Sag mir, wo du stehst
Das Lied Sag mir, wo du stehst ist ein Agitationslied der Singebewegung der DDR. Getextet und komponiert wurde es von Hartmut König, eingespielt von Mitgliedern des Oktoberklubs sowie der Band Thomas Natschinski und seine Gruppe.
Das Lied knüpft musikalisch in der Melodiebewegung des Refrains an den 1931 entstandenen US-Gewerkschaftssong Which Side Are You On? von Florence Reece an, der auch von der Aussage im Titel sowie der agitatorischen Emphase für die realsozialistische deutsche Fassung Pate stand.
Im Lied wird der Adressat („Du“) von einem gleichsam gewissenserforschenden Kollektiv, das sich selbst auf der Seite des gesellschaftlichen Fortschritts sieht („wir bringen die Zeit nach vorn“), aufgefordert, sich „erkennenzugeben“, sowie zur Abkehr vom zurückbleibenden Im-Kreis-Gehen, zum Ablegen der „nickenden Maske“ und damit zur Offenbarung des „wahren Gesichtes“.
Durch seinen eingängigen Versaufbau und sein Arrangement im populären Mersey Beat gilt das Lied bis heute als markantestes und erfolgreichstes der DDR-Singebewegung.
1970 wurde das Lied in der Premiere der Tatort-Filmreihe, Taxi nach Leipzig, verwendet.
Bettina Wegner, Mitbegründerin des Hootenanny-Klubs (dem späteren Oktoberklub), sprach 2018 davon, dass sie ihren Protest gegen den Gebrauch des Liedes als „Massenverblödung“ damit ausdrückte, dass sie mit einer Mitsängerin bei einem Auftritt „Sag, mit wem du schläfst?“ sang.[1]
Diskografie
- 1967: Der Oktober-Klub singt. Amiga.
- 2007: Sag mir, wo du stehst. Politische Lieder in der DDR (= Amiga 1947–2007. Vol. 13). Amiga/BMG, DNB 360109659, urn:nbn:de:101:1-2015021121401 (3 CDs).
Literatur
- Lutz Kirchenwitz: Folk, Chanson und Liedermacher in der DDR – Chronisten, Kritiker, Kaisergeburtstagssänger. Dietz Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-320-01807-8, S. 34, 154, 160 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Weblinks
- Text bei genius.com
- Ein Cover bei Discogs
Einzelnachweise
- Berlin – Schicksalsjahre einer Stadt. Das Jahr 1967 (Memento vom 17. Dezember 2018 im Internet Archive). Die Mitbegründerin und spätere Liedermacherin, Bettina Wegner, erinnert sich an die Vereinnahmung der Singebewegung und ihren Widerstand dagegen. In: rbb. 15. Dezember 2018, abgerufen am 15. Dezember 2015 (Filmdokumentation von Lutz Pehnert; Erstausstrahlung vom 15. Dezember 2018 im rbb; 12:12–13:26 Min.): „[Sprecherin:] Dieses Lied wird ein Hit der neuen ostdeutschen Singebewegung.
[Einspielung, Liedvortrag von Hartmut König mit Band:] Sag mir, wo du stehst?
[Sprecherin:] Doch Bettina Wegner ist der linientreue Refrain nicht geheuer. Bei einem Auftritt schwört sie eine Mitsängerin auf eine subversive Textkorrektur ein.
[Bettina Wegner:] Dann hab ich zu Annette gesagt: Lass uns einfach mal singen – statt: Sag mir, wo du stehst? – Sag, mit wem du schläfst? Und Annette und ich waren ganz laut und haben ganz laut gesungen: Sag, mit wem du schläfst? Sag, mit wem du schläfst? Und nach ’ner Weile haben die auf der Bühne alle Sag mit w… und nicht gemerkt, dass sie singen: Sag, mit wem du schläfst? – Also es hatte damals auch schon einen Beigeschmack, weil es so – vielleicht gar nicht wegen des Liedes, sondern es wurde so aufgegriffen und so vervielfältigt und den Leute in’n Kopp [in den Kopf] gedrückt… Es war irgendwie Massenverblödung.
[Einspielung Liedvortrag; der Sänger fordert das Publikum auf:] Und noch mal: Sag mir, wo du stehst?“