St.-Pauli-Kirche (Bremen)
Die heutige reformierte St.-Pauli-Kirche in der Bremer Neustadt auf dem linken Weserufer ist 1967 an der Großen Krankenstraße 11, gegenüber dem Neuen Markt als Nachfolgerin des an der Osterstraße gelegenen, kriegszerstörten Kirchenbaus von 1682 errichtet worden.
Der barocke Kirchenbau
Im Dreißigjährigen Krieg, ab 1623, ergänzte man die Wallanlagen, die bis dahin nur die Altstadt umgeben hatten, durch einen Befestigungsring auf der linken Weserseite. Die Bewohner waren zunächst bei St. Martini eingepfarrt, erst 1639 – mit der allmählichen Besiedlung des Geländes – wurde ein eigenes Kirchspiel eingerichtet und Conrad Laelius zum Prediger bestellt. Ein umgebautes mit Dachreiter versehenes Wohnhaus an der Osterstraße diente als provisorischer Kirchenraum. Er erhielt den Namen des Apostels Paulus, ob in Erinnerung an das über 100 Jahre zuvor abgerissene Paulskloster,[1] ist umstritten.
Christine Graevaeus (1589–1675), Witwe eines Bremer Ratsherrn, hatte durch ihren Nachlass den Erwerb eines hochwassersicheren Grundstücks für einen Neubau ermöglicht. Das schlichte Gotteshaus errichtete man 1679 bis 1682 an der Osterstraße. Den Architekten kennen wir nicht.[2] Einziger Schmuck des Saalbaus aus unverputztem Backstein waren ein Dachreiter (1686) und zwei Sandsteinportale mit Wappen im Sprenggiebel. Das Dach war mit Sandsteinplatten gedeckt.[3] Eine der beiden Emporen an den Schmalseiten trug die Orgel von 1718,[4] von der Teile des Prospektes in den Nachkriegsbau übernommen wurden. Ein Kanzelaltar stand in der Mitte der Längswand zwischen den Eingängen.[5] Ein weißer Anstrich und farblose Fenster gaben dem Inneren eine hell durchlichtete, aber auch nüchterne Anmutung. Diese Zurückhaltung, in friesischen und niederländischen Saalkirchen des 16. und 17. Jahrhunderts vorgebildet, entsprach dem strengen Geist bremisch-reformierter Kirchenzucht, und St. Pauli wurde Vorbild für einige folgende bremische Kirchenbauten.[6]
Am 6. Oktober 1944 brannte die Kirche bei einem Luftangriff völlig aus. Über das Grundstück führt heute die Achse der 1960 fertiggestellten, gegenüber ihrer Vorgängerin um 40 m weseraufwärts gerückten Großen Weserbrücke, heute Wilhelm-Kaisen-Brücke.
Die Kanzel der zerstörten Kirche steht heute in der Kirche in Borgfeld.
Der Bau von 1967
Auf einem Grundstück an der Schmalseite des Neuen Marktes, 100 m westlich des alten Standorts, errichtete die Gemeinde 1967 einen Neubau, nachdem dort, ebenfalls vom Architekten Jan Noltenius[7], schon 1956 ein Gemeindezentrum gebaut worden war. Beide Bauteile verknüpft ein schlanker Glockenturm. Der prismatische Baukörper dominiert die Schmalseite des Platzes. Im lichten Innenraum kontrastieren die weiß gestrichenen Ziegelwände mit großen Farbfenstern (Albrecht Kröning). Ausstattung: Aus der Kirche wurden eine steinerne Portalbekrönung mit Bürgermeisterwappen, ein Teil des Orgelprospektes und die barocken Abendmahlsgeräte übernommen. Metallarbeiten von Walter Wadephul, Orgel von Kleuker, Bielefeld.[8] 1966 lieferte die Glockengießerei Otto aus Bremen-Hemelingen drei Glocken mit den Schlagtönen: fis' – d'' – e'' und folgenden Durchmessern: 1151 mm, 725 mm und 646 mm.[9][10]
Die Kirchengemeinde
Bei Gründung der Gemeinde gehörten zu ihr die Einwohner der Neustadt und der Feldmark Lehnstätt.[11] Dann wurde der Teerhof, 1772 das Neueland, 1850 der ehemals Arster Teil des Buntentorsteinwegs der Gemeinde zugewiesen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Gemeinde in der Stadtmission sehr aktiv. Es entstanden die Tochtergemeinden Jakobi (1884), Zion (1893), Hohentor (1927). Die Vereinigte Ev. Gemeinde Bremen-Neustadt besteht seit 2009 aus der Fusion der früher selbstständigen Kirchgemeinden Zion, St. Pauli und Matthias Claudius.
