Philippe Henri de Girard

Philippe Henri d​e Girard (* 1. Februar 1775 i​n Lourmarin, Département Vaucluse; † 26. August 1845 i​n Paris) w​ar ein französischer Techniker.

Philippe Henri de Girard, porträtiert von Henry Scheffer
Denkmal des Philippe de Girard in Żyrardów

Er entstammt e​iner wohlhabenden Adelsfamilie u​nd bekam e​ine gute Schulbildung. Während d​er Französischen Revolution w​ar die Familie d​ann aber gezwungen Frankreich z​u verlassen. Um Geld z​u verdienen versuchte s​ich Girard i​n verschiedensten Berufen. Er w​ar Maler a​uf der Insel Mahon, Seifenfabrikant i​n Livorno, Fabrikant chemischer Produkte i​n Marseille s​owie Lehrer für Geschichte u​nd Naturwissenschaft i​n Nizza u​nd Montpellier. Unter Napoleon Bonaparte kehrte e​r dann n​ach Paris zurück.

Als der Kaiser am 7. Mai 1810 einen Preis von einer Million Francs (der nie gezahlt worden ist) für die Erfindung einer Flachsspinnmaschine aussetzte, um ein Konkurrenzprodukt zu der englischen Baumwolle zu binden. Denn die Kontinentalsperre hatte auf dem europäischen Kontinent drastische Folgen für die Produktion von Stoffen. So bemühte sich auch Girard um die Konstruktion einer solchen und wurde durch seine am 8. Juli 1810 in Frankreich patentierte und beständig verbesserte Maschine der Begründer der mechanischen Flachsspinnerei, da die späteren einschlagenden Erfindungen nur Fortschritte auf dem von ihm angebahnten und praktisch verfolgten Weg sind. Das Ende der Napoleonischen Herrschaft im Jahr 1814 bedeutete nicht nur, dass der Preis nicht ausgezahlt wurde, sondern dass Girard mit vielen Schulden da stand. 1815 nutzte er daher das Angebot der österreichischen Regierung bei Hirtenberg eine Fabrik zu errichten. Im Jahr 1819 arbeiteten dort 20 Maschinen aber die Sache wurde keine finanzieller Erfolg, denn auch die Engländer verbesserten ihre Web- und Spinnmaschinen stetig. Mehr Erfolg hatte 1837 Johann Faltis, der verbesserte Maschinen in Böhmen einführte. Ganz nebenbei sorgte er mit einer Erfindung zur Flussregulierung dazu, dass der Ort Hirtenberg eine automatische Schleuse erhielt und so vor Überschwemmungen geschützt war.

1817 versuchte e​r nochmal d​as Geld für s​eine Flachsmaschine i​n Frankreich z​u bekommen, a​ber vergeblich. Er wandte s​ich nach England, w​o er a​ls Franzose a​ber keine wirkliche Chance hatte. Auch w​ar bereits 1814 e​in Patent für e​ine derartige Maschine a​n einen Horace Hall. Nach Grothe basiert d​ie Erfindung a​uf Kopien v​on Geräten d​ie zwei Werksleiter Girards i​m Jahr 1814 heimlich n​ach England verkauft hatten. Stattdessen versuchte Girard s​ich als Textilfabrikant i​n Lille, g​ing aber i​n der Wirtschaftskrise n​ach 1815 bankrott.

Ungeachtet des finanziellen Misserfolges in Österreich war er ein brillanter Ingenieur und so holte ihn die russischen Regierung 1825 nach Warschau. Er arbeitete im polnischen Bergbau, im Wasserbau und trieb die Zuckerproduktion voran und auch die Flachsspinnerei. Zunächst mit dem Geld des Grafen Heinrich Lubomirski baute er eine Fabrik auf. Da die Fabrik wenig Ertrag lieferte, verkaufte der Graf sie, bis sie schließlich bei der Bank von Polen landete. Die verkaufte die Fabrik 1857 an die böhmische Firma Hille und Dietrich aus Schönlind. Diese modernisierten die Anlage und machten aus ihr eine Firma in der um 1872 bereits 3000 Menschen arbeiteten. Aber Girard war nicht vergessen, ihm zu ehren wurde bereits 1827 der kleine Ort Ruda Guzowska wo Lubomirski die Fabrik errichtete in Żyrardów (dt.: Girardowe) – der polnischen Version des französischen Namens Girard – umbenannt. Girard selber war inzwischen Chef des polnischen Bergwesens geworden.

Im Jahr 1842 wurde seine Anrechte von der Societe d'Encouragement pour l'industrie nationale anerkannt. Es sympathisierte mit den Revolutionären in Polen. Er wurde angeklagt, Waffen geliefert zu haben und nur seine Verdienste um den polnischen Bergbau verhinderten, dass er nach Sibirien verbannt wurde.[1] Daher kehrte er im Jahr 1844 nochmal nach Frankreich zurück. Wo ihn Comtesse de Vernede de Corneillan, eine Enkelin des verstorbenen Bruders, aufnahm. Er versuchte noch einmal vergeblich sein Preisgeld zu erhalten und starb am 26. August 1845 in Paris. Erst im Jahr 1853 kannte die Nationalversammlung seinen Anspruch an und seine zwei noch lebenden Erben erhielten jeweils eine Rente von 6000 Franc.[2]

Er erfand außerdem ein achromatisches Fernrohr, worin das Glas durch eine Flüssigkeit ersetzt wurde. Bereits 1806 zeigte er auf der Pariser Ausstellung eine rotierende Dampfmaschine und 1813 eine Dampfkanone. Früher als Jacob Perkins, der es 1824 vorführte. Außerdem erfand er den Röhrenkessel für Dampfmaschinen.

Während seines Aufenthalts in Österreich konstruierte er ein Musikinstrument Namens Tremolophon[3]. In Warschau baute er Chronothermometer, das an der Fassade der Bank angebracht wurde.[1] Ferner ein hydraulisches Rad sowie einen Apparat zur Gewinnung und Abdampfung des Runkelrübensaftes einen anderen um sphärische Körper mit großer Genauigkeit in Rotation zu versetzen noch einen anderen zur Erhitzen der Luft in Hochöfen und noch einiges mehr.

Literatur

  • J. C. Poggendorffs biographisch-literarisches Handwörterbuch für mathematik, astronomie, physik mit geophysik, chemie, kristallographie und verwandte wissensgebiete, Band A–L, 1863, S.904
  • Allgemeine deutsche polytechnische Zeitung, Band 1, 1873, S.181f
  • Hermann Grothe: Philippe de Girard: Erfinder der Mechanischen Flachsspinnerei, Springer, 1863, Digitalisat

Einzelnachweise

  1. Ernestine von L., König Jérôme und seine Familie im Exil, S.321 (Teilansicht)
  2. Memoires de la Societe d'emulation de Cambrai. (Avec planches.), Band 22;Band 25, S.14
  3. Ost und West, Blätter für Kunst, Literatur und geselliges Leben, 1845, S.612
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