Strudelwürmer
Bei den Strudelwürmern (Turbellaria) handelt es sich um eine Klasse der Plattwürmer (Plathelminthes). Das Taxon umfasst etwa 3000 rezente Arten, die freilebend in den Meeren, im Süßwasser sowie in feuchten Biotopen an Land (die Landplanarien) vorkommen.
Strudelwürmer | ||||||||||
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Freilebende Plattwürmer in Bewegung, vermutlich Planaria torva. Für volle Auflösung bitte zunächst auf das Bild klicken. (30 sek., 2,3 Mbyte) | ||||||||||
Systematik | ||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||
Turbellaria | ||||||||||
Ehrenberg, 1831 | ||||||||||
Ordnungen | ||||||||||
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In der Entwicklungsgeschichte der Lebewesen stehen die Strudelwürmer deutlich höher als die Nesseltiere, da sie bereits echte Gewebe und Organe ausbilden und eine klare zweiseitige Körpersymmetrie aufweisen. Sie sind jedoch nicht monophyletisch, sondern paraphyletisch, denn alle freilebenden Plattwürmer werden zu den Strudelwürmern gerechnet. Ihnen gegenüber stehen alle parasitischen Arten der Plattwürmer, die als Neodermata zusammengefasst werden.
Merkmale
- Das Nervensystem besteht aus einem Cerebralganglion, von dem Nervenstränge ausgehen. Das Cerebralganglion ist paarig und liegt im vorderen Teil des Körpers. Von dort aus verlaufen mehrere Nervenstränge zum anterioren Ende, an dem die meisten Sinneszellen liegen; zwei ziehen zum posterioren Ende. Diese hinteren Markstränge sind durch ringförmige Kommissuren verbunden.
- Protonephridien übernehmen die Exkretion der Turbellaria. In der Regel sind sie durch zwei oder vier paarig durch den Körper verlaufende Längskanäle verbunden. Diese Tubuli münden entweder durch ein bis zwei hinter dem Kopf liegende Öffnungen oder durch viele kleine reihenförmig angeordnete Poren nach außen. Bei marinen Vertretern sind Protonephridien kaum bis gar nicht entwickelt.
- Viele Turbellarien entwickeln epidermal liegende längliche Strukturen, die Rhabditen. Diese Sekretkörper, die teilweise giftige Substanzen enthalten, können ausgestoßen werden und quellen im Wasser auf. Mit ihrer Hilfe schützen sich die Strudelwürmer vor Fressfeinden oder fangen Beutetiere und hüllen sie mit Schleim ein.
Ernährung
Die meisten Strudelwürmer ernähren sich räuberisch, oft von sessil lebenden Beutetieren. Kleine Arten sind Bakterien-, Kieselalgen- oder Protozoafresser.
Die Mundöffnung liegt bei den Strudelwürmern bauchseitig. Der bewimperte, muskulöse Pharynx kann wie ein Rüssel vorgestülpt werden. Dieses schlauchförmige Schlundorgan wird aus der Pharynxtasche ausgestülpt und dient zum Einfangen der Beute sowie zur Vorverdauung größerer Beutestücke mit Hilfe von Enzymen. Der Pharynx pumpt die Nahrung in den Darm, wo sie enzymatisch weiter zerkleinert und von Nährzellen durch Phagocytose aufgenommen und verdaut wird.
Die Strudelwürmer besitzen wie alle Plattwürmer keine Afteröffnung. Der blind endende Mitteldarm kann ein-, drei- oder vielästig sein.
Fortpflanzung
Alle Mitglieder dieser Klasse sind hermaphroditisch, d. h. ein Individuum hat beide Geschlechter. Dennoch befruchten sie sich gegenseitig, nur sehr selten kommt es zur Selbstbefruchtung. Männliche und weibliche Geschlechtsöffnungen liegen entweder getrennt vor oder beide münden in das gemeinsame Atrium genitale. Die Entwicklung der marinen Arten erfolgt häufig über das freischwimmende Stadium der bewimperten Müllerschen Larve, die der Trochophora der Ringelwürmer ähnelt. Im Allgemeinen ist die Entwicklung meist direkt. Einige Gruppen vermehren sich jedoch auch ungeschlechtlich durch Teilung (z. B. Dugesia).
Vorkommen
Die Turbellaria teilen sich in mehrere Ordnungen. Sie kommen sowohl im Meer als auch im Süßwasser vor.
Ein typischer Vertreter der Turbellaria ist die Bachplanarie (Dugesia gonocephala). Diese ist auch in Europa recht häufig in sauberen Fließgewässern zu finden.
Bedeutung für die Forschung
Die Planarie Dugesia tigrina und einige weitere Arten der Gattung Dugesia aus der Unterordnung Tricladida, Ordnung Seriata, haben für die aktuelle Forschung eine besondere Bedeutung, weil sie über eine nahezu einzigartige Eigenschaft verfügen: In ihrem Bindegewebe besitzen sie überall zahllose Stammzellen, die bei großen und kleinen Verletzungen jederzeit neue Nerven, Muskeln, Sinnesorgane oder andere Gewebe ausbilden können. Auch ein kleines Wurmstück behält so das Potential zum ganzen Tier. Auf Grund dieser Regenerationsfähigkeit spielt die Planarie eine zentrale Rolle in der aktuellen Regenerationsforschung, und es ist Wissenschaftlern gelungen, die Genfunktion der Planarien systematisch zu entschlüsseln. Da trotz geringer Verwandtschaft zwischen Planarien und Menschen viele bei Planarien gefundenen Gene auch beim Menschen vorhanden sind, kann das Verständnis über die Regeneration bei Planarien ebenfalls zu Informationen darüber führen, wie man Stammzellen beim Menschen anwenden könnte.
Auch in der Grundlagenforschung zu Gehirnfunktionen und Gedächtnis haben Planarien schon eine längere Geschichte. Es wurde untersucht, welche Merkleistungen bei der Regeneration von Nervenzellen erhalten bleiben.
Systematik
Die Klasse der Strudelwürmer ist freilebend; die anderen Klassen der Plattwürmer, die Bandwürmer (Cestoda), Saugwürmer (Trematoda) und Hakensaugwürmer (Monogenea) werden als Neodermata zusammengefasst.
Das folgende Diagramm stellt die vermutlichen Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Klasse der Strudelwürmer dar:
Strudelwürmer (Turbellaria) |
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Nach kladistischer Systematik werden die parasitischen Neodermata, die klassisch nicht zu den Strudelwürmern gezählt werden, in die Rhabdocoela eingeordnet.
Siehe auch: Systematik der vielzelligen Tiere