Piotr Szczęsny
Piotr Szczęsny (* 1963 in Białystok; † 29. Oktober 2017 in Warschau) war ein polnischer Chemiker und Mitglied der polnischen Mensa-Gesellschaft. Er studierte Chemie an der Jagellonen-Universität und wurde Mitglied des Unabhängigen Studentenverbandes. Er war in den 1980er Jahren im Gewerkschaftsbund „Solidarność“ tätig.
Nach dem Studium blieb er als Assistent an der Universität, begann seine Doktorarbeit. Nach 1989 verließ er die Universität und wurde Mitbegründer einer Verlagsanstalt, die Handbücher über Chemie herausgab. Zehn Jahre lang bekleidete er den Posten des Vorsitzenden einer Gesellschaft für berufliche Weiterbildung. Er war als Berater in Businessfragen tätig. 2016 schloss er seine Firma.
Er verbrannte sich selbst zum Zeichen politischen Protests. Piotr Szczęsny verteilte am 19. Oktober 2017 ab 16:00 Uhr auf dem Platz vor dem Warschauer Kulturpalast selbstverfasste Flugblätter mit fünfzehn Kritikpunkten an der nationalkonservativen PiS-Regierung. Der Text auf den Flugblättern war in präziser Sprache verfasst und frei von Schimpfwörtern. Szczęsny warf der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unter anderem vor, Bürgerrechte einzuschränken, die Verfassung zu brechen und die unabhängige Justiz zu zerstören.[1]
Dann übergoss sich Szczęsny mit einer brennbaren Flüssigkeit und setzte sich selbst in Flammen. Er starb zehn Tage später im Krankenhaus.
Die liberale Stadtratsabgeordnete Paulina Piechna-Wieckiewicz sah Szczęsny brennen, als sie aus einer Sitzung kam. Mehrere Menschen versuchten ihn zu löschen. Die Abgeordnete veröffentlichte unmittelbar nach der Tat das Flugblatt Szczęsnys auf Twitter.[2] Am Ort des Geschehens trafen sich an den folgenden Tagen Hunderte Menschen. Jemand sprühte „To było tutaj. 19.10.2017” (deutsch: „Es war hier. 19. Oktober 2017“) neben die Stelle. Das Graffito wurde am nächsten Tag entfernt, dann aber wieder von Passanten erneuert. Das ging mehrmals hin und her, bis die Polizei Strafmandate verteilte. Einige Tage später wurden es immer mehr Inschriften und sogar eine offiziell aussehende Plakette. Aktivisten verbreiteten Kopien des Flugblatts Szczęsnys und stellten hunderte Kerzen auf.[3]
Szczęsny war an keiner politischen Aktion der polnischen Opposition beteiligt. Er wohnte in Niepołomice, einer Kleinstadt im südlichen Polen. Der hochintelligente Mann war Vater zweier erwachsener Kinder, die mit ihren Doktorarbeiten beschäftigt waren. Seine Ehefrau ist Pharmazeutin. Wie er selbst in seinem Flugblatt schrieb und was auch von seiner Familie bestätigt wurde litt er mehrere Jahre unter Depressionen und war in psychiatrischer Behandlung.
In der polnischen Presse, die seinem Fall viel Aufmerksamkeit schenkte, wurde er bis zum 2. November 2017 nur „Piotr S.“ genannt. Erst danach wurde sein Familienname bekanntgegeben. Seine Selbstverbrennung löste eine breite Debatte in der polnischen Öffentlichkeit aus.[4][5]
Piotr Szczęsny steht in einer Tradition von Selbstverbrennungen als politischem Protest wie zum Beispiel von Hartmut Gründler, Oskar Brüsewitz, Jan Palach, Thích Quảng Đức, Jan Zajíc oder Ryszard Siwiec.
Piotr Szczęsny wurde am 14. November 2017 auf dem Krakauer Salwator-Friedhof in Anwesenheit hunderter Trauergäste aus ganz Polen bestattet. Die Trauerreden hielten der Theologe Adam Boniecki und der Weihbischof Tadeusz Pieronek.
Am 19. Oktober 2018 abends versammelten sich vor dem Kulturpalast viele Warschauer, um der Tat Piotr Szczęsnys zu gedenken.
Einzelnachweise
- koe/AFP: Warschau: Pole zündet sich aus Protest gegen Regierung an. In: Spiegel Online. 20. Oktober 2017, abgerufen am 4. November 2017.
- Paulina Piechna-Wieckiewicz: To list, który napisał Pan, który się podpalił dzisiaj pod PKiN,w nagraniu prosił żeby go rozpowszechniać tak też z @TomaszSybilski czynimy. In: twitter.com. 19. Oktober 2017, abgerufen am 4. November 2017 (polnisch).
- Sandra Wilk: Po śmierci Szarego Człowieka przed PKiN nie gasną znicze. In: polityka.pl. 1. November 2017, abgerufen am 4. November 2017 (polnisch).
- Polen - Aktivisten protestieren nach Selbstverbrennung eines Mannes. In: Deutschlandfunk. (deutschlandfunk.de [abgerufen am 5. November 2017]).
- Marcin Wójcik: 'Usłyszcie mój krzyk'. O Piotrze S., który podpalił się pod Pałacem Kultury. In: wyborcza.pl. 30. Oktober 2017, abgerufen am 4. November 2017 (polnisch).
Weblinks
- Selbstverbrennung als Protest? Die Tagesschau 20. Oktober 2017
- „Ich liebe die Freiheit, deshalb habe ich mich verbrannt“ Die Welt 30. Oktober 2017
- Bildnis Piotr Szczęsny