St. Martin (Münsingen)

Die evangelische Kirche u​nd ehemalige Pfarrei St. Martin (auch Martinskirche genannt) i​st eine gotische Basilika i​n Münsingen i​m Landkreis Reutlingen i​n Baden-Württemberg. Sie gehört z​ur Gesamtkirchengemeinde Münsingen-Trailfingen i​m Kirchenbezirk Bad Urach-Münsingen d​er Evangelischen Landeskirche i​n Württemberg.

St. Martin (Münsingen)
Innenansicht
Chorraum mit Orgel
Taufstein

Geschichte und Architektur

Die Kirche in Münsingen wird erstmals 804 als Pfarrkirche eines größeren Sprengels erwähnt. Über die Vorgängerbauten ist jedoch nichts bekannt. Das heutige Bauwerk ist eine flachgedeckte vierjochige Basilika, die mit ihren reduzierten gotischen Formen an die Bettelordensarchitektur um 1300 angelehnt ist. Das Äußere der Kirche zeigt dreibahnige Fenster mit Fischblasenmaßwerk über einem Sohlbankgesims. Der Chorflankenturm im Norden hat drei schlichte Geschosse aus der Bauzeit des Langhauses. Nach Fertigstellung des Bauwerks wurde an den Turm an der Chornordwand das Polygon der Sakristei mit geteilten korbbogigen Fenstern angebaut. Das Glockengeschoss und der achteckige Steinhelm des Turmes wurden erst 1887/1888 durch Christian Friedrich von Leins in den Formen der französischen Hochgotik hinzugefügt. Das Westportal ist zwischen einfachen gestuften Strebepfeilern in den Achsen der Hochschiffwände angeordnet. Seit 1557 ist im ersten Joch des Innern eine hölzerne Empore eingebaut. Die Gewölbe der Seitenschiffe sind spätgotisch und wurden beim Einbau von Emporen verändert.

Mindestens d​er spätgotische Chor m​it Fünfachtelschluss w​urde von Peter v​on Koblenz, d​em Erbauer d​er Stiftskirche St. Amandus Bad Urach u​nd der Stiftskirche Tübingen, erbaut, dessen Meisterzeichen zusammen m​it dem d​es Nebenmeisters i​m Gewölbe z​u finden ist. Der Chor i​st am südlichen Strebepfeiler a​uf 1495 u​nd 1496 datiert. Das Sternrippengewölbe a​uf überkreuzten Anfängern z​eigt feingestaltete Dreipassschlusssteine d​er Uracher Schule m​it Darstellungen d​er Heiligen Maria, Martin, Katharina u​nd Barbara, d​ie gemäß e​iner fragmentarischen Inschrift a​m Chorbogen v​om Ulmer Maler Daniel Schüchlin farbig gefasst u​nd mit Blumenranken u​nd Strahlenkränzen verziert wurden. Diese Malereien wurden b​ei einer Restaurierung d​es Chores i​m Jahr 1976 freigelegt. Die Wände s​ind gelblich b​eige mit aufgemalter Quaderung gefasst. In d​er Nordwestecke a​m Chorbogen w​urde beim Einbau d​er Sakristei i​m Jahr 1495 e​in zum Turm führender Treppenturm eingebaut. Die äußere Sakristei i​st mit Sterngewölbe geschlossen.

Bei d​er Restaurierung d​es Schiffes i​n den Jahren 1983/1984 w​urde die Raumfassung a​us den Jahren 1557/1558 wiederhergestellt, d​ie eine g​raue Quadermalerei a​n den Arkaden u​nd Fenstern s​owie eine farbenfrohe Holzleistendecke i​n den Farben Elfenbein, Zinnoberrot u​nd Altrosa m​it buntfarbigem Muscheldekor z​eigt und d​ie vermutlich a​us dem 17. Jahrhundert stammt.

Ausstattung

  • Die farbenfrohe Kanzel mit einem turmartigen Schalldeckel stammt ebenfalls aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
  • Der auf die Jahre 1506 und 1528 datierte achteckige Taufstein, der über einem sternförmigen Fuß eine Kuppa mit Schilden und Rundstäben an den Kanten zeigt, ist wohl ebenfalls eine Steinmetzarbeit eines Uracher Meisters.
  • Das Kruzifix in der Sakristei in asketisch-schlanken Körperformen wird auf den Anfang des 16. Jahrhunderts geschätzt.
  • Das Kruzifix über dem Altar stammt aus Gruorn und wurde im Umkreis der Ulmer Weckmann-Werkstatt in der Zeit um 1490 geschaffen.
  • Zwei Einzelfiguren in unpassender neuer Fassung zeigen Stephanus in feiner Arbeit des Weichen Stils vom Anfang des 15. Jahrhunderts und Johannes Evangelista aus der Zeit um 1490, der vermutlich aus einer Kreuzigungsgruppe stammt.
  • Zwei Epitaphien des 17. Jahrhunderts wurden für Johann Niefer († 1695) geschaffen.
  • Die Farbverglasung der Maßwerkfenster im Chor wurde von Bürgern gestiftet und 1960 von Wolf-Dieter Kohler geschaffen:[1]
    • links: die Werke der Barmherzigkeit (Mt 25,34-46 )
    • Mitte: erhöhter Christus, von Engeln flankiert, unten Erzengel Michael, der Seelenwäger, und vier Engel mit Gerichtsposaunen
    • rechts: das Gleichnis von törichten und klugen Jungfrauen
  • Die Seitenschiff-Fenster stammen von Ursula Nollau (* 1944) aus Zwiefalten:[2]
    • 1992 ein Südfenster: Taufe (Ps 121,3 )
    • 1994 zwei Südfenster: Abendmahl (Brot und Wein)
    • 1999 zwei Nordfenster: Verheißung (Jes 11,1 ) und das Rundfenster: Segen (Jes 9,5 )
  • Die Orgel ist ein Werk der Firma Orgelbau Vier aus dem Jahr 1976 mit 30 Registern plus 5 Vorabzügen auf drei Manualen (plus Koppelmanual) und Pedal. Dabei wurde der Prospekt einer Orgel von Christian Gotthilf Haußdörffer aus dem Jahr 1758 wiederverwendet.[3]

Literatur

  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Baden-Württemberg II: Die Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen. Deutscher Kunstverlag, München/ Berlin 1997, ISBN 3-422-03030-1, S. 470–471.
  • Kirchenführer: Evangelische Martinskirche Münsingen; hg. Ev. Kirchengemeinde Münsingen, 2004
Commons: St. Martin (Münsingen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Oliver Kohler (Hg.): Licht und Farbe - Wolf-Dieter Kohler 1928-1985; hg. im Selbstverlag, Stuttgart 1988
  2. Nollau-Werkverzeichnis siehe - zuletzt abgerufen am 7. Juni 2020
  3. Informationen zur Orgel auf orgbase.nl. Abgerufen am 14. Februar 2019.

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