Samuel Kofi Yeboah
Samuel Kofi Yeboah (* 6. September 1964 in Ghana; † 19. September 1991 in Saarlouis, Deutschland) starb infolge eines Brandanschlags auf eine Asylbewerberunterkunft in Saarlouis-Fraulautern.
Brandanschlag und Ermittlungen
Am 19. September 1991 brach gegen 3.30 Uhr ein Feuer im Treppenhaus der Asylbewerberunterkunft aus, nachdem jemand unter dem ersten Absatz der hölzernen Treppe einen Brandbeschleuniger entzündet hatte. Von 19 Menschen, die zu dieser Zeit in dem vierstöckigen Gebäude schliefen, konnten 16 ins Freie fliehen, nicht jedoch die drei Bewohner des obersten Stockwerks.[1] Zwei Flüchtlinge sprangen aus einem Fenster und erlitten Knochenbrüche. Samuel Yeboah, der wahrscheinlich über das Treppenhaus zu flüchten versuchte, erlitt schwerste Verbrennungen. Die Feuerwehr fand ihn im Dachgeschoss. Er wurde in ein Krankenhaus gebracht und starb kurz darauf.[2] Die Freiwillige Feuerwehr Saarlouis war mit 50 Feuerwehrleuten und 14 Fahrzeugen im Einsatz.[2]
Zeugen berichteten, ein silbergrauer Pkw sei kurz vor dem Ausbruch des Feuers mit hoher Geschwindigkeit vor dem Wohnheim in der Saarlouiser Straße vorgefahren. Die Polizei ermittelte in alle Richtungen[1] und stellte die Ermittlungen im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft Saarbrücken schon nach elf Monaten ein.[3]
Da der oder die Täter bisher nicht ermittelt wurden und auch keine Indizien wie ein Bekennerschreiben oder Nazi-Symbole mit Bezug zur Tat gefunden wurden,[4] kann die Motivation für den Anschlag nur vermutet werden. Im Zusammenhang mit der Zunahme flüchtlingsfeindlicher Angriffe in Deutschland und einer Serie von weiteren Anschlägen auf Asylbewerberheime in den Landkreisen Saarlouis und Saarbrücken zu Beginn der 1990er Jahre drängte sich jedoch von Anfang an der Verdacht eines rechtsextremen Hintergrundes auf.[1] In den Jahren 1991/92 wurden mehr als 20 Anschläge und Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in den Landkreisen Saarlouis und Saarbrücken gezählt.[5] Im August 1991 war ein Brand in einem Heim in Saarlouis-Roden gelegt worden, im September folgte der tödliche Brandanschlag im Stadtteil Fraulautern und im Oktober schon der nächste Brand in einer anderen Flüchtlingsunterkunft in Saarlouis.[6] In der Gesamtliste der Amadeu Antonio Stiftung wird Samuel Yeboah als „Todesopfer rechter Gewalt“ geführt.[7] Die Bundesregierung stufte den Anschlag in den Jahren 1993, 1999 und 2009 als „politisch rechts motivierte Gewalttat“ ein.[7][8]
Im Sommer 2020 richtete die Polizei im Saarland eine Sonderkommission namens „Welle“ ein, die zu dem Mord an Yeboah neu ermittelte. Die saarländische Generalstaatsanwalt gab das Ermittlungsverfahren an den Generalbundesanwalt Peter Frank ab.[1] Die Bundesanwaltschaft ermittelte nun wegen Mordes sowie 18-fachen versuchten Mordes und ging dabei von einem rechtsextremistischen Hintergrund der Tat aus.[4] Im Januar 2021 wurden in Saarlouis Durchsuchungen zu dem Fall genehmigt und vollzogen.[1]
Gedenken
Samuel Yeboah wurde am 10. Oktober 1991, knapp drei Wochen nach seinem Tod, in einem Urnen-Grabfeld des Friedhofs „Neue Welt“ in Saarlouis bestattet. An der Trauerfeier nahmen etwa 200 Gäste teil, darunter Familienangehörige, Freunde und Politiker.[9] Neben der Grabplatte, auf der Yeboahs Name und seine Lebensdaten stehen, wurde später ein Gedenkstein aufgestellt, auf dem zu lesen ist: „Opfer eines Brandanschlages auf ein Asylbewerberheim“. Das Grab wird nicht aufgelöst und bleibt auf Kosten der Stadt als Mahnmal erhalten.[10]
