Schlacht bei Kap Finisterre (1805)
In der Seeschlacht bei Finisterre verhinderte die britische Flotte unter Admiral Robert Calder am 22. Juli 1805, dass die französisch-spanische Flotte unter Admiral Pierre de Villeneuve in den Ärmelkanal segeln konnte, um Napoleon bei der geplanten Invasion Großbritanniens zu unterstützen. Die Seeschlacht wird dem Dritten Koalitionskrieg zugerechnet.
Strategischer Hintergrund
Der instabile Friedensvertrag von Amiens aus dem Jahre 1802 hielt nur bis zum 18. Mai 1803, als Napoleon den italienischen Staat Piemont annektierte. Daraufhin erklärte Großbritannien Frankreich erneut den Krieg.
Napoleon plante, die britische Seeblockade durch eine Invasion und Eroberung der britischen Inseln zu beseitigen. Im Jahre 1805 war seine „L’Armée des côtes de l’Océan“ (französisch für „die Armee an der Küste des Ozeans“)[1] knapp 200.000 Mann stark und lagerte hauptsächlich bei Boulogne.[2] Sollte es dieser Armee gelingen, den Ärmelkanal zu überqueren, könnten die schlecht ausgebildete und unzureichend ausgerüstete britische Armee sowie die örtlichen Milizen leicht besiegt werden. Der Plan war, dass die französischen Flotten die Seeblockaden von Toulon und Brest brechen und die britischen Besitzungen in der Karibik bedrohen sollten. Dadurch erhoffte sich Napoleon eine Schwächung der Verteidigung der Western Approaches. Bei Martinique sollten sich beide Flotten vereinigen und nach Europa zurückkehren, um in Irland, das seit wenigen Jahren zu Großbritannien gehörte, zu landen und dort eine Rebellion zu entfachen. Dadurch sollten wiederum die Überwachung des Ärmelkanals ausgedünnt werden und der Armée d’Angleterre die Möglichkeit bieten, ihn zu überqueren.
Villeneuve segelte am 29. März 1805 mit elf Linienschiffen, sechs Fregatten und zwei Briggs von Toulon aus los. Er umging Admiral Nelsons Blockadeflotte und passierte die Meerenge von Gibraltar am 8. April. Bei Cádiz schlug er das den Hafen blockierende britische Geschwader in die Flucht und so konnten sich sechs spanische Linienschiffe der Flotte anschließen. Die Flotte segelte daraufhin in Richtung Karibik und erreichte Martinique am 12. Mai.
Nelson war durch ungünstige westliche Winde dazu gezwungen, im Mittelmeer zu bleiben und konnte Gibraltar erst am 7. Mai 1805 passieren. Am 4. Juni erreichte die britische Flotte schließlich Antigua. Villeneuve wartete in Martinique auf Admiral Ganteumes Flotte aus Brest, die sich ihm anschließen sollte. Die Flotte kam allerdings nicht, da sie die Blockade nicht brechen konnte und im Hafen blieb. Den Bitten französischer Armeeoffiziere, die britischen Kolonien anzugreifen, kam Villeneuve nicht nach. Lediglich die Inselbatterie HMS Diamond Rock eroberte er zurück. Am 4. Juni 1805 segelte er von Martinique wieder los. Am 7. Juni erfuhr er durch die Kaperung eines britischen Handelsschiffs von Nelsons Ankunft in Antigua. Villeneuve segelte daraufhin am 11. Juni wieder in Richtung Europa, ohne eines seiner Ziele in der Karibik erreicht zu haben.
Als er die Antillen passierte, stieß die französisch-spanische Flotte auf einen britischen Konvoi mit einer Ladung im Wert von 5 Millionen Franc. Der Konvoi wurde lediglich von der 28-Kanonen-Fregatte Barbados und der Schaluppe Netley eskortiert. Villeneuve befahl die Verfolgung des Konvois und zwei französische Fregatten sowie das spanische 80-Kanonen-Schiff Argonauta konnten alle Schiffe erobern. Lediglich eine der Eskorten konnte entkommen.
