Stéphane Audran
Stéphane Audran (* 8. November 1932 als Colette Suzanne Dacheville in Versailles; † 27. März 2018 in Paris[1]) war eine französische Schauspielerin.
Leben und Karriere
Stéphane Audran, die als Schauspielerin in den Fünfzigerjahren am Theater debütiert hatte, wurde vor allem durch Filme von Regisseur Claude Chabrol, den sie später auch heiratete, bekannt. Ihr erster gemeinsamer Film war Schrei, wenn du kannst (1959), in dem sie nur eine kleine Rolle erhielt, nachdem sie in ihrem Leinwanddebut, Le jeu de la nuit, bereits in einer Hauptrolle besetzt worden war. Sie wurde eine ständige Protagonistin des Nouvelle-Vague-Regisseurs und damit zu einem der bekanntesten französischen Filmstars. Meist war sie als unterkühlte, teils auch als boshafte Frau besetzt, hinter deren distanziertem Äußeren sich ein Geheimnis verbirgt.[2] Nach kurzer Ehe mit dem Schauspieler Jean-Louis Trintignant war Stéphane Audran von 1964 bis 1980 mit Chabrol verheiratet. Aus der Ehe ging ein Sohn, Thomas Chabrol, hervor, der ebenfalls Schauspieler wurde. Nach ihrer Scheidung blieben Audran und Chabrol einander beruflich verbunden; zuletzt spielte sie 1992 unter seiner Regie in dem Film Betty neben Marie Trintignant, der Tochter ihres ersten Ehemannes. Es war die 25. gemeinsame Produktion von Audran und Chabrol.
In Chabrols rabenschwarzer Thrillerkomödie Der Frauenmörder von Paris (1963), zu der Françoise Sagan das Drehbuch schrieb, spielte Audran Fernande Segret, das Beinahe-Opfer eines Frauenmörders. Der Filmhandlung liegt ein authentischer Fall zugrunde, nämlich der des Serienmörders Henri Désiré Landru. In Chabrols Filmdrama Zwei Freundinnen von 1968 verkörperte sie an der Seite von Jean-Louis Trintignant und Jacqueline Sassard die verwöhnte reiche Pariserin Frédérique, die die Pflastermalerin Why verführt und in ihre Villa an der Riviera einlädt. Als Why sich in den Architekten Paul verliebt, bahnt sich eine Katastrophe an. Für ihre Leistung in dieser Produktion wurde Audran auf der Berlinale 1968 mit dem Silbernen Bären geehrt. 1970 spielte Audran eine Hauptrolle in dem Thriller Der Schlachter, einer düsteren Parabel über den im Indochinakrieg traumatisierten Schlachter Paul Thomas, genannt „Popaul“ (Jean Yanne), der sich in die von Audran gespielte Lehrerin Hélène Daville verliebt. Audran wurde für diese Rolle mit dem British Academy Film Award in der Kategorie „Beste Schauspielerin“ ausgezeichnet.
Ein weiterer Höhepunkt ihres Filmschaffens war die Zusammenarbeit mit dem spanischen Regisseur Luis Buñuel. In seiner mehrfach ausgezeichneten surrealistischen Groteske Der diskrete Charme der Bourgeoisie (1972) spielte sie eine der Hauptfiguren neben Fernando Rey, Delphine Seyrig und Jean-Pierre Cassel – ein weiterer British Academy Film Award war der Lohn.
In Violette Nozière (1978) leuchtete Chabrol anhand eines authentischen Falls die Abgründe, die sich hinter bürgerlichen Fassaden verbergen, aus. Audran verkörperte in dem Film Germaine Nozière, die ehrgeizige Ehefrau von Baptiste Nozière (Jean Carmet), einem schwachen und allzu nachsichtigen Ehemann und Vater, der mit Frau und Tochter in einer schäbigen Mietwohnung in Paris lebt. Germaine versucht ihre Tochter Violette, gespielt von Isabelle Huppert, zu einer anständigen jungen Dame zu erziehen, ohne zu ahnen, was die Siebzehnjährige wirklich treibt, wenn sie sich aus dem Haus schleicht. Als Anerkennung für diese Arbeit erhielt Audran den französischen Filmpreis César in der Kategorie „Beste Nebendarstellerin“.
Gelegentlich trat sie auch in englischsprachigen Filmen auf, beispielsweise in der Verfilmung von Agatha Christies Ein Unbekannter rechnet ab und der Filmkomödie The Black Bird nach Dashiell Hammett.
In der dänisch-schwedisch-französischen Koproduktion Babettes Fest (1987) nach einer Novelle der dänischen Schriftstellerin Karen Blixen spielte Audran die Titelrolle der Babette Harsant. Der Kritiker Andreas Kilb schrieb in Die Zeit über Audrans Leistung, den ganzen Film über habe sie „diese Angst und Unruhe des Nichtzuhauseseins in den Augen, die nur ganz wenige spielen können“.[3] Der Film wurde bei der Oscarverleihung 1988 in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ mit einem Oscar ausgezeichnet. Audran wurde zudem als „Beste Hauptdarstellerin“ mit dem British Academy Film Award geehrt und erhielt den dänischen Filmpreis Robert. Neben weiteren zahlreichen Auszeichnungen wurde der Film auch in die Filmliste des Vatikans aufgenommen, die 45 Filme umfasst, die aus der Sicht des Heiligen Stuhls besonders empfehlenswert sind.
