prominent verwendet, meint damit spezifisch aber vor allem, dass die genannte Voraussetzung ein erkenntnistheoretisches Fundament darstellt. Im (protestantischen) Christentum wird mit Supranaturalismus im engeren Sinne die Annahme einer göttlichen Offenbarung gemeint, deren Gehalt den menschlichen Verstand übersteigt, die aber dennoch erfahrbar ist.
Das Gegenteil zum Supranaturalismus wird als Naturalismus bezeichnet.
Christlicher Supranaturalismus
In der protestantischen Theologie ist nach Julius Wegscheider Supranaturalismus „die Denkart, nach welcher man eine von Gott unmittelbar und übernatürlich mitgeteilte Erkenntnis glaubt, die als solche schlechthin über die Vernunft erhaben ist“, wozu auch der Glaube an eine übernatürliche Offenbarung gehört. In der Begründung wird an dieser Stelle dann gern auf Immanuel Kant verwiesen, der der menschlichen Vernunft die Möglichkeit abspricht, bezüglich der Mitteilung Gottes zu Erkenntnissen zu gelangen. Christus wird hiernach als der Garant der göttlichen Autorität der Schrift gesehen, die aber dennoch teilweise im rationalistischen Sinn ausgelegt wird.
Geschichtlich hat der (protestantische) Supranaturalismus seine Wurzeln in Württemberg, wo die Universität Tübingen nahezu frei von Rationalismus bleibt. Die ältere supranaturalistische Tübinger Schule ist mit dem Namen Gottlob Christian Storr verbunden. Weitere Tübinger Vertreter sind die Brüder Johann Friedrich Flatt und Carl Christian von Flatt, Nathanael Friedrich von Köstlin, Friedrich Gottlieb Süskind und Friedrich Steudel. In Norddeutschland ist der Dresdner Oberhofprediger Franz Volkmar Reinhard zu nennen. Zur Norddeutschen Gruppe gehören auch Georg Christian Knapp, Johann August Heinrich Tittmann, Johann Friedrich Kleuker und Ernst Sartorius.
Rationalistischer Supranaturalismus
Zwischen Rationalismus und Supranaturalismus vermittelnd steht der so genannte rationalistische Supranaturalismus (auch: supranaturalistischer Rationalismus), mit dem die trotz gegenseitiger Polemik enge Verwandtschaft zwischen Supranaturalismus und Rationalismus explizit wird – zumal die eigentlichen Gegensätze im Supranaturalismus vs. Naturalismus und im Rationalismus vs. Irrationalismus zu liegen hätten. Das Christentum gilt dabei zunächst als Vernunftreligion; siehe dazu auch Natürliche Theologie. Ihr Ursprung aber liegt in der unmittelbaren göttlichen Offenbarung, deren Sinn erzieherisch verstanden wird.
Vertreter dieser Position
- Karl Ludwig Nitzsch (1751–1831)
- Gottlieb Jacob Planck (1751–1833)
- Johann Gottfried Eichhorn (1752–1827)
- Karl Friedrich Stäudlin (1761–1826)
- Christoph Friedrich Ammon (1766–1850)
- Ernst Gottlieb Bengel (1769–1826)
- Karl Gottlieb Bretschneider (1776–1848)
- Heinrich Gottlieb Tzschirner (1778–1828)
Literatur
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