Sandschakbahn
Die Sandschakbahn (auch Sandžak-Bahn) war eine auf ursprünglichen Plänen der Orientbahn 1908 durch Lexa von Aehrenthal neu initiierte,[1] und nie realisierte normalspurige Bahnstrecke im Osmanischen Reich in Südosteuropa, die den Bahnanschluss zwischen dem Terminus der schmalspurig ausgeführten Bosnischen Ostbahn in Vardište und dem bestehenden Terminus der normalspurigen Orientbahn bei Kosovska Mitrovica herstellen sollte. Die Ankündigung im Erhalt der Konzession zur Prüfung der Trasse durch das Osmanische Reich am 27. Januar 1908 führt nachfolgend zu einer europäischen Krise, in der Österreich-Ungarn zwar einen politischen Vorteil auf der Balkanhalbinsel herausholte, jedoch sein Verhältnis zum Dreibund und Serbien beschädigte.
Geschichte
Die Idee, eine Eisenbahn durch den Sandschak Novi Pazar zu errichten, geht auf die späten 1860er Jahre zurück. Im Jahr 1869 erhielt die Chemins de fer Orientaux von Baron Maurice de Hirsch unter anderem die Konzession zur Errichtung der Bahnstrecken Istanbul/Thessaloniki – Mitrovica – Sandschak – Sarajevo – Banja Luka – österreichische Grenze bei Doberlin (Dobrljin).
Für Österreich-Ungarn war vor allem der Zugang zum Ägäishafen Thessaloniki wichtig. Dieses Projekt wurde jedoch nur zu geringen Teilen realisiert: die k.u.k. Militärbahn Banjaluka – Doberlin[2] über Novi (Eröffnung: 24. Dezember 1872)[3] und Thessaloniki – Mitrovica (1874). Der Rest, insbesondere die eigentliche Sandschak-Linie, blieb weitestgehend unausgeführt. Es kam nur noch zur Umsetzung kleinerer Projekte: 1882 wurde Banja Luka via Doberlin – Sunja – Sisak an das Netz der Österreichisch-Ungarischen Monarchie angebunden[2] (Bahnstrecke Zagreb–Belgrad ab 1891; heutige kroatische R102 und Teile der M104). 1906 wurde die 760-mm-spurige Bosnische Ostbahn (Sarajevo–Uvac) dem Verkehr übergeben. Ihr Unterbau war bereits für die Normalspur ausgelegt, also Teil des Wien–Sandschak–Saloniki-Projektes. Bis 1908 kam es zu Mappierungsarbeiten entlang der Grenze des Sandschak und Bosnien-Herzegovina, die aber immer wieder unterbrochen wurden.[4]
Eine normalspurige Schließung der Lücke zwischen Banja Luka und Sarajevo (via Jajce) einerseits und zwischen Uvac, Novi Pazar und Mitrovica andererseits war jedoch so aufwändig, dass diese nie ausgeführt wurde. Der ehemalige Eisenbahnminister Heinrich von Wittek brachte deshalb in einem 1917 publizierten Artikel die schmalspurige Errichtung der Sandschakbahn in die Diskussion. Hierbei hatte er zwei Varianten ins Auge gefasst: Die Linie via Novi Pazar und die Linie durch das Limtal. Aufgrund des Ausgangs des Ersten Weltkriegs kam das Projekt jedoch endgültig zum Erliegen.
Literatur
- Elmar Oberegger: Der „Große Aufbruch“ in die Ägäis. Das gescheiterte Eisenbahnprojekt Wien-Sarajevo-Saloniki (1874–1914). Info-Büro für Österreichische Eisenbahngeschichte, Sattledt 2009 (Veröffentlichung des Info-Büros für österreichische Eisenbahngeschichte 2009, 2, ZDB-ID 2278238-2).
- Arthur J. May 1938: The Novibazar Railway Project. The Journal of Modern History Bd. 10, Nr. 4 (Dezember 1938), 496–527, Chicago University Press.
- Arthur J. May 1952: Trans-Balkan Railway Schemes. The Journal of Modern History, Nr. 24/4 (Dez. 1952), S. 352–367.
- Norman J. G. Pounds, A historical geography of Europe 1800–1914. Historical Geography of Europe, 3, S. 457–460, Cambridge University Press.
- Oscar Remy 1927: Sandšakbahn und Donau-Adriabahn, ein Kapitel aus der Vorgeschichte des Weltkrieges. Archiv für Eisenbahnwesen, 1927, Heft 5, September–Oktober, Erster Teil, 1189–1247, Springer, Berlin.
- Momir Samardžić 2012: Trans-Balkan railway schemes and Italy (late 19th – early 20th century). Etudes balkaniques, Nr. 2–3, 120–129.
- Orme Wilson Jr., Guido G. Weigend: The Belgrade-Bar railroad: an essay in economic and political geography. G. W. Hofmann (Hrsg.) Eastern Europe: Essays in Geographical problems, Methuen, London 1971, S. 365–393.
- Heinrich Wittek: Sandschakbahn. In: Freiherr von Röll u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Band 8: Personentunnel – Schynige Platte-Bahn. 2. vollständig neu bearbeitete Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin u. a. 1917, S. 299–300, online.
Einzelnachweise
- Solomon Wank 1964: Aehrenthal and the Snajak ov Novibazar Railway Project: a Reappraisal. In: Slavonic and East European Review, Jun 1. 1964; 42, 353–369
- K.K. Militärbahn Banja Luka–Doberlin. Elmar Oberegger: Eisenbahngeschichte, 2009.
- Volkswirthschaftliche Zeitung. […] Die Eröffnung des Betriebes auf der … In: Das Vaterland, 4. Jänner 1873 (eReader, anno.onb)
- Tamara Scheer: "Minimale Kosten, absolut kein Blut!": Österreich-Ungarns Präsenz im Sandžak von Novipazar (1879-1908). Peter Lang, Wien 2013, ISBN 978-3-631-64214-6, S. 175 f.