Sebastian Münster
Sebastian Münster (* 20. Januar 1488 in Nieder-Ingelheim; † 26. Mai 1552 in Basel) war ein Kosmograph, Humanist und Hebraist.
Biographie
Sebastian Münster wurde am 20. Januar 1488 in Ingelheim am Rhein geboren; als sein Vater wird Andreas (Endres) Münster genannt, damals Kirchenpfleger und Spitalmeister des dortigen Heiliggeist-Spitals.
Ausbildung
Nach dem Studium an der Schule der Franziskaner in Heidelberg trat er 1505 mit 17 Jahren der Straßburger Franziskanerprovinz bei. Die Ordensoberen schickten den außergewöhnlich sprachbegabten Studenten 1507 zunächst nach Löwen und Freiburg im Breisgau. Während des etwa einjährigen Studienaufenthalts in Freiburg begeisterte ihn sein Lehrer Gregor Reisch, Prior der dortigen Kartause, vor allem für Hebräisch und Geographie.
1509 ging Münster ins Kloster Rouffach, wo er Schüler von Konrad Pelikan wurde und sich in Griechisch, Hebräisch, Mathematik, Astronomie und Geographie weiterbildete. Dabei studierte er die Naturwissenschaften bereits nach der Enzyklopädie Margarita philosophica des Gregor Reisch. Auch die Lektüre von Pomponius Melas De chorographia (1. Jahrhundert) beeinflusste Münster nachhaltig.
1511 folgte er seinem Lehrmeister Pelikan an die Universität Basel und später nach Pforzheim, wo er 1512 zum Priester geweiht wurde. Münster und Pelikan erweiterten ihre Studien auch auf andere semitische Sprachen, vor allem auf das Aramäische und das Äthiopische.
Anstellungen als Hochschullehrer
Von 1514 bis 1518 war Münster als Lektor an der Ordenshochschule der Franziskaner in Tübingen tätig, wo er auch seine astrologischen Studien bei dem berühmten Astronomen Johannes Stöffler, „Vater der Wissenschaften“ genannt, fortsetzte. Ab 1518 lehrte er wieder an der Ordenshochschule in Basel und von 1521 bis 1529 in Heidelberg, wo ihn Kurfürst Ludwig V. dann 1524 als Professor für Hebräisch an die Universität Heidelberg berief.[1]
1529 trat er aus dem Franziskanerorden aus und folgte einem Ruf an die Universität Basel. Dort geriet er in die Religionskämpfe zwischen Katholiken und Protestanten und konvertierte schließlich zum Protestantismus. 1530 heiratete er Anna Selber, die Witwe des Basler Buchdruckers Adam Petri, in dessen Offizin – unter Leitung seines Stiefsohnes Heinrich Petri – sein Hauptwerk, die Cosmographia, später gedruckt werden sollte. 1532 wurde seine Tochter Aretia geboren. Im Wechsel der Jahre 1547/48 wurde er für ein Jahr zum Rektor der Universität gewählt und nahm in derselben Zeit am Reichstag zu Augsburg teil.
Tätigkeit als Kosmograph
Von Alltagssorgen befreit, konnte Sebastian Münster sich jetzt umso mehr der lange geplanten Vorbereitung geographischer Werke widmen. Es folgten seine Reisen nach Frankreich und in die Schweiz, nach Schwaben und Bayern, auf denen er weiteres Material für Schilderungen der damaligen Welt sammelte. Münster hatte eine Vereinbarung mit mehr als 100 Autoren getroffen, für ihn Reiseberichte und Ortsansichten aus aller Welt zu fertigen und zu sammeln. Dass Johannes Stumpf in Zürich an der Herausgabe der Eydgenossenschafft (ein Schweizer Nachschlagewerk) arbeitete, veranlasste Münster dazu, die Fertigstellung der Cosmographia zu beschleunigen. 1544 erschien die erste Ausgabe der Cosmographia, deren Übersetzungen, Neuauflagen und Erweiterungen ihn zeitlebens beschäftigten.