Zu den Pastoren und bedeutenden, kirchlich aktiven Gemeindemitgliedern zählen: Die Theologen Georg Gottfried Treviranus (1788–1868) und Gottfried Menken (1768–1831) sowie der Bürgermeister und Handelsminister Arnold Duckwitz (1802–1881).
Einzelnachweise
- Heitmann, S. 162
- Iken, S. 56 nennt für die Ausführung den „Maurermeister Frerich Ottersen“, Fliedner/Kloos bringt ohne Quellenangabe den vielleicht missverstandenen Namen „Hermanos de Vogel“ (= span. Gebrüder Vogel ?) eines „holländischen Architekten“ bei. Baumeister des Dachreiters war H. Rust (Iken, S. 62).
- Buchenau, S. 307
- Foto bei Stein, Abb. 40
- Grundrisse bei Stein, Abb. 37 und 38, S. 84
- Stein, S. 38–100: St. Michaelis, zerstört; Kirche in Rablinghausen (1750); alte Rembertikirche (1736).
- Andere Kirchenbauten von Jan Noltenius sind hier aufgelistet: Bremer Architekten
- Heitmann, S. 164
- Gerhard Reinhold: Otto-Glocken. Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto. Selbstverlag, Essen 2019, ISBN 978-3-00-063109-2, S. 588, hier insbesondere S. 552, 553, 561.
- Gerhard Reinhold: Kirchenglocken – christliches Weltkulturerbe, dargestellt am Beispiel der Glockengießer Otto, Hemelingen/Bremen. Nijmegen/NL 2019, S. 556, hier insbesondere 508, 509, 514, urn:nbn:nl:ui:22-2066/204770 (Dissertation an der Radboud Universiteit Nijmegen).
- Zur Örtlichkeit Lehnstätt/Ledense siehe Buchenau, S. 223 f.
Literatur
- Johann Friedrich Iken: Geschichte der St.-Pauli-Kirche und -Gemeinde in Bremen. Bremen 1882.
- Eberhard Syring: Bremen und seine Bauten 1950–1979. Bremen 2014, S. 382.
- Claus Heitmann: Von Abraham bis Zion. S. 161–164.
- Franz Buchenau: Die Freie Hansestadt Bremen. (2. Auflage) Bremen 1934, S. 307.
- Siegfried Fliedner und Werner Kloos: Bremer Kirchen. Bremen 1961, S. 129.
- Rudolf Stein: Bremer Barock und Rokoko. Bremen 1960, S. 86–88.
- Bremer Zentrum für Baukultur: Leichtes Zelt und feste Burg. Sakralbau in Bremen seit 1945., Bremen 2009, S. 200 f.
- Gerhard Reinhold: Otto Glocken – Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto. Essen 2019. ISBN 978-3-00-063109-2
- Gerhard Reinhold: Kirchenglocken – christliches Weltkulturerbe, dargestellt am Beispiel der Glockengießer Otto, Hemelingen/Bremen. Diss. Radboud Universiteit Nijmegen, 2919. DNB-Zugangssignatur L-2019-333968.