Silberreiher
Der Silberreiher (Ardea alba, Syn.: Casmerodius albus, Egretta alba) gehört zur Familie der Reiher aus der Ordnung Pelecaniformes. Es werden vier Unterarten unterschieden.
Silberreiher | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Ardea alba | ||||||||||||
Linnaeus, 1758 |
Die Art hat ein sehr großes Verbreitungsgebiet, das weite Teile Ost- und Südeuropas, Nord-, Mittel- und Südamerika, Asien und Afrikas umfasst. Die Art zeigt eine ausgeprägte Neigung zu Wanderungen und wird in zunehmender Zahl auch in den Regionen Mitteleuropas beobachtet, in der sie kein Brutvogel ist.
Die IUCN stuft den Silberreiher als nicht gefährdet (least concern) ein. Der Bestand wird auf 590.000 bis 2.200.000 Individuen geschätzt.[1]
Aussehen
Der Silberreiher ist ein großer, weißer Reiher mit gelbem Schnabel und dunklen Beinen und Füßen. Seine Länge beträgt 85 bis 100 Zentimeter, die Flügelspannweite beträgt 145 bis 170 Zentimeter und das Gewicht 1 bis 1,5 Kilogramm.
Anders als andere Reiherarten der Gattungen Ardea und Egretta weist der Silberreiher keine Schmuckfedern am Hinterkopf auf. Er bildet stattdessen zur Brutzeit lange, lockere Schulterfedern aus, die lange Seitenäste haben. Während der Balz werden diese radförmig gespreizt. Die Nominatform Ardea alba alba hat dunkel grünlichgraue oder schwarze Beine, die Iris ist gelb und der Schnabel zur Brutzeit schwarz mit einer gelben Basis. Außerhalb der Brutzeit ist der Schnabel gelb bis orange-gelb. Viele Individuen haben eine dunklere Schnabelspitze. Der nackte Zügel und der Orbitalring sind außerhalb der Brutzeit grünlich-gelb und während der Brutzeit hell smaragdgrün.
Verbreitung
Der Silberreiher ist die Reiherart mit der größten geographischen Verbreitung. Als Kosmopolit ist er auf allen Kontinenten bis auf Antarktika anzutreffen. Außer auf dem amerikanischen Doppelkontinent, den er im Norden bis Südkanada besiedelt, kommt er in Süd- und Mitteleuropa, in Afrika, im Nahen Osten sowie in Australien und Neuseeland[2] vor. In Mitteleuropa brütet er regelmäßig am Neusiedler See und seit 1992 auch in den Niederlanden. Über einen längeren Zeitraum gab es mehrmals Brutverdacht in Deutschland, so z. B. 2002 an einem oberbayerischen Voralpensee. Nach Angaben des DDA gelang der erste sichere Brutnachweis für den Silberreiher in Deutschland im Jahr 2012 im äußersten Nordosten, wo sich zwei Paare in einer Graureiherkolonie angesiedelt hatten.[3] In Großbritannien wurde 2012 das erste Mal ein brütendes Paar gesichtet.[4]
Silberreiher sind Teilzieher. Ab Juli kommt es zu einer ungerichteten Zerstreuungswanderung der Jungvögel. Adulte Vögel ziehen im Zeitraum September bis November aus den Brutarealen ab. Allerdings bleiben sie in milden Wintern in der Nähe der Brutgebiete oder zeigen später Winterfluchtbewegungen. Überwinternde Silberreiher können beispielsweise am Bodensee beobachtet werden.[5] Ende Februar bis Anfang April kehren die Silberreiher in ihre Brutkolonien zurück.
Lebensraum
Der Silberreiher lebt in Schilfgürteln an Seen, Flüssen und Altarmen sowie in Sümpfen, die mit Bäumen und Büschen bestanden sind. Außerhalb der Brutzeit hält er sich auch gerne in großflächigen Grünlandgebieten auf. In Australien nutzt er in dieser Zeit auch weiträumige Flussmündungen.[6]
Nahrung
Insekten, Amphibien, Fische und Mäuse bilden im Wesentlichen die Nahrung des Silberreihers. Am Niederrhein sucht er vor allem auf den großflächigen Grünlandflächen nach Nahrung. Dabei sucht er regelmäßig die Nähe zu den dort überwinternden arktischen Wildgänsen. Diese fressen das Gras kurz, so dass Silber- und Graureiher dann dort besonders gut nach Mäusen jagen können.
Gewöhnlich findet der Silberreiher seine Nahrung durch ein langsames Waten im Seichtwasser. Dabei wird der Körper mehr oder weniger horizontal gehalten. Alternativ wartet der Silberreiher in starrer Haltung darauf, dass Nahrungstiere in seine Reichweite gelangen.