1547 wurde Münster zum Rektor der Universität Basel berufen. Sein Wahlspruch war: „Die Ehrfurcht vor Gott ist der Anfang der Erkenntnis.“
Am 26. Mai 1552 starb er an den Folgen der Pest. Auf seinem Grabmal im Basler Münster wird er als der „deutsche Strabo und Esra“ bezeichnet.
Werk
Hauptwerk
Sein Hauptwerk, die weit verbreitete und in viele Sprachen übersetzte Cosmographia, legte Sebastian Münster im Jahr 1544 vor. Die ersten Anregungen zu diesem Werk hatte Münster bereits 1524 von dem elsässischen Humanisten Beatus Rhenanus erhalten. In der Vorrede betont Münster, dass er in sechs Büchern „eine Beschreibung der ganzen Welt mit allem, was darinnen ist“, geben wolle. Tatsächlich bietet das Werk Geschichte und Geographie, Astronomie und Naturwissenschaften sowie Landes- und Volkskunde nach dem damaligen Wissensstand. Im ersten der sechs Textbücher erklärt Münster die mathematische Geographie, zum Beispiel die Triangulation mittels eines Kompasses und eines geteilten Kreises.[2] Die anderen fünf Bücher enthalten Beschreibungen verschiedener Länder anhand geographischer, historischer und kulturgeschichtlicher Notizen.
Damit legte Münster die erste wissenschaftliche und zugleich allgemeinverständliche Weltbeschreibung in deutscher Sprache vor, an der er mit mehr als 120 „Standespersonen, Gelehrten und Künstlern“ in einer Vorbereitungszeit von etwa zwanzig Jahren gearbeitet hatte.
Die Ausgaben ab 1550 umfassen mehr als 1200 Seiten und enthalten 62 Karten und 74 Stadtansichten, darunter 26 deutsche Städte. Mit diesen Ausgaben der Cosmographia wurde quantitativ und qualitativ ein neuer Standard für die Ausstattung von Städtebüchern gesetzt.
Nebenwerk
Außer seinem Hauptwerk, der Cosmographia, hat Sebastian Münster mehr als siebzig zum Teil sehr umfangreiche Werke auf dem Gebiet der Hebraistik, der Naturwissenschaften und der Geographie, aber auch der Theologie und der Bibelwissenschaft verfasst.
Unter dem Titel Liber viarum linguae sacrae (1520) übersetzte er die hebräische Grammatik von Moses Kimchi. Besondere Erwähnung verdienen das lateinisch-griechisch-hebräische Wörterbuch Dictionarium trilingue (1530) und die erste christliche Bibelausgabe in Hebräisch mit lateinischer Übersetzung (2 Bände, Basel 1534/35), die der Cosmographia (1544) vorausgehenden geographischen Arbeiten Germania descriptio (1530) und Mappa Europae (1536) sowie die Editionen antiker und zeitgenössischer Geographen (1538–1540), darunter vor allem die lateinische Übersetzung der Geographia des griechischen Naturforschers Claudius Ptolemäus mit 48 von Sebastian Münster selbst entworfenen Karten (1540).
Zu seinen Spätwerken gehören die Rudimenta mathematica (1551; Digitalisat) mit Lehrsätzen zur elementaren Geographie und deren Anwendung zur Anfertigung von astronomischen Instrumenten sowie schließlich die von ihm selbst bearbeitete französische Übersetzung der Cosmographia (1552).
Porträts von Sebastian Münster
Einige Ölgemälde, Holzschnitte und Kupferstiche vermitteln ein Bild von der Persönlichkeit Sebastian Münsters, darunter ein Gemälde von Hans Holbein d. J. (Basel um 1530), Holzschnitte in späteren Ausgaben der Cosmographia und Kupferstiche in biographischen Werken des 17. Jahrhunderts. Auch in der deutschen Ausgabe der Cosmographia von 1615 ist ein Kupferstich von Willem de Haen mit einem Porträt enthalten. Ein weiteres Porträt zeigt ihn als Rektor der Universität Basel (nach einem Gemälde von Christoph Amberger, um 1547 oder 1552)[3] auf der Vorderseite der 100-DM-Banknote (dort seitenverkehrt), die von 1962 bis 1991 im Umlauf war.