Am 30. Juni kaperte das Geschwader ein britisches 14-Kanonen-Freibeuterschiff und brannte es nieder. Am 3. Juli konnte die spanische Galeone Matilda zurückerobert werden, die einen Schatz im Wert von 15 Millionen Franc an Bord hatte. Sie wurde von dem britischen Freibeuterschiff Mars geschleppt, das die Matilda in einen britischen Hafen bringen sollte. Das Freibeuterschiff wurde verbrannt und die „Matilda“ von der französischen Fregatte Siréne in Schlepptau genommen.
Die Flotte setzte ihre Fahrt nach Europa fort und geriet am 9. Juli in einen Sturm, der zum Verlust des Hauptholms der Indomptable führte und einige andere Schiffe leicht beschädigte. So kam die Flotte am 22. Juli 1805 in schlechter Verfassung, mit übermüdeten Besatzungen und knapper Verpflegung vor Kap Finisterre an.
Die Seeschlacht
Die Nachricht über die zurückkehrende französische Flotte erreichte Admiral Robert Calder am 19. Juli. Ihm wurde befohlen, die Blockade der Häfen von Rochefort und Ferrol zu beenden und in Richtung Kap Finisterre zu segeln. Dort sollte er Villeneuve abfangen.
Die Flotten sichteten sich um etwa 11:00 Uhr am 22. Juli 1805
Mehrere Stunden lang versuchten beide Flotten, eine taktisch günstige Kampfposition zu erreichen und segelten dabei in Richtung Südwesten. Gegen 17:15 Uhr begann das Gefecht, als der Kapitän der „Hero“, Alan Hyde Gardner, die als Vorhut voraussegelte, auf die französisch-spanische Schlachtformation zuhielt. Aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse geriet die Schlacht zu einem unkoordinierten Handgemenge. Gegen 20:00 Uhr kapitulierten die spanischen Schiffe Firme und San Rafael. Um 20:25 Uhr signalisierte Calder, den Kampf abzubrechen. Er beabsichtigte, den Kampf am nächsten Tag fortzusetzen. Aufgrund der herrschenden Konfusion und des fehlenden Lichts dauerte der Kampf aber noch über eine Stunde an.
Am Morgen des 23. Juli betrug der Abstand zwischen beiden Flotten 27 km. Calder war nicht bereit, noch einmal gegen einen überlegenen Gegner anzugreifen. Außerdem hatte er die beschädigten Schiffe Windsor Castle und Malta zu schützen. Er fürchtete auch, dass die Flotten, die in den bislang blockierten Häfen Rochefort und Ferrol lagen, entkommen und sich mit Villeneuves Flotte zusammenschließen könnten. Daher griff er nicht mehr an und segelte mit seinen Prisenschiffen in Richtung Nordosten.
Laut Villeneuves Aufzeichnungen plante er, zunächst die Briten anzugreifen. Aufgrund des schwachen Windes hätte es allerdings den gesamten Tag gedauert, sie einzuholen und er wollte nicht erneut bei schlechtem Tageslicht einen Kampf beginnen.
Am 24. Juli drehte der Wind zugunsten der Franzosen. Dennoch unterließ Villeneuve einen Angriff und segelte stattdessen in Richtung Süden. Als er in La Coruña am 1. August ankam, erwarteten ihn dort Befehle Napoleons, sofort nach Brest und Boulogne zu segeln. Da Villeneuve aber falsche Informationen über eine überlegene britische Flotte in der Biskaya zugetragen worden waren, befolgte er die Befehle nicht und kehrte am 21. August 1805 nach Cádiz zurück.
