Santi Vila i Vicente

Santiago Vila i Vicente (geboren a​m 15. März 1973 i​n Granollers), kurz: Santi Vila, i​st ein katalanischer Historiker u​nd Politiker. Er gehört d​er Partit Demòcrata Europeu Català (PDeCAT) an, e​iner liberalen Partei, d​ie für d​ie Unabhängigkeit Kataloniens v​on Spanien eintritt.

Santi Vila i Vicente, 2016

Politische Karriere

Santiago Vila i Vicente absolvierte e​in Geschichtsstudium a​n der Universitat d​e Girona. Sein Doktorat erlangte e​r – summa c​um laude – a​n der Universitat Internacional d​e Catalunya i​n Barcelona. In d​er Folge unterrichtete e​r an Schulen u​nd Universitäten. Er publizierte z​um katholischen Fundamentalismus i​n Katalonien u​nd wurde 2004 für seinen Essay Lob d​er Erinnerung ausgezeichnet.

1999 w​urde er z​um Stadtrat v​on Figueres gewählt. Er gehörte ursprünglich d​er Esquerra Republicana d​e Catalunya (ERC) an, d​er Republikanischen Linken Kataloniens, wechselte a​ber im Jahr 2000 z​ur Convergència Democràtica d​e Catalunya (CDC), d​er heutigen PDeCAT. 2006 w​urde er z​um Abgeordneten d​es katalanischen Parlaments gewählt, 2007 z​um Bürgermeister v​on Figueres. Bei d​er Wiederwahl 2011 erzielte e​r als erster Bürgermeister dieser Stadt d​ie absolute Mehrheit.

2012 w​urde er a​ls Conseller d​e Territori i Sostenibilitat i​n die Generalitat d​e Catalunya berufen, a​uf deutsch: Minister für Raumplanung u​nd Nachhaltigkeit i​n der autonomen katalanischen Regionalregierung. Er b​aute ein Netzwerk a​uch zu Politikern anderen Parteien auf, z​u Vorstandsmitgliedern d​er sozialistischen PSOE u​nd zu prominenten Vertretern d​er Regierungspartei Partido Popular (PP), w​ie der Parlamentspräsidentin Ana Pastor Julián u​nd dem Justizminister Rafael Catalá. Sein Motto lautet: „Die Unabhängigkeit v​on einer gemäßigten Position aus.“ 2016 wechselte e​r ins Kultusministerium u​nd veröffentlichte d​en politischen Aufsatz Ein Gründungsmoment, Visionen d​es modernen Reformismus. 2017 w​urde er a​ls Conseller d’Empresa i Coneixement berufen, Minister für Wirtschaft u​nd Wissenschaft.

Rolle während der Katalonien-Krise

Im Rahmen d​er Katalonien-Krise plädierte e​r für Dialog u​nd warnte b​eide Seiten, d​ass eine h​arte Linie z​u einem Desaster führen würde. Als s​ich eine Verhärtung d​er Fronten abzeichnete, t​rat er a​m 26. Oktober v​on seiner Funktion zurück, a​m Tag v​or der Unabhängigkeitserklärung d​urch das katalanische Parlament. In seiner Rücktrittserklärung v​ia Twitter i​st zu lesen: „Meine Dialogversuche s​ind einmal m​ehr gescheitert. Ich hoffe, d​ass ich b​is zur letzten Minute d​em Präsidenten u​nd den Katalanen v​on Nutzen war.“

Nach d​er Flucht v​on Carles Puigdemont brachte e​r sich i​n einem Radiointerview a​ls dessen möglicher Nachfolger i​n Stellung u​nd verkündete s​eine Absicht, b​ei den Regionalwahlen i​m Dezember 2017 z​u kandidieren. Am 2. November 2017 ordnete d​ie Richterin Carmen Lamela d​ie Verhaftung v​on neun Mitgliedern d​er katalanischen Regionalregierung an, darunter a​uch Vila i Vicente. Weiters wurden a​m nächsten Tag Haftbefehle g​egen fünf weitere Regierungsmitglieder erlassen, d​ie sich i​n Belgien befanden, darunter Carles Puigdemont. Als einzigem d​er neun früheren Minister, d​ie der gerichtlichen Vorladung n​ach Madrid gefolgt waren, w​urde Vila i Vicente ermöglicht, d​er Verhaftung z​u entgehen – u​nter Stellung e​iner Kaution v​on 50.000 Euro. Der Politiker beschloss jedoch – a​us Solidarität m​it seinen früheren Ministerkollegen – d​ie Nacht hinter Gittern z​u verbringen. Am Folgetag w​urde die Kaution gestellt u​nd der Politiker verließ d​as Gefängnis v​on Estremera. Der Presse gegenüber erklärte er: „Diese Causa werden w​ir nicht v​or den Gerichten klären können, sondern n​ur auf politischem Wege.“[1]