Literatur
- Traugott Schiess: Sebastian Münster und die Engadiner. In: Bündner Monatsblatt: Zeitschrift für bündnerische Geschichte, Landes- und Volkskunde, 1947, Heft 2, S. 33–46 (Digitalisat).
- Karl Heinz Burmeister: Sebastian Münster – Versuch eines biographischen Gesamtbildes. Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Band 91, Basel und Stuttgart 1963 und 1969.
- Karl Heinz Burmeister: Sebastian Münster – Eine Bibliographie. Wiesbaden 1964.
- Hans Georg Wehrens: Freiburg in der „Cosmographia“ von Sebastian Münster (1549); in Freiburg im Breisgau 1504–1803, Holzschnitte und Kupferstiche. Verlag Herder, Freiburg 2004, S. 34 ff. ISBN 3-451-20633-1.
- Günther Wessel: Von einem, der daheim blieb, die Welt zu entdecken – Die Cosmographia des Sebastian Münster oder Wie man sich vor 500 Jahren die Welt vorstellte. Campus Verlag, Frankfurt 2004, ISBN 3-593-37198-7.
- Ludwig Geiger: Münster, Sebastian. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 23, Duncker & Humblot, Leipzig 1886, S. 30–33.
- Claus Priesner: Münster, Sebastian. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-00199-0, S. 539–541 (Digitalisat).
- Werner Raupp: MÜNSTER, Sebastian. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 6, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-044-1, Sp. 316–326.(mit ausführlicher Bibliogr.).
- Kaspar von Greyerz: Münster, Sebastian. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Sebastian Münster. Das Wissen der Welt. In: GEO Epoche. Nr. 105. Gruner + Jahr, 2020, S. 6–27.
- Helmut Eymannsberger: Zum 530. Geburtstag von Sebastian Münster – Was Rauriser und Gasteiner Bergknappen mit Krokodilen, Meeresungeheuern und einem früheren 100 Mark-Schein verbindet. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. Nr. 158/159, 2018/2019. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2019, ISBN 978-3-7025-0956-9, S. 61–288.
- Helmut Eymannsberger: ''Der manische Weltbeschreiber – Die Cosmographien des Sebastian Münster''....Teil 1: Alles über die Erde im 16. Jahrhundert; Teil 2: Bestseller und Longseller; Teil 3: Ein Netzwerk von Informanten; Teil 4: Zwischen Sage und Wirklichkeit; Teil 5: Merkwürdige Mischung oder bahnbrechendes Werk? In: MAGAZIN Betrifft: Geschichte, Folgen 1–5 von 1. bis 5. Oktober 2018 im Kultursender (Eigendefinition) Ö1.
Weblinks
- Literatur von und über Sebastian Münster im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Sebastian Münster in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Lateinische Werke im Internet
- Trauerrede von Schreckenfuchs in deutscher Übersetzung; mit Anhang von Ernst Emmerling
- Gabriele Dörflinger: Sebastian Münster. Eine Materialsammlung von Historia Mathematica Heidelbergensis. Enthält u. a. Porträts von Sebastian Münster.
- Hartmut Geißler: Sebastian Münster – der größte Sohn Ingelheims Umfangreiche Dokumentensammlung auf ingelheimer-geschichte.de, abgerufen am 5. Mai 2017
Einzelnachweise
- Autorenkollektiv: Lexikon der Geowissenschaften, Band 3, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin 2001, ISBN 3-8274-0422-3, S. 436
- Ralf Kern: Wissenschaftliche Instrumente in ihrer Zeit. Band 1: Vom Astrolab zum mathematischen Besteck. Köln: Verlag Walther König, 2010. S. 308.
- Laut rückseitiger Bildbeschriftung „Ao 1552“, also im Todesjahr Münsters. S.: Michaelis, Rainer, SMB-SPK, Hgg.: Gemäldegalerie Berlin. 200 Meisterwerke …, Berlin 2010, S. 104