Purdue Pharma
Purdue Pharma ist ein insolventes US-amerikanisches Unternehmen der pharmazeutischen Industrie mit Hauptsitz in Stamford. Das Unternehmen wurde 1892 von John Purdue Gray und George Frederick Bingham gegründet und befindet sich vollständig im Besitz der Erben von Mortimer und Raymond Sackler, die das Unternehmen 1952 übernahmen. Ebenfalls in Besitz der Sackler-Erben sind die Schwestergesellschaften Mundipharma in Deutschland und Napp Pharmaceuticals in Großbritannien.
Purdue Pharma L.P. | |
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Rechtsform | Limited Partnership |
Gründung | 1892 |
Sitz | Stamford, Connecticut, Vereinigte Staaten |
Leitung | Craig Landau (President und CEO)[1] |
Mitarbeiterzahl | 5000[2] |
Branche | Pharmazie |
Website | www.purduepharma.com |
Produkt Oxycontin
Das erfolgreichste Produkt des Unternehmens ist Oxycontin (Eigenschreibweise: OxyContin), ein Schmerzmedikament mit dem Wirkstoff Oxycodon. Oxycontin kam 1995 auf den Markt und zählte lange Zeit zu den umsatzstärksten Arzneimitteln der Welt.[3]
Seit 2018 verfügt Purdue Pharma über Patente für ein Medikament auf Oxycontin-Basis, das den Opiat-Entzug unterstützen soll.
Das Produkt wird als einer der Hauptauslöser der Opioid-Epidemie in den USA angesehen, da es von Purdue Pharma unter der Behauptung, es hätte ein sehr geringes Suchtpotenzial, sehr aggressiv beworben wurde. In einem TV-Werbesport des Unternehmens hieß es, weniger als ein Prozent aller Patienten würden abhängig werden, weshalb Oxycontin massiv, auch schon bei alltäglichen Schmerzen, eingesetzt wurde.[4][5] Tatsächlich liegt das Suchtpotenzial nicht unter dem anderer Opioide.
Rechtliche Auseinandersetzungen und Insolvenz
Im Jahr 2007 wurde Purdue zur Strafzahlung von 634,5 Millionen US-Dollar verurteilt wegen unzureichender Warnungen vor Suchtgefahren durch die Einnahme des Medikaments.[6]
Im Januar 2019 klagte als erster US-Bundesstaat Massachusetts in einem 275-seitigen Memo acht Mitglieder der Sackler-Familie an. Deren Entscheidungen hätten den Tod von rund 400.000 US-Bürgern mit herbeigeführt.[7][8] Derartige Klagen erhoben bis zum September 2019 nahezu alle US-Bundesstaaten sowie rund 2000 Kommunalverwaltungen. Unabhängig davon wurden Vertreter der Sackler-Familie von 17 Bundesstaaten angeklagt.
Laut dem Wall Street Journal bereitete Purdue bereits im März 2019 trotz wirtschaftlich stabiler Lage ohne Überschuldung oder Liquiditätsengpässe eine Insolvenz vor.[9] Damit würden laufende Klagen gestoppt und gebündelt vor Gericht verhandelt. Josh Shapiro, der als Generalstaatsanwalt von Pennsylvania als einer von vier Generalstaatsanwälten mit Purdue und den Sacklers verhandelte, sagte: „Ich denke, es handelt sich um eine Gruppe scheinheiliger Milliardäre, die logen und betrogen, um einen ansehnlichen Gewinn zu erzielen. Ich glaube wirklich, dass sie Blut an ihren Händen haben.“[10][11]
Die US-Großbank JPMorgan Chase und die Beratungsgesellschaft McKinsey & Company beendeten 2019 ihre Geschäftsbeziehungen mit Purdue, da sie hohe Ansehensverluste durch die Verbindung mit der Opioidkrise befürchteten.[12]
Am 27. August 2019 wurde bekannt, dass Purdue angesichts von 2000 Klagen zu einem Vergleich in Höhe von bis zu 12 Milliarden Dollar bereit wäre. Purdue müsste dazu Insolvenz nach Chapter 11 des US-Insolvenzrechts anmelden. Damit würde die Familie Sackler ihre Eigentümerschaft an Purdue Pharma aufgeben. Rund 3 Milliarden Dollar der Vergleichssumme soll die Familie Sackler privat aufbringen.[13][14]
Der Bundesstaat New York klagte Purdue Pharma, diverse Vertriebsgesellschaften und acht Mitglieder der Sackler-Familie Ende März 2019 wegen Betruges an: Hunderte Millionen Dollar wären aus dem Konzern über Offshore-Unternehmen auf Privatkonten der Familie geleitet worden, um sie vor dem Zugriff des Staates bei Schadensersatzansprüchen zu verbergen.[15] In diesem Zusammenhang entdeckte die New Yorker Staatsanwaltschaft im Herbst 2019, dass die Sackler-Familie mindestens 1 Mrd. US$ außer Landes geschafft hatte.[16] Das gesamte Vermögen der Sackler-Familie wurde durch Forbes auf 13 Milliarden Dollar geschätzt, diese Zahl wird jedoch durch die Familie zurückgewiesen.[17]