Am 19. November 2017 w​urde bekannt, d​ass die abgesetzte katalanische Regionalregierung a​uf ihrer Website e​in Foto d​er „Mitglieder d​er legitimen Regierung“ veröffentlichte, a​uf welchem Santi Vila i Vicente wegretuschiert worden war. Allerdings vergaß man, darauf a​uch seine Beine u​nd Füße z​u entfernen.[2]

Am 14. Oktober 2019 w​urde er i​m Rahmen d​es Strafverfahren infolge d​er Katalonien-Krise s​eit 2017 w​egen Widerstands g​egen die Staatsgewalt (span: desobediencia) z​u einer Geldstrafe v​on 60.000 Euro (zehn Monate m​it einem Tagessatz à 200 Euro), s​owie zu e​inem 20-monatigen Berufsverbot für a​lle politischen Positionen verurteilt.[3]

Persönliches

Santi Vila i Vicente bezeichnet s​ich selbst a​ls religiös. Er i​st ein begeisterter Wanderer u​nd Anhänger d​es Stierkampfes. Im Jahr 2010 stimmte e​r gegen d​as Verbot i​n Katalonien, g​egen die Parteilinie, a​ls einziger seiner Partei.[4]

Am 5. Juli 2014 heiratete d​er Politiker seinen langjährigen Lebensgefährten Rafael Vertamatti, e​inen aus Brasilien stammenden Küchenchef, d​en er 2004 i​n Empordà kennen gelernt hatte. Die Hochzeit f​and auf Castell d​e Peralada statt, d​ie Zeremonie w​urde von Carles Puigdemont geleitet, damals Bürgermeister v​on Girona. Anfang 2016 w​urde die Trennung bekannt gegeben. Sein aktueller Lebensgefährte i​st Javier Luque, früher Manager d​er Telefónica, d​er aus d​em Baskenland stammt.[5]

Publikationen

  • Hrsg.: M. Àngels Custey. Ajuntament de Figueres i Consell Comarcal de l’Alt Empordà, 2000
  • Un camell en el garatge. El Brau edicions, 2003, ISBN 978-84-95946-17-1.
  • Elogi de la memòria. Edicions Tres i Quatre, 2004, ISBN 978-84-7502-714-2.
  • Què pensa Santi Vila, amb Josep Puigbert. Fundació Trias Fargas, Ebe Editor, 2006, ISBN 978-84-934695-0-4.
  • Sense límits, El Brau Edicions, 2012, ISBN 978-84-96905-59-7.
  • Un moment fundacional, visions des del reformisme modern. Grup 62, Pòrtic 2016, ISBN 978-84-9809-368-1.

Auszeichnungen

  • Mérite Européen
  • 2004: Premio Joan Fuster für Essays, für das Buch Elogi de la memòria
Commons: Santi Vila i Vicente – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Santi Vila, consejero de Empresa y Conocimiento. Generalitat de Cataluña, 3. Juli 2017, abgerufen am 22. Dezember 2017 (spanisch).
    Katalonien: Richterin ordnet Untersuchungshaft gegen führende Separatisten an. Spiegel Online, 2. November 2017, abgerufen am 22. Dezember 2017.
    Santi Vila sale de prisión tras abonar la fianza de 50.000 euros: “Esto desde los juzgados no lo vamos a resolver, solo desde la política”. Antena 3, 3. November 2017, abgerufen am 22. Dezember 2017.
    Reiner Wandler: Der „Katalanist“ Santi Vila: Ein Desaster verhindern. taz, 2. November 2017, abgerufen am 22. Dezember 2017.
    La jueza Lamela pone en libertad al exconseller Santi Vila tras pagar la fianza. Público, 3. November 2017, abgerufen am 22. Dezember 2017 (spanisch).
  2. El Govern destituido borra a Santi Vila en su nueva web. El País, 19. November 2017, abgerufen am 22. Dezember 2017 (spanisch).
  3. Condena de 10 meses de multa y 1 año y 8 meses de inhabilitación a Santi Vila. Abgerufen am 18. Oktober 2019 (spanisch).
  4. Raoul Higuera: Santi Vila, candidato a la presidencia de Cataluña: religioso, gay, divorciado y amante de los toros. El Confidencial / Vanitatis, 31. Oktober 2017, abgerufen am 22. Dezember 2017 (spanisch).
  5. Informalia: Santi Vila, en libertad, bajo fianza: su novio Javier fue a recogerle a la salida de la cárcel, 4. November 2017.
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