Insbesondere anlässlich des 5., 10., 15., 20. und 25. Todestages fanden in Saarlouis, teils auch an weiteren Orten im Saarland, öffentliche Aktionen zur Erinnerung an Samuel Yeboah statt, die von Aktivisten wie der regionalen Antifa-Gruppe „Antifa Saar/Projekt AK“ veranstaltet wurden.[11][12]
Antifaschistische Gruppen fordern seit dem tödlichen Anschlag, Samuel Yeboah als Opfer rechter Gewalt anzuerkennen und an einem zentralen Platz in Saarlouis einen Ort des Gedenkens einzurichten.[13][14] Während einer Demonstration zum 10. Todestag wurde am 19. September 2001 an der denkmalgeschützten Rathausfassade ohne Genehmigung der Eigentümer eine Gedenkplatte aus Stein angebracht. In der Aufschrift wurde Yeboah als Flüchtling aus Ghana bezeichnet, der „durch einen rassistischen Brandanschlag in Saarlouis ermordet“ wurde.[14] Auf Anweisung des Oberbürgermeisters wurde die Platte am selben Tag entfernt.[15] Die Stadtverwaltung gewann im Jahr 2005 vor dem Amtsgericht Saarbrücken einen Schadensersatzprozess gegen den Anmelder der Demonstration.[16]
Anlässlich des 15. Todestages im Jahr 2006 schlug ein „Runder Tisch für ein öffentliches Gedenken an Samuel Yeboah“ vor, die Von-Lettow-Vorbeck-Straße in Saarlouis in Samuel-Yeboah-Straße umzubenennen.[11] Im Stadtrat wurde der Vorschlag nur von dem Stadtverordneten der Linken Dirk Scholl und der Fraktion der FWG unterstützt, während die anderen Fraktionen ihn ablehnten.[17] (Als die Von-Lettow-Vorbeck-Straße im Jahr 2010 umbenannt wurde, erhielten zwei Teilstücke der Straße die Namen Walter-Bloch-Straße und Hubert-Schreiner-Straße.[18]) Aktivisten der Antifa Saar brachten am 19. September 2014 in der Saarlouiser Straße, wo der Brandanschlag stattgefunden hatte, ein Straßenschild mit der Aufschrift Samuel-Yeboah-Str. zusammen mit einem erläuternden Zusatzschild an und informierten die Anwohner in einem Brief über die symbolische „Änderung ihrer Anschrift“.[19]
Die Antifa Saar schuf im April 2016 einen „virtuellen Gedenkstein“ für Yeboah im Internet[14][20] und organisierte zum 25. Todestag im September 2016 unter dem Kampagnenmotto „Hass hat Konsequenzen“ Gedenkveranstaltungen in mehreren Städten des Saarlands.[12] Die Aktion 3. Welt Saar beklagte, dass die Stadt Saarlouis nach wie vor „ein öffentliches Gedenken im Stadtbild von Saarlouis“ verweigere, obwohl schon 2006 fünf Vorschläge gemacht worden seien, nämlich: öffentliche Gedenkveranstaltungen alle ein bis zwei Jahre, Thematisierung des Brandanschlags im Schulunterricht, Schaffung einer Skulptur als Denkmal für Samuel Yeboah, Benennung einer Straße nach ihm sowie Gedenken im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt, zum Beispiel auf ihrer Website.[21] Der Saarländische Flüchtlingsrat forderte ebenfalls die Umsetzung dieser Vorschläge[22] und ließ „in Erinnerung an Samuel Yeboah“ Großflächenplakate mit der Botschaft „Rassismus tötet“ aufhängen.[23]
Im Zusammenhang mit den neuen Ermittlungen im Jahr 2020 sagten der Saarlouiser Oberbürgermeister Peter Demmer (SPD) und Bürgermeisterin Marion Jost (CDU), falls sich ein rassistischer Hintergrund der Tat nachweisen lasse, müsse das Gedenken neu bewertet werden.[10]
Weblinks
- 20. Todestag von Samuel Yeboah Ausschnitt aus der SR-Sendung Aktueller Bericht, 19. September 2011 (Video, 2:52 Min.)
