Rivers of Babylon
Rivers of Babylon ist ein durch die deutsche Disco-Gruppe Boney M. im Jahre 1978 bekannt gewordener Song, der im Original von der Rocksteady-Gruppe Melodians aus dem Jahre 1970 stammte und auf Texten des Alten Testaments beruht.[2] Der Titel gehörte lange Zeit zu den meistverkauften Produktionen der deutschen Musikindustrie.
Entstehungsgeschichte
Das Original stammt von den Melodians, die den Song in einer Rocksteady-Version präsentierten. Die Bandmitglieder Brent Dowe und Trevor McNaughton ließen sich bei ihrer Komposition vom Inhalt von Psalm 137 (Psalm 137,1–9 ) sowie auch von Psalm 19,15 leiten. Die Melodie ist mit einer kleinen Abweichung pentatonisch.
Ende des Jahres 1969 versammelte Reggae-Produzent Leslie Kong die aus Brent Dowe, Tony Brevett, Trevor McNaughton und Renford Cogle bestehenden Melodians im Studio One in Kingston auf Jamaika. Ergänzt um das bewusst abgeschwächte Gitarrenspiel von Ernest Ranglin und die Perkussion-Arbeit von Larry McDonald spielten sie Rivers of Babylon / Babylon Version (die B-Seite stammte von den Beverley’s All Stars) ein.[3] Die Anmeldung des Copyrights erfolgte am 31. Dezember 1969. Veröffentlicht auf Summit #8508 im November 1970, verkaufte sich die Platte mangels weltweitem Vertriebspartner lediglich auf Jamaika und in Großbritannien. Summit war zwar ein Sublabel vom britischen Trojan Records[4], aber in England konnten die Melodians ihre im Januar 1970 veröffentlichte Single Sweet Sensation nur schlecht verkaufen (UK-Pop-Charts Rang 41).
Boney M.
Produzent Frank Farian und sein Weggefährte Hans-Jörg Mayer (der unter dem Pseudonym George Reyam auftauchte) hatten den Song leicht verändert und Boney M angeboten. Veröffentlicht wurde Rivers of Babylon (Hansa 11 999 AT) am 3. April 1978, und zwar als Doppel-A-Single zusammen mit dem Lied Brown Girl in the Ring. Bereits am 17. April 1978 gelangte der Titel in die deutsche Hitparade, wo er nach einer Woche Platz eins erreichte und dort für 17 Wochen bis zum 7. August 1978 blieb. Ab 13. Mai 1978 stieg er in Großbritannien für fünf Wochen auf Platz eins, der auch in der Schweiz, Österreich, Frankreich, Schweden, Norwegen, Finnland, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Spanien, Italien, Jugoslawien, Israel, Mexiko, Australien, Neuseeland, Kenia oder Südafrika belegt werden konnte. Lediglich in den USA gelang Boney M nie der Durchbruch; ihre Platten nahmen mittlere Positionen in den Charts ein. In Deutschland wurden eine Million, in Frankreich 500.000 und in Großbritannien 1.985.000 Platten verkauft, weltweit waren es rund vier Millionen Exemplare.[5] Am 1. Juli 1978 erschien die Boney-M-LP Nightflight to Venus, auf der Rivers of Babylon enthalten ist.
Textgrundlage
Psalm 137 ist ein Klagelied, das nach der Eroberung Jerusalems durch den babylonischen König Nebukadnezar im Jahr 586 v. Chr. der Sehnsucht der Juden im Exil Ausdruck verleiht. Der Psalm ist von großer Bedeutung in der Geschichte der jüdischen Musik. Die Flüsse Babylons sind der Euphrat und seine Nebenflüsse sowie der Fluss Chabur.
Im Ganzen gesehen spiegelt Psalm 137 sowohl die nach der Verschleppung ins babylonische Exil aufgekommene Sehnsucht nach Jerusalem, aber auch den Hass auf die Babylonier, mit manchmal sehr gewalttätigen Bildern und Metaphorik. Die hasserfüllten letzten Verse des Psalms werden im Song der Melodians und auch in anderen Vertonungen weggelassen.