Auswirkungen
Die Schlacht war eine Niederlage für die Franzosen. 15 britische Schiffe kämpften gegen 20 französisch-spanische Schiffe, wobei zwei spanische Schiffe gekapert wurden. Die britischen Verluste betrugen 39 tote Offiziere und Mannschaften sowie 159 Verwundete. Die alliierten Verluste betrugen 476 tote und verwundete Offiziere und Mannschaften. Viel wichtiger aber war, dass Villeneuve keines seiner Ziele erreichen konnte. Er setzte keine Truppen in Irland ab und Napoleons Armée d’Angleterre wartete vergeblich in Boulogne auf das Übersetzen nach Großbritannien.
Die britische Öffentlichkeit und die Admiralität sahen die Angelegenheit allerdings etwas anders. Calder wurde wegen seiner Zurückhaltung im Kampf am 23. und 24. Juli seines Kommandos enthoben, vor das Kriegsgericht gestellt und erhielt dort eine ernste Rüge. Er erhielt danach nie wieder ein Kommando auf See.
Napoleon, der ebenfalls enttäuscht war, musste seine Pläne zum Angriff auf Großbritannien fallen lassen. Kurz darauf befahl er die Verlegung der Armee von Boulogne an den Rhein, um gegen die österreichischen und russischen Armeen zu ziehen. Auf dem Weg nach Deutschland wurde die „L’Armée des côtes de l’Océan“ am 30. August 1805 in „Grande Armée“ umbenannt.[3] Einige Wochen nach der Seeschlacht schrieb Napoleon: „Gravina ist genial und entscheidungsfreudig im Kampf. Wenn Villeneuve diese Qualitäten gehabt hätte, wäre die Schlacht von Finisterre ein vollständiger Sieg geworden.“
Villeneuve und seine Flotte ankerten in Cádiz, bis sie den Hafen verließen, um in der Schlacht von Trafalgar am 21. Oktober 1805 vernichtet zu werden.
Die britische Flotte
- Calder hatte 15 Linienschiffe, zwei Fregatten und zwei kleinere Schiffe zur Verfügung
Schiff | Verluste | Schäden | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
Tote | Verwundete | Takelage | Masten und Spieren | Rumpf und andere Schäden | ||
Hero (74), Kapitän Alan Hyde Gardner | 1 | 4 | großteils zerfetzt | Fockmast und Vorderspieren schwer zerstört | mehrere Einschüsse in Höhe der Wasserlinie | |
Ajax (74), Kapitän William Brown | 2 | 16 | großteils zerfetzt | Marssegelspiere | ein Geschütz explodierte und verursachte Schäden. | |
Triumph (74), Kapitän Henry Inman | 5 | 6 | großteils zerfetzt | Marssegelspiere | zwei zerstörte Kanonen | |
Barfleur (98), Kapitän George Martin | 3 | 7 | Fockmast und Vorderspiere | |||
Agamemnon (64), Kapitän John Harvey | 0 | 3 | Vorderspiere, Besanmast und Hauptholm | |||
Windsor Castle (98), Kapitän C. Boyles | 10 | 35 | großteils zerfetzt | Vorderspiere und große Teile des Fockmastes, Großmast, Hauptholm, Bugspriet | ||
Defiance (74), Kapitän Philip Durham | 1 | 7 | großteils zerfetzt | Spiere des Besantopsegels, Großmast, Fockmastspiere | ||
Prince of Wales (98), Flaggschiff von Admiral Calder, Kapitän W. Cumming | 3 | 20 | großteils zerfetzt | Fockmastspiere, Spiere des Besantopmastes und Großmastspiere | Ruder komplett herausgerissen | |
Repulse (64), Kapitän Arthur Keye-Legge | 0 | 4 | großteils zerfetzt | Bugspriet | ||
Raisonnable (64), Kapitän Josias Rowley | 1 | 1 | verschiedene Spieren | einige Einschüsse | ||
Dragon (74), Kapitän Edward Griffith | 0 | 4 | ||||
Glory (98), Flaggschiff von Konteradmiral Sir Charles Stirling, Kapitän Samuel Warren | 1 | 1 | großteils zerfetzt | Fockmastspiere | ||
Warrior (74), Kapitän S. Hood Linzee | 0 | 0 | großteils zerfetzt | einige Spieren | Steuerbordstrebe | |
Thunderer (74), Kapitän William Lechmere | 7 | 11 | großteils zerfetzt | Besanmast, Spieren von Fock- und Großmast | mehrere Einschüsse | |
Malta (80), Kapitän. Granger | 5 | 40 | großteils zerfetzt | größere Spieren und alle Masten |
Französisch-spanische Flotte
- Villeneuve hatte 20 Linienschiffe
6 spanische und 14 französische sowie sieben Fregatten und zwei Briggs.