Am 16. September 2019 beantragte Purdue Pharma L.P. Insolvenz nach Chapter 11. Das Unternehmen soll in eine Stiftung der öffentlichen Hand überführt werden.[18] Entgegen vorheriger Spekulationen um eine Vergleichssumme in Höhe von 12 Milliarden Dollar zur Abgeltung der Schadenersatzforderungen wurde ein Vergleichsbetrag von mehr als 10 Milliarden Dollar festgelegt[19], davon 4 Milliarden von der Eignerfamilie.[20] Der Vergleich und somit der Schutz der Eignerfamilie vor Klagen wurde in zweiter Instanz aufgehoben.[21]
Vor einem US-Bundesgericht bekannte sich Purdue im November 2020 schuldig, gegen mehrere Bundesgesetze verstoßen zu haben. Unter anderem gestand das Unternehmen die Verschwörung zum Betrug ein.[22]
Klagen von US-Bundesstaaten
Amerikanische Bundesstaaten machen Schäden in Höhe von 2,2 Billionen Dollar gegenüber dem Pharmakonzern Purdue Pharma geltend, den sie für die Opioid-Krise in den Vereinigten Staaten hauptverantwortlich machen. Reuters habe dies unter Berufungen auf Gerichtsdokumente gemeldet, berichtete die FAZ Mitte August 2020. Laut Wall Street Journal verlangen Bundesstaaten ebenso von Pharmahändlern Schadensersatz in Höhe von 26 Milliarden Dollar. Ihnen werde vorgehalten, dass sie auffällige Bestellmuster nicht den Behörden gemeldet haben. In einigen Verkaufsbezirken schnellten Bestellungen nach oben, was ein Indiz für illegale Geschäfte und Verschreibungspraktiken durch kriminelle Ärzte ist.[23]
Literatur
- Patrick Radden Keefe: Empire of Pain: The Secret History of the Sackler Dynasty. Random House, New York 2021, ISBN 978-0-385-54774-1.
Einzelnachweise
- Purdue Pharma: Dr. Craig Landau Appointed President and CEO Purdue Pharma L.P., abgerufen am 2. August 2018.
- Purdue Pharma: Global pharmaceutical distribution capabilities - Partner with Purdue Pharma L.P., abgerufen am 2. August 2018.
- The New Yorker: The Family That Built an Empire of Pain, abgerufen am 12. März 2019.
- The Four-Sentence Letter Behind the Rise of Oxycontin | Center of Alcohol & Substance Use Studies. Abgerufen am 1. Dezember 2021 (englisch).
- Das Mittel hinter Amerikas Schmerz. Neue Zürcher Zeitung, 10. März 2018, abgerufen am 1. Dezember 2021.
- Reuters: Purdue Frederick pleads guilty in OxyContin case, abgerufen am 2. August 2018.
- First Amended Complaint and Jury Demand, Commonwealth of Massachusetts v Purdue Pharma L.P et al. vom 31. Januar 2019, abgerufen am 18. Februar 2019.
- Pharma-Dynastie Sackler - Der Drogen-Clan. Spiegel Online vom 18. Februar 2019, abgerufen am 18. Februar 2019.
- Handelsblatt: Opioid-Hersteller Purdue bereitet offenbar Insolvenz vor, abgerufen am 7. März 2019.
- Geoff Mulvihill Mark Gillispie, ASSOCIATED PRESS: Email: Opioid talks fail, Purdue bankruptcy filing expected, abgerufen am 9. September 2019.
- focus.de: Droge verharmlost: Mehr als 1600 Klagen zwingen US-Pharmariesen in die Knie, abgerufen am 7. März 2019.
- faz.net: McKinsey berät Purdue nicht länger, abgerufen am 25. Mai 2019.
- USA Today: OxyContin maker Purdue Pharma reportedly offering opioid settlement up to $12B, abgerufen am 28. August 2019.
- New York Times: Sacklers Would Give Up Ownership of Purdue Pharma Under Settlement Proposal, abgerufen am 28. August 2019.
- New York Times: Roni Caryn Rabin: "New York Sues Sackler Family Members and Drug Distributors", vom 28. März 2019, abgerufen am 14. September 2019.
- New York Times: New York Uncovers $1 Billion in Sackler Family Wire Transfers, abgerufen am 14. September 2019.
- faz.net: Eigentümerfamilie von Opioidkonzern überwies Geld in die Schweiz. Abgerufen am 14. September 2019.
- restructuring.primeclerk.com: Purdue Pharma L.P. (19-23649), abgerufen am 16. September 2019.
- faz.net: Pharmakonzern Purdue beantragt Insolvenz, abgerufen am 16. September 2019.
- Purdue Pharma Introduces $ 10 Billion Opioid Liquidation Plan to Exit Bankruptcy. Digis Mak, 16. März 2021.
- Rob Frehse und Evan Simko-Bednarski: Federal judge rejects Purdue Pharma's settlement of opioid lawsuits over legal protections for members of Sackler family. CNN, 17. Dezember 2021.
- faz.net: Konzern Purdue Pharma gesteht Schuld ein, abgerufen am 26. November 2020.
- Winand von Petersdorff-Campen: Große Forderungen in Opioid-Krise. FAZ, 19. August 2020 (FAZ.NET)