- Vor 25 Jahren: Tod von Samuel Yeboah sr.de, 19. September 2016
- Neue Ermittlungen im Mord an Samuel Yeboah Ausschnitt aus der SR-Sendung Aktueller Bericht, 6. August 2020 (Video, 6:32 Min.)
Einzelnachweise
- Wolf Wiedmann-Schmidt, Sven Röbel, Maik Baumgärtner: Saarland: Fahnder ermitteln mutmaßlichen Täter eines rassistischen Brandanschlags im Jahr 1991. In: DER SPIEGEL. Abgerufen am 28. Januar 2021.
- Feuerwehrbericht 19. September 1991, Quellen: Saarbrücker Zeitung, Archiv der Freiwilligen Feuerwehr Saarlouis, Zeitzeugen.
- Offenbar Fehler bei Yeboah-Ermittlungen sr.de, 7. August 2020.
- Neue Ermittlungen im Fall Yeboah sr.de, 5. August 2020.
- Dokumentation: Gedenken an Samuel Kofi Yeboah – Saarlouiser Straße umbenannt antifa-saar.org, 21. September 2014, vgl. Aufzählung der Anschläge und Angriffe am Ende des Textes.
- Antifa Saar fordert öffentliches Erinnern an Samuel Yeboah saarbruecker-zeitung.de, 1. September 2016.
- Samuel Kofi Yeboah in der Liste der Todesopfer rechter Gewalt der Amadeu Antonio Stiftung
- Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Petra Pau, Wolfgang Nešković, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, Bundestagsdrucksache 16/14122 (PDF; 160 kB), 7. Oktober 2009.
- Wer ermordete Samuel Yeboah? saarbruecker-zeitung.de, 18. September 2016.
- 18-köpfige Soko ermittelt zu Yeboah-Mord sr.de, 6. August 2020. Bericht mit Fotos des Gedenksteins und der Grabplatte auf dem Friedhof „Neue Welt“ in Saarlouis.
- In Gedenken an Samuel Yeboah antifa-saar.org, Überblick über die Aktionen zum 5., 10., 15. und 20. Jahrestag des Anschlags (1996 bis 2011).
- Kampagne: Hass hat Konsequenzen antifa-saar.org: Veranstaltungen zum 25. Todestag (2016) unter anderem in Saarlouis, Sulzbach, Dillingen, Völklingen, Blieskastel, Saarbrücken.
- Antifaschisten fordern würdiges Gedenken an Samuel Yeboah Beitrag im Zeit-Blog „Störungsmelder“, 26. September 2016.
- In Erinnerung an Samuel Yeboah „Virtueller Gedenkstein“ für Samuel Yeboah.
- Prozess um Gedenktafel am Rathaus Saarbrücker Zeitung, 6. Oktober 2005 (PDF).
- »Die Stadt Saarlouis hat sich lächerlich gemacht« junge Welt, 2. November 2005.
- Die Linke Saarland, Pressemitteilung vom 27. Juli 2011.
- Zwei Namen für die Von-Lettow-Vorbeck-Straße Pressemitteilung der Stadt Saarlouis, 10. Mai 2010.
- Dokumentation: Gedenken an Samuel Kofi Yeboah – Saarlouiser Straße umbenannt antifa-saar.org, 21. September 2014.
- Pressemitteilung: Antifa Saar richtet virtuellen Gedenkstein für Samuel Yeboah ein antifa-saar.org, 28. April 2016.
- 25. Todestag von Samuel Yeboah Aktion 3. Welt Saar, Webseite zu Yeboahs 25. Todestag im Jahr 2016.
- Erinnern statt vergessen: Fünf konkrete Vorschläge für ein würdiges Gedenken an Samuel Yeboah Gemeinsame Presseerklärung des Saarländischen Flüchtlingsrats und der Aktion 3. Welt Saar, 23. September 2016 (PDF).
- Plakatkampagne Samuel Yeboah Saarländischer Flüchtlingsrat (2016).