Rudolf Saliger (Ingenieur)
Rudolf Saliger (* 1. Februar 1873 in Spachendorf bei Freudenthal, Österreichisch-Schlesien; † 31. Jänner 1958 in Wien) war ein österreichischer Bauingenieur und Pionier des Stahlbetonbaus.
Leben
Saliger war der Sohn eines Tischlers und besuchte die Realschule in Troppau. Er studierte 1891 bis 1898 Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule in Wien mit dem Abschluss der 2. Staatsprüfung. Dazwischen leistete er 1895/96 als Einjährig-Freiwilliger seinen Wehrdienst. Danach praktizierte er 1897 bis 1899 im Brückenbaubüro der Südbahngesellschaft und danach 1899 bis 1900 als Brückenbau-Ingenieur bei der oberösterreichischen Statthalterei in Linz. 1900 bis 1908 war er beruflich als Ingenieur in Deutschland, unter anderem bei der Firma Beton- und Monierbau und an den Baugewerkeschulen in Posen und Kassel. Er unternahm Studienreisen in die Schweiz, Frankreich (1900 in Paris) und Belgien um sich insbesondere im Eisenbetonbau fortzubilden, darunter bei den Eisenbetonpioneren Francois Hennebique und Joseph Monier. 1903 wurde er an der TH Wien zum Dr. tech. promoviert (Dissertation: Über die Festigkeit der Bauwerke aus veränderlich elastischen Stoffen, vornehmlich der Beton-Eisen-Konstruktionen). 1906 war er Volontär im Materialprüfungsamt in Berlin-Lichterfelde, das zur TH Berlin-Charlottenburg gehörte. 1907 wurde er an die Technische Hochschule in Braunschweig berufen, danach nach Prag (außerordentlicher Professor für Baumechanik und Eisenhochbau 1908/09) und Dresden, ehe er schließlich von 1910 bis 1933 an der Technischen Hochschule in Wien wirkte als ordentlicher Professor für allgemeine und angewandte Mechanik. 1920–1922 war er Dekan und 1924/25 wurde er Rektor. Daneben war Saliger zwischen 1927 und 1934 Bauberater der Gemeinde Wien. Nach dem „Anschluss“ wurde Saliger nach dem Rauswurf von Karl Holey 1938 interimistisch wieder Rektor der Technischen Hochschule. In dieser Funktion begrüßte Saliger das neue Regime in zahlreichen „Huldigungstelegrammen“ und Reden.[1]
1939 wurde er in die Wiener Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Am 20. Februar 1940 beantragte er die Aufnahme in die NSDAP und wurde am 1. Juni aufgenommen (Mitgliedsnummer 7.683.347).[2][3] 1939 wurde er emeritiert. In den Jahren vor seiner Emeritierung hatte Saliger wesentlichen Einfluss auf die Nazifizierung der Technischen Hochschule sowie die strukturelle Benachteiligung von jüdischen und sozialdemokratischen Studenten gehabt. Laut Juliane Mikoletzky erfolgte diese im Vergleich zu anderen Hochschulen sehr rasch und geordnet.[1]
Nach 1945 wurde Saliger als „Minderbelasteter“ eingestuft, im selben Jahr wurde seinem Nachsichtsgesuch stattgegeben, aus „technisch-wissenschaftlichen Gründen“.[1]
Nach seinem Tode wurde seine Asche in einer – als ehrenhalber gewidmetes Grab geführten – Urnennische am Friedhof der Feuerhalle Simmering beigesetzt.[4] Der Entwurf für das Grabdenkmal stammt von Viktor Hammer.
1903 heiratete er Marie Hettling.
1965 benannte man die Saligergasse in Wien-Favoriten nach ihm.
Bedeutung
Rudolf Saliger gilt als Pionier des Eisenbetonbaus. Auf Grund seiner Initiative wurden an den österreichischen Hochschulen Lehrkanzeln für Eisenbetonbau eingerichtet (Pflichtfach an der TH Wien ab 1916/17). Vorlesungen über Eisenbetonbau hielt er seit 1910. Außerdem befasste er sich mit Statik.
Bauten
- 1927, Kuppel der israelitischen Zeremonienhalle am Wiener Zentralfriedhof[3]
- 1929–1931, Wiener Stadion[3]
- 1930–1932, Hochhaus Herrengasse[3]
Auszeichnungen
Schriften
- Praktische Statik. Einführung in die Standberechnung der Tragwerke mit besonderer Rücksicht auf den Hoch- und Eisenbetonbau. Deuticke: Leipzig, 1927 (2. erweiterte Auflage)
- Das Gesicht des neuen Russland. Reiseeindrücke. Springer: Wien, 1932
- Der Eisenbeton. Seine Berechnung und Gestaltung. Kröner: Leipzig, 1933 (6. ergänzte Auflage)
- Dauerversuche an Eisenbetonbalken mit verschiedenen Stahlbewehrungen. Österreichischer Ingenieur- und Architektenverein: Wien, 1935
- Versuche an Eisenbetonbalken unter ruhenden und herabfallenden Lasten. Springer: Wien, 1936
- Die neue Theorie des Stahlbetons auf Grund der Bildsamkeit im Bruchzustand. Deuticke: Wien, 1947
- Fortschritte im Stahlbeton durch hochwertige Werkstoffe und neue Forschungen. Deuticke: Wien, 1950
- Denken und Tun eines Technikers. 3 Bde. Selbstverlag: Wien, 1952–53
- Der Stahlbetonbau. Werkstoff, Berechnung, Gestaltung. Deuticke: Wien, 1956 (8. erweiterte Auflage)
Einzelnachweise
- Straßennamen Wiens seit 1860 als „Politische Erinnerungsorte“ (PDF; 4,2 MB), S. 168ff, Forschungsprojektendbericht, Wien, Juli 2013
- Bundesarchiv R 9361-VIII KARTEI/18181502
- Deutsche biographische Enzyklopädie, abgerufen am 13. März 2009.
- www.friedhoefewien.at – Ehrenhalber gewidmete Gräber im Friedhof Feuerhalle Simmering (PDF 2016), abgerufen am 7. März 2018
- Rudolf Saliger abgerufen am 23. Juli 2020 in Wilhelmexner.org
Literatur
- Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien Bd. 5. Kremayr & Scheriau: Wien, 1997
- Alfred Lechner: Saliger, Rudolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 371 f. (Digitalisat).
- Nemec, Birgit (2013). „10., Saligergasse“. In: Kulturabteilung der Stadt Wien (Hg.). Forschungsprojektendbericht Straßennamen Wiens seit 1860 als ‚Politische Erinnerungsorte‘. Wien: Verein zur Wissenschaftlichen Aufarbeitung der Zeitgeschichte. S. 168–170. Online unter <https://www.wien.gv.at/kultur/abteilung/pdf/strassennamenbericht.pdf>.
- Klaus Stiglat: Bauingenieure und ihr Werk, Ernst und Sohn 2003
- Karl-Eugen Kurrer: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium, Ernst & Sohn 2018, S. 1056f (Biografie), ISBN 978-3-433-03229-9.