Robert Townsend Smallbones
Robert Townsend Smallbones (* 19. März 1884 auf Schloss Velm, Österreich; † 29. Mai 1976 in São Paulo, Brasilien) war ein britischer Diplomat.
Leben und Tätigkeit
Frühe Laufbahn
Smallbones war der zweite Sohn des Paul Smallbones. Nach dem Schulbesuch und dem Studium am Trinity College der Universität Oxford, wo er einen Master-Abschluss erwarb, trat er 1910 in den britischen diplomatischen Dienst ein. Am 13. Oktober 1910 wurde er offiziell zum Vizekonsul ernannt.
Seine erste Verwendung im diplomatischen Dienst fand Smallbones ab dem 1. Januar 1911 an der britischen Vertretung in Luanda (Angola) im damaligen Kolonialgebiet von Portugiesisch-Westafrika.
Während der Jahre 1911 und 1912 fungierte er mehrmals wiederholt, während Zeiträumen während denen der reguläre Konsul vom Konsulat abwesend war, als geschäftsführender Konsul in dieser Vertretung. Zum 1. Januar 1913 wurde Smallbones eine Kommission als Vizekonsul innerhalb des Konsularbezirks des Konsuls in Luanda übertragen.
Zum 24. Dezember 1914 wurde Smallbones nach Stavanger in Norwegen versetzt.
Zum 11. Januar 1920 wurde Smallbones mit dem Posten des britischen Konsuls in München betraut. Er war damit der erste britische Vertreter in Bayern seit dem Ende des Ersten Weltkriegs. Zum 16. Juli 1922 wechselte er nach Bratislava. Dort fiel er aufgrund seiner scharfen Kritik an der Politik der slowakischen Regierung gegenüber den in ihrem Regierungsbereich lebenden Minderheiten auf. In den Jahren 1922 bis 1926 gehörte Smallbones außerdem der Internationalen Donau-Kommission als britischer Delegierter an.
Mit Wirkung zum 5. Januar 1926 wurde Smallbones dann zum britischen Konsul für die Republik Liberia mit Dienstsitz in der Hauptstadt Monrovia ernannt. Am 11. August 1927 wurde Smallbones erneut nach Luanda in Portugiesisch West-Afrika geschickt, wo er bis 1931 als britischer Konsul fungierte. zum 21. Juni 1931 übernahm Smallbones dann die Aufgabe des britischen Konsuls in Zagreb.
Tätigkeit in Deutschland (1932 bis 1939) und späte Laufbahn (1939 bis 1945)
Von 1932 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 amtierte Smallbones als britischer Generalkonsul in Frankfurt am Main. In dieser Stellung erlebte er im November 1938 die als Reichskristallnacht bekannt gewordenen gewalttätigen Ausschreitungen mit, die von Angehörigen der Sturmabteilung (SA) und anderen Anhängern des NS-Systems auf Weisung der Staatsführung in einer koordinierten Aktion im ganzen Land gegen jüdische Personen und jüdisches Eigentum verübt wurden. Zusammen mit seinem Stellvertreter Arthur Dowden nahm Smallbones die Vorgänge der Kristallnacht zum Anlass um – unter Missachtung des Wortlautes seiner Dienstvorschriften – in den folgenden Monaten in großzügiger Weise jüdischen Personen, die das Deutsche Reich zu verlassen beabsichtigten, Ausreisegenehmigungen nach Großbritannien auszustellen. Auf diese Weise wurden rund 48.000 jüdische Bewohner des Deutschen Reiches in die Lage versetzt, das Deutsche Herrschaftsgebiet kurz vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs zu verlassen und sich auf diese Weise dem Zugriff der Exekutoren des NS-Terrors zu entziehen.[1] Zudem gelang es Smallbones bei den zuständigen deutschen Behörden – die zu dieser Zeit noch eine Politik verfolgten, die darauf abzielte, Juden aus dem deutschen Herrschaftsbereich zu vertreiben und "herauszuekeln" – die Freilassung mehrerer nach der Kristallnacht in Konzentrationslager verschleppter Juden zu erreichen, indem er seinen Verhandlungspartnern zusicherte, den betroffenen Personen Visa zur Ausreise nach Großbritannien auszustellen.
Nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen Großbritanniens und des deutschen Reiches im Zuge der britischen Kriegserklärung an Deutschland am 3. September 1939 wurde Smallbones nach Großbritannien evakuiert. Im Dezember 1939 wurde er als britischer Generalkonsul nach São Paulo in Brasilien entsandt. Er trat seinen Dienst dort im Januar 1940 an und behielt seinen Posten bis zum Ende des Krieges bei. Auch nach seiner Pensionierung im Jahr 1945 verblieb Smallbones in Brasilien.
Von den nationalsozialistischen Polizeiorganen wurde Smallbones nach Kriegsbeginn als wichtige Zielperson eingestuft: Im Frühjahr 1940 wurde er vom Reichssicherheitshauptamt auf die Sonderfahndungsliste G.B. gesetzt, ein Verzeichnis von Personen, die im Falle einer erfolgreichen Invasion und Besetzung der britischen Insel durch die Wehrmacht von den Besatzungstruppen folgenden Sonderkommandos der SS mit besonderer Priorität ausfindig gemacht und verhaftet werden sollten.
Nachwirken und Ehrungen
Aufgrund seiner Verdienste um die Rettung zehntausender Juden, denen er durch seine Handlungen in den Jahren 1938 und 1939 die Flucht aus dem deutschen Machtbereich ermöglichte – wodurch viele von diesen mit großer Wahrscheinlichkeit davor bewahrte den diversen Verfolgungs- und Tötungsmaßnahmen die das NS-Regime während des Krieges im Rahmen des Holocausts zur Anwendung brachte zum Opfer zu fallen – wurde Smallbones posthum vielfach geehrt: Am 20. November 2008 wurde ein Plakette am British Foreign and Commonwealth Office in London enthüllt, die ihn und sieben weitere britische Diplomaten, die sich um die Unterstützung jüdischer Flüchtlinge vom europäischen Kontinent verdient gemacht hatten, ehrt. 2013 wurde ihm symbolisch die Medaille eines British Hero of the Holocaust verliehen. Im selben Jahr wurde eine Gedenktafel, die an die Leistungen von Smallbones und seinem Kollegen Arthur Dowden zugunsten der Juden, deren Ausreise aus Deutschland sie 1938 und 1939 ermöglichten, durch den damaligen Vorsitzenden des Unterhauses, John Bercow, auf dem Gelände des Jüdischen Friedhofs Golders Green, dem größten jüdischen Friedhof Londons, eingeweiht. Eine ähnliche Gedenktafel zur Ehrung der beiden Männer wurde 2013 am Gebäude des ehemaligen britischen Konsulats in Frankfurt am Main – dem Haus Guiolettstraße/Ecke Feuerbachstraße – angebracht und am 8. Mai 2013 durch den damaligen britischen Botschafter in Deutschland Simon McDonald und den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann enthüllt.
Familie
Smallbones war verheiratet mit der aus Norwegen stammenden Inga Gjertson (1890–1988), mit der er einen Sohn und eine Tochter (Irene) hatte. Smallbones Sohn Robert Peter (* 1919 in Stavanger) starb am 17. Mai 1941 als Angehöriger des britischen Afrikakorps bei Kampfhandlungen in Ägypten.
Literatur
- British Diplomatic and Consular Year Book, 1922 und 1949.
- Who was Who. 1971-1980, Bd. 7, S. 735.
- Petra Bonavita: Quäker als Retter im Frankfurt am Main der NS-Zeit, Schmetterling Verlag, Stuttgart, 2014, ISBN 3-89657-149-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- Vergleiche hierzu die ausführliche Darstellung der Aktivitätzen von Smallbones und Dowden bei Petra Bonavita: Quäker als Retter im Frankfurt am Main der NS-Zeit, S. 158 ff., und auf der Webseite „Männer zuerst“ – das „Smallbones-Schema“ des britischen Konsuls in Frankfurt am Main