Rittergut Guthmannshausen
Das Rittergut Guthmannshausen war ein Rittergut in Guthmannshausen im Landkreis Sömmerda in Thüringen. Das unter Denkmalschutz stehende[1] frühere Herrenhaus des Gutes galt als ein Wahrzeichen des Ortes und fiel im April 2021 einer Brandstiftung zum Opfer.
Geschichte des Gutes
1912 ließ der Kasseler Unternehmer Ernst Cönnich das Herrenhaus aus der Zeit um 1700 in neobarockem Stil modernisieren und erweitern. Im Inneren entstand eine repräsentative, 15 Meter hohe Halle mit Säulen und Kuppel.
Enteignung und Nutzung als Bildungszentrum
1945 erfolgte die entschädigungslose Enteignung des Gutes und des Herrenhauses. 1947 erfolgte im ehemaligen Herrenhaus die Einrichtung der landwirtschaftlichen Landesschule des Landes Thüringen. Damit blieb dem Objekt der Abriss im Zuge des SMAD-Befehl Nr. 209 erspart.
Nach dem Ende der DDR-Diktatur nutzte der Freistaat Thüringen das Objekt bis 2009 als Bildungseinrichtung der Thüringischen Agrar- und Umweltverwaltung.[1] Hierfür war es zunächst dem Thüringer Ministerium für Landwirtschaft und Forsten, später dem Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt zugeordnet und wurde noch im Jahr 2000 umfassend renoviert.[2]
Verkauf an den Verein Gedächtnisstätte e.V.
Im Mai 2011 verkaufte der Freistaat Thüringen die frühere Landwirtschaftsschule für 320.000 Euro an eine Frau aus Hessen, die es dem Verein Gedächtnisstätte e.V. überließ.[2][1] Der Verein Gedächtnisstätte e.V. wurde am 23. Mai 1992 in Vlotho gegründet und hat es sich laut seiner Satzung zum Ziel gesetzt eine „Gedächtnisstätte für die Opfer des zweiten Weltkrieges durch Bomben, Verschleppung, Vertreibung und Gefangenenlager“ zu schaffen. Die Gründer des Vereins stammen aus dem Umfeld des am 7. Mai 2008 verbotenen rechtsextremen Vereins Collegium Humanum, erste Vorsitzende wurde die mehrfach wegen Holocaustleugnung verurteilte Ursula Haverbeck.[3]
Der Verkauf des Herrenhauses löste ab September 2011 politische Proteste aus. Das für den Verkauf verantwortliche Finanzministerium des Freistaates Thüringen kündigte an, den Verkauf an die rechtsextreme Organisation zu überprüfen.[1] Die damalige Thüringer Landesregierung ließ mitteilen, dass sie erst nach der Übertragung des Eigentums Kenntnis erlangt habe, dass die Käuferin Mitglied des rechtsextremen, vom niedersächsischen Verfassungsschutz beobachteten[4] Vereins Gedächtnisstätte e.V. sei.[2] Ende April 2013 scheiterte das Land Thüringen vor dem Landgericht Erfurt mit einer Klage auf Rückabwicklung des Verkaufs.[5]
Unter dem Verein Gedächtnisstätte e.V. entwickelte sich die Tagungsstätte zu einem bundesweit genutzten Veranstaltungsort für Geschichtsrevisionisten, Holocaustleugner und Nationalsozialisten. Bei der ersten Veranstaltung im September 2011 trat Ursula Haverbeck auf.[6]
Im Garten des Herrenhauses weihte der Verein Anfang August 2014 seine Gedenkstätte für die zivilen deutschen Opfer des Zweiten Weltkrieges ein.[2] Auf zwölf im Kreis um einen Obelisk aus rötlichem Granit herum stehenden anthrazitfarbenen Granitwänden wird einzelnen deutschen Opfergruppen des Zweiten Weltkrieges mit Opferzahlen auf der Vorderseite und Gedenkworten auf der Rückseite gedacht.[7][8] Nichtdeutsche Opfer und Opfer des NS-Regimes werden hierbei ausgespart.[2]
Zerstörung durch Brandstiftung
In der Nacht vom 23. auf den 24. April 2021 wurde das Herrenhaus bei einem Brand, der mutmaßlich durch Brandstiftung ausgelöst wurde, schwer beschädigt.[9] Die weiteren Brandermittlungen bestätigten die schwere Brandstiftung. Da zeitgleich auch die Stelen der Gedenkstätte mit schwarzer Farbe verunreinigt wurden, besteht die Vermutung einer politisch motivierten Straftat.[10] Der Verein Gedächtnisstätte e.V. hat auf seiner Website den Wiederaufbau des Kulturdenkmals angekündigt.
Galerie
- Das Herrenhaus im Jahr 2012
- Das Herrenhaus, Rückseite (2012)
Weblinks
- Herrenhaus Guthmannshausen auf alleburgen.de
- Rundgang, Bilder vom Inneren und Äußeren des Gebäudes vor dem Brand sowie der umstrittenen Gedenkstätte
Einzelnachweise
- Thüringen verkauft Rittergut an Rechtsextreme Spiegel Online, 18. Oktober 2011, aufgerufen am 18. Juli 2021
- Die Gedächtnisstätte in Guthmannshausen auf endstation-rechts.de, aufgerufen am 18. Juli 2021
- Belltower.News: Gedächtnisstätte e.V.
- Matthias Popien: Streit um Sayn-Wittgenstein geht in eine neue Runde. In: Hamburger Abendblatt, 29. November 2018.
- Rechtsextremer Verein darf Rittergut weiter nutzen (Memento vom 28. April 2013 im Internet Archive) MDR Thüringen, 26. April 2013
- Gedächtnisstätte Guthmannshausen, aufgerufen am 18. Juli 2021
- Gedenkstätte Guthmannshausen auf denkmalprojekt.org, aufgerufen am 18. Juli 2021
- Drucksache 6/4034 Thüringer Landtag, Kleine Anfrage vom 8. Juni 2017, aufgerufen am 18. Juli 2021
- Guthmannshausen: Polizei ermittelt wegen Brandstiftung, mdr.de, aufgerufen am 26. April 2021
- Politisches Motiv bei Brand in Guthmannshausen möglich, sueddeutsche.de, 7. Mai 2021