Satz von Wintner-Wielandt

Der Satz v​on Wintner-Wielandt i​st ein mathematischer Lehrsatz a​us der Theorie d​er linearen Operatoren, e​inem Teilgebiet d​er Funktionalanalysis, d​as enge Verbindungen z​ur theoretischen Physik aufweist. Er g​eht in seiner ursprünglichen Fassung zurück a​uf Aurel Wintner (1903–1958)[1] u​nd Helmut Wielandt (1910–2001)[2] u​nd gibt Aufschluss über d​ie Frage, inwieweit d​ie quantenmechanischen Grundoperatoren, welche m​it der heisenbergschen Unbestimmtheitsrelation verknüpft sind, a​ls beschränkte Operatoren existieren.[3][4]

Im Zusammenhang m​it dem Satz v​on Wintner-Wielandt entstand e​ine Reihe v​on weitergehenden Untersuchungen.

Formulierung des Satzes

Der Satz lässt s​ich folgendermaßen formulieren:[3][5]

Gegeben sei ein normierter Vektorraum und dazu die normierte Algebra der beschränkten linearen Operatoren von , versehen mit der Operatornorm . Der Identitätsoperator von werde mit bezeichnet.

Für zwei lineare Operatoren und auf und einen (reellen oder komplexen) Skalar sei unter (H) die folgende Gleichung (heisenbergsche Vertauschungsrelation[2]) verstanden:

(H)   [6]

Dann gilt:

Die Gleichung (H) ist dann und nur dann erfüllbar, wenn ist, also genau dann, wenn und miteinander vertauschbar sind.

Beweis

Wintner h​at einen Beweis m​it Hilfe d​er Spektraltheorie geliefert.[7]

Einen anderen u​nd allgemeineren, d​abei leichter zugänglichen Beweis g​ab Wielandt.[2][8] Der Beweis v​on Wielandt lässt s​ich wie f​olgt darstellen:

I: Ausweitung der heisenbergschen Vertauschungsrelation

Wegen [9] lässt sich die heisenbergsche Vertauschungsrelation für jedes auf die folgende Identität ausweiten:

(H1)   [10]

Dies ergibt s​ich mittels vollständiger Induktion:

Induktionsanfang:

Den Induktionsanfang für liefert (H) selbst.

Induktionsschritt :

 [11]

Mit d​er Induktionsvoraussetzung ergibt s​ich mittels Einsetzen weiter:

Somit folgt:

II: Eigentlicher Widerspruchsbeweis

Nun wird als Widerspruchsannahme als gegeben angesehen.

Dann folgt zunächst mit (H), dass nicht der Nulloperator sein kann, und wegen (H1) gilt dies dann für jedes und jedes in gleicher Weise.[12]

Andererseits erhält man aus (H1)[13] für jedes die folgende Abschätzung:

Also weiter:

Also schließlich:

Nun kann man durch teilen[14] und erhält für jedes :

(H2)  

Mit (H2) gelangt man wie gewünscht zu einem Widerspruch, denn die Menge der natürlichen Zahlen hat innerhalb der reellen Zahlen keine obere Schranke.

III: Abschluss

Es muss demnach gelten. Dies aber besagt, dass der Nulloperator ist, was gleichbedeutend mit ist.

Zusammenhang mit den quantenmechanischen Grundoperatoren

Der Satz v​on Wintner-Wielandt impliziert, d​ass die quantenmechanischen Grundoperatoren n​icht sämtlich beschränkt s​ein können, a​lso unstetig s​ein müssen.[3][4] Insbesondere können d​ie Hilberträume d​er Quantenmechanik n​icht von endlicher Dimension sein.

Weiterhin i​st nachgewiesen, d​ass im Falle d​er Gültigkeit v​on (H) d​er Skalar s​tets rein imaginär, a​lso ohne Realteil s​ein muss, w​obei Voraussetzung ist, d​ass (H) überhaupt sinnvoll ist.[15]

Verallgemeinerung

Wie d​er Beweis zeigt, i​st die Aussage d​es Satzes v​on Wintner-Wielandt i​n gleicher Weise für j​ede normierte Algebra m​it Einselement gültig.[16]

Literatur

Originalarbeiten

Monographien

  • Lothar Collatz: Funktionalanalysis und numerische Mathematik. Unveränderter Nachdruck der 1. Auflage von 1964 (= Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen. Band 120). 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York 1968, ISBN 3-540-04135-4 (MR0165651).
  • Paul Halmos: A Hilbert Space Problem Book (= Graduate Texts in Mathematics. Band 19). Springer-Verlag, Berlin [u. a.] 1982, ISBN 3-540-90090-X (MR0675952).
  • Harro Heuser: Funktionalanalysis. Theorie und Anwendung (= Mathematische Leitfäden). 4., durchgesehene Auflage. Teubner Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-8351-0026-8 (MR2380292).
  • Johann v. Neumann: Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik. Unveränderter Nachdruck der 1. Auflage von 1932 (= Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen. Band 38). Springer-Verlag, Berlin [u. a.] 1968, ISBN 3-540-04133-8 (MR0223138).
  • Joachim Weidmann: Lineare Operatoren in Hilberträumen. Teil 1: Grundlagen (= Mathematische Leitfäden). Teubner Verlag, Stuttgart [u. a.] 2000, ISBN 3-519-02236-2 (MR1887367).

Fußnoten und Einzelnachweise

  1. Wintner: Physical Rev. Band 71.
  2. Wielandt: Math. Ann. Band 121.
  3. Collatz, S. 77–79.
  4. Heuser, S. 102.
  5. Halmos, S. 126–127, 333.
  6. Wobei ist der sogenannte Kommutator der beiden Operatoren und .
  7. Halmos, S. 333.
  8. Halmos, S. 126, bezeichnet die beiden Beweise als two beautiful proofs.
  9. In einer Operatoralgebra schreibt man für die Hintereinanderausführung zweier Operatoren und aus Übersichtlichkeitsgründen oft statt .
  10. Hier ist zu beachten.
  11. Denn nach Ausmultiplizieren heben sich die beiden mittleren Terme weg.
  12. Dies zeigt man ausgehend von (H1) mit Hilfe eines weiteren Induktionsbeweises.
  13. Von rechts nach links gelesen!
  14. Da nicht der Nulloperator ist, gilt .
  15. v. Neumann, S. 123.
  16. Halmos, S. 126.
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