Das Alte Testament beschreibt in diesem Psalm die Versklavung der Hebräer, die der Eroberung Jerusalems durch die Babylonier im Jahre 586 vor Christus folgte. Die Melodians und andere Reggae-Interpreten verwandten die Begriffe „Babylon“ oder „Zion“ als Metapher zur Beschreibung der eigenen karibischen Lebensumstände. In Reggae-Songs sind oft biblische Inhalte verwendet worden (etwa bei Desmond Dekkers The Israelites). Die Rastas wiederum berufen sich häufig auf das Alte Testament[6]. Babylon steht als Metapher „für die gottlose abendländische Welt und deren Kultur, sowie noch spezieller für jene, die sie konkret durchsetzt – die Polizei“[7]. Hure Babylon war schon in historischer Zeit eine Allegorie auf übermächtige Gegner, dort konkret auf die Weltmacht Rom.
Die Zitate
Der Originaltext verwendet nur drei Verse, die tatsächlich aus dem Psalm stammen, diese werden jedoch mehrfach wiederholt.
Psalm 137,1 :
“By the rivers of Babylon, there we sat down
Yea, we wept, when we remembered Zion.
When the wicked
Carried us away in captivity
Requiring from us a song
Now how shall we sing the lord's song in a strange land?”
„An den Strömen von Babel setzten wir uns nieder
ja, wir weinten, wenn wir an Zion dachten
Als die Gottlosen
uns als Gefangene verschleppten
verlangten sie von uns Lieder
Aber wie sollten wir die Lieder des Herrn singen in einem fremden Land?“
Psalm 19,14 :
“Let the words of my mouth,
and the meditation of my heart,
be acceptable in thy sight,
here tonight.”
„Die Worte meines Mundes mögen dir gefallen;
was ich im Herzen erwäge,
stehe dir vor Augen,
hier an diesem Abend.“
Weitere Versionen
Es gibt viele Versionen des Titels.[8] Bekannte Interpretationen stammen unter anderen von The Busters, der Gruppe Sublime, Jimmy Cliff sowie von Sinéad O’Connor.
Auf 1977 datiert eine tschechische Version von Karel Gott ("Tam kde kdysi byl babylon")
1978 sang Bruce Low zur gleichen Melodie einen deutschsprachigen Text mit anderer Thematik. Seine Single Die Legende von Babylon erzählt die biblische Erzählung vom Turmbau zu Babel, deren historische Quelle wenigstens 1000 Jahre vor dem babylonischen Exil liegt. Die Single erreichte Platz 6 in den deutschen Singlecharts.[9] Der Sänger und Radiomoderator Uwe Arkuszewski brachte zu seiner Tournee 2004 eine Coverversion des Liedes heraus.
1978 präsentierte die britische Popgruppe The Barron Knights eine Parodie dieses Liedes, aus By the rivers of Babylon wurde There’s a dentist in Birmingham.[10] Deutsche Parodien sind Die Lende von Marion (Mike Krüger), Isch hab de Tripper vun de Marion sowie der Wiesn-Hit 2012 Mia ham a Fassl voll Bier dabei der Gruppe HoAß.[11]
Rivers of Babylon in der Version der Melodians ist im Soundtrack zum jamaikanischen Kinofilm The Harder They Come aus dem Jahr 1972 enthalten.
Einzelnachweise
- Chartquellen: DE AT CH UK US
- Uwe Ebbinghaus: An den Wassern von Babylon In: faz.net, 25. März 2021, abgerufen am 28. März 2021
- Steve Barrow/Peter Dalton, The Rough Guide To Reggae, 2004, S. 107
- Michael de Koningh/Laurence Kane-Honeysett, Young Gifted And Black: The Story of Trojan Records, 2003, S. 229
- Joseph Murrells, Million Selling Records, 1985, S. 452
- Andreas Hepp, Kult-Medien-Macht: Cultural Studies und Medienanalyse, 2008, S. 381
- Lloyd Bradley, Bass Culture: Der Siegeszug des Reggae, 2003, S. 69
- Rivers of Babylon bei Discogs
- Die Legende von Babylon bei offiziellecharts.de
- A Taste of Aggro – The Barron Knights bei YouTube
- Fassl voll Bier bei oktoberfest.bayern