Schiff (spanische Schiffe fett gedruckt) |
Verluste | Schäden | |||
---|---|---|---|---|---|
Tote | Verwundete | Takelage | Masten und Spieren | Rumpf und andere Schäden | |
Argonauta (80), Flaggschiff von Generalleutnant Federico Gravina, Flaggkapitän Rafael de Hore | 6 | 5 | Vordersteven abgerissen, Besan und Fockmast zerstört | ||
Terrible (74), Kommandant Francisco Vázquez de Mondragón | 1 | 7 | großteils zerfetzt | zwei Kanonen zerstört, Ein Einschuss in Höhe der Wasserlinie | |
América (64), Kommandant. Juan Darrac | 5 | 13 | alle Masten mit Einschüssen übersät | 60 Einschüsse | |
España (64), Kommandant Bernardo Muñoz | 5 | 23 | großteils zerfetzt | Besanmast und verschiedene Spieren zerstört | Ruder teilweise abgerissen, einige Rumpfschäden |
San Rafael (80), Kommandant. Francisco de Montes (gefangengenommen) | 41 | 97 | vollständig zerfetzt | völlig entmastet | übersät mit Einschüssen |
Firme (74), Kommandant. Rafael de Villavicencio (gefangengenommen) | 35 | 60 | vollständig zerfetzt | völlig entmastet | übersät mit Einschüssen |
Pluton (74), Kommandant Julien Marie Cosmao-Kerjulien | 14 | 24 | |||
Mont-Blanc (74), Kommandant La Villegris | 5 | 16 | |||
Atlas (74) | 15 | 52 | Kommandant getötet | ||
Berwick (74), Kommandant Camas | 3 | 11 | |||
Neptune (80), Kommandant. Maistral | 3 | 9 | |||
Bucentaure (80), Flaggschiff von Admiral Pierre de Villeneuve | 5 | 5 | |||
Formidable (80), Flaggschiff von Konteradmiral Pierre Dumanoir le Pelley, Kommandant Letellier | 6 | 8 | |||
Intrépide (74), Kommandant Ifernet | 7 | 9 | |||
Scipion (74), Kommandant. Berenguer | 0 | 0 | |||
Swiftsure (74), Kommandant Villemadrin | 0 | 0 | |||
Indomptable (80), Kommandant Hubert | 1 | 1 | |||
Aigle (74), Kommandant Gourrege | 6 | 0 | |||
Achille (74), Kommandant Nieport | 0 | 0 | |||
Algésiras (74), Flaggschiff von Konteradmiral Magon, Kommandant Brouard | 0 | 0 |
Anmerkungen
- in der Literatur, vornehmlich in der englischsprachigen, findet sich häufiger auch die Bezeichnung „Armée d’Angleterre“, aber in den offiziellen französischen Dokumenten heißt es immer „L'Armée des côtes de l'Océan“
- die Truppen im Lager von Boulogne waren nur ein Teil der Truppen, die nach England übersetzen sollten (Charles Rabou: La Grande Armée. Teil I, 1865, S. 5ff; Liskenne, Sauvan: Bibliothèque Militaire. Teil VII, 1853, S. 11 ff)
- Befehl vollständig abgedruckt in: Liskenne, Sauvan: Bibliothèque Militaire. Teil VII, 1853, S. 11 ff
Literatur
- William James: The naval history of Great Britain during the French revolutionary and Napoleonic wars. Nachdruck der Ausgabe London 1837, London 2002.