Fortpflanzung
Silberreiher leben in monogamer Saisonehe und werden im zweiten Lebensjahr geschlechtsreif. Sie brüten in Kolonien, aber auch einzeln. Die bis 100 cm großen Nester werden dicht an dicht auf der Erde erbaut, meist in unzugänglichem Röhricht. Die auffällig weiß gefärbten Schreitvögel sind hier kaum zu entdecken. Es kommt auch vor, dass die Nester in tiefem Gesträuch platziert werden. Meist werden im April oder Mai im Abstand von zwei Tagen 3 bis 5 hellblaue Eier gelegt, die vom ersten Tag an von beiden Partnern bebrütet werden. Die Jungvögel schlüpfen nach 25–26 Tagen und sind mit 40–50 Tagen flügge. Nachgelege werden beobachtet. 75 % der Jungvögel überleben das erste Lebensjahr nicht.[7]
Bestand
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Silberreiher in vielen Brutgebieten Europas fast ausgerottet. Es folgten danach mehrere Phasen, in denen sich die Bestände erholten, dann aber erneut zurückgingen. Diese Bestandsrückgänge waren zum Teil bedingt durch schwankende Wasserstände. Seit Mitte der 1970er Jahre nimmt der Bestand in vielen Brutgebieten wieder zu. In Ungarn kam es zur Bildung zahlreicher neuer Kolonien und am Neusiedler See hatten sich 1997 wieder 737 Brutpaare angesiedelt.[5] Zu Bestandsrückgängen kommt es zum einen durch direkte Verfolgung, aber auch durch den Verlust geeigneter ungestörter Altschilfbestände durch Verbauung oder ein Abbrennen der Schilfflächen. Auch Störungen durch Freizeitbetrieb können dazu führen, dass Silberreiher Brutgebiete aufgeben.
Der Bestand ist in Deutschland seit etwa 1985 steigend. Die meisten Silberreiher werden im Herbst und Winter beobachtet. Im September und Oktober liegt der Schwerpunkt in Brandenburg, Sachsen und Bayern, wo vor allem in Feuchtgebieten und Teichen in den letzten Jahren Gruppen von bis zu mehreren Hundert Silberreihern in Sachsen und Brandenburg beobachtet werden konnten. In den Wintermonaten können vor allem in Nord- und Westdeutschland Silberreiher beobachtet werden, wobei der Niederrhein zwischen Duisburg und dem deutsch-niederländischen Grenzgebiet zwischen Kleve und Nijmegen mit rund 150 Überwinterern ein Schwerpunkt zu sein scheint. Hier erscheinen im August und September die ersten Silberreiher. Von Oktober bis März werden die größten Bestände festgestellt. Seit 1992 kam es in Deutschland wiederholt zu Meldungen von Brutverdachten beim Silberreiher. Der erste richtige Brutnachweis wurde erst 2012 in Mecklenburg erbracht. In der Graureiherkolonie in Niederhof am Strelasund, in der bereits 2009 und 2010 Brutverdacht bestand, brüteten zwei Paare. Zwei Jungvögel wurden beobachtet.[8]
In Österreich, wo er außer am Neusiedler See kaum vorkommt, steht der Silberreiher auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten.
Literatur
- Hans-Günther Bauer, Einhard Bezzel, Wolfgang Fiedler (Hrsg.): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel. Aula-Verlag Wiebelsheim, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89104-647-2.
- P. J. Higgins (Hrsg.): Handbook of Australian, New Zealand & Antarctic Birds. Band 1: Ratites to Ducks. Oxford University Press, Oxford 1990, ISBN 0-19-553068-3.
Weblinks
- Der Silberreiher Bilddokumentation des eleganten Vogels
- Ardea alba in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2007. Eingestellt von: BirdLife International, 2008. Abgerufen am 19. Oktober 2008.
- Federn des Silberreihers
Einzelnachweise
- Factsheet auf BirdLife International
- Higgins, S. 970
- Christopher König, Stefan Stübing und Johannes Wahl (2012): Vögel in Deutschland aktuell: Sommer 2012 – Neue Brutvogelarten und einige Besonderheiten. Der Falke 59, S. 384.
- Great white egrets breed in UK for first time. In: BBC Nature. Abgerufen am 1. Juni 2012.
- Bauer et al., S. 261.
- Higgins, S. 968
- Bauer et al., S. 263
- Klaus-Dieter Feige, Mario Müller: Erster Brutnachweis des Silberreiher Casmerodius Albus in Deutschland. Ornithol. Rundbr. Mecklenburg-Vorpommern 2012/47, H. 3, S. 258–264.