Ab den 1990er-Jahren stand Audran seltener vor der Kamera. Zuletzt war sie 2008 in Das Mädchen aus Monaco zu sehen. Sie starb im März 2018 im Alter von 85 Jahren.
Filmografie (Auswahl)
- 1957: Le jeu de la nuit
- 1958: Zyankali (La bonne tisane)
- 1958: Montparnasse 19 (Les amants de Montparnasse)
- 1959: Schrei, wenn du kannst (Les cousins)
- 1960: Die Unbefriedigten (Les Bonnes Femmes)
- 1962: Das Auge des Bösen (L’œil du malin)
- 1963: Der Frauenmörder von Paris (Landru)
- 1967: Champagner-Mörder (Le scandale)
- 1968: Zwei Freundinnen (Les biches)
- 1969: Die untreue Frau (La femme infidèle)
- 1970: Der Schlachter (Le boucher)
- 1970: Der Riß (La rupture)
- 1970: Die Dame im Auto mit Brille und Gewehr (La dame dans l’auto avec des lunettes et un fusil)
- 1970: Der Mann mit der Torpedohaut (La peau de torpédo)
- 1971: Vor Einbruch der Nacht (Juste avant la nuit)
- 1971: Neun im Fadenkreuz (Sans mobile apparent)
- 1972: Der diskrete Charme der Bourgeoisie (Le charme discret de la bourgeoisie)
- 1973: Blutige Hochzeit (Les noces rouges)
- 1973: Tatort: Tote Taube in der Beethovenstraße (Fernsehfilm)
- 1973: B. muß sterben (Hay que matar a B.)
- 1974: Ein Unbekannter rechnet ab (And Then There Were None)
- 1974: Vincent, François, Paul und die anderen (Vincent, François, Paul… et les autres)
- 1976: Die verrückten Reichen (Folies bourgeoises)
- 1977: Der Fall Serrano (Mort d’un pourri)
- 1977: Des Teufels Advokat
- 1978: Blutsverwandte (Les liens du sang)
- 1978: Violette Nozière
- 1979: Adlerflügel (Eagle’s Wing)
- 1980: The Big Red One
- 1981: Der Saustall (Coup de torchon)
- 1981: Wiedersehen mit Brideshead (Brideshead Revisited) (Fernsehfilm)
- 1982: Der Schock (Le Choc)
- 1982: Die Wahlverwandtschaften (Fernsehfilm)
- 1983: Das Auge (Mortelle randonnée)
- 1984: Das Blut der Anderen (Le sang des autres)
- 1985: Hühnchen in Essig (Poulet au vinaigre)
- 1985: Ein Käfig voller Narren – Jetzt wird geheiratet (La cage aux folles III – Elles se marient)
- 1987: Babettes Fest (Babettes gæstebud)
- 1988: Faceless (Les prédateurs de la nuit)
- 1992: Betty
- 1996: Maximum Risk (Maximum risk)
- 1999: Meine schöne Schwiegermutter (Belle maman)
- 2008: Das Mädchen aus Monaco (La fille de Monaco)
Auszeichnungen (Auswahl)
Ehrungen
- 1986: Ritter der Ehrenlegion[4]
- 1988: Ritter des Dannebrogordens[4]
- 1990: Offizier des Ordre national du Mérite[4]
- 1997: Kommandeur des Ordre des Arts et des Lettres[5]
Filmpreise
- 1968: Silberner Bär auf der Berlinale als beste Darstellerin für Zwei Freundinnen
- 1970: Preis des Festival Internacional de Cine de Donostia-San Sebastián für Der Schlachter
- 1974: Britischer Filmpreis als beste Hauptdarstellerin für Der diskrete Charme der Bourgeoisie und Vor Einbruch der Nacht
- 1979: César als beste Nebendarstellerin für Violette Nozière
- 1988: Robert als beste Hauptdarstellerin für Babettes Fest
- 1988: Nastro d’Argento als beste ausländische Darstellerin für Babettes Fest
- 1989: Darsteller des Jahres bei den London Critics Circle Film Awards für Babettes Fest
Weblinks
- Stéphane Audran in der Internet Movie Database (englisch)
- Stéphane Audran in der Deutschen Synchronkartei
- Aussprache des Namens „Stéphane Audran“ auf Forvo.com
Einzelnachweise
- L'actrice Stéphane Audran est décédée à l'âge de 85 ans. 20 minutes, 27. März 2018, abgerufen am 27. März 2018 (französisch).
- Stéphane Audran ist tot In: Spiegel Online, 27. März 2018. Abgerufen am 29. März 2018.
- Andreas Kilb: Kino für Leser: „Babettes Fest“ – Das große Essen In: Die Zeit, Nr. 50/1988, 9. Dezember 1988, aktualisiert 21. November 2012.
- Stéphane Audran et Claude Chabrol de nouveau réunis. In: Journal Impact European. 28. März 2018, abgerufen am 5. Dezember 2021 (französisch).
- Archives nationales: Archives du Bureau du Cabinet du ministre de la Culture. Ordre des arts et lettres (1962-2000). (PDF) S. 82, abgerufen am 5. Dezember 2021 (französisch, siehe unter Dacheville dite Audran).