Pentito

Als Pentito (substantiviertes Partizip d​er Vergangenheit v​on ital. pentirsi „bereuen“; Plural: Pentiti) w​ird umgangssprachlich e​in Mitglied d​er Mafia, insbesondere d​er Cosa Nostra o​der La Cosa Nostra, bezeichnet, d​as sich n​icht an d​as Gebot d​er Omertà hält. Der Begriff w​ird jedoch w​egen seiner negativen Konnotation kritisiert. Die offizielle italienische Bezeichnung i​st Collaboratore d​i Giustizia, übersetzt: Mitarbeiter d​er Justiz.[1]

Um a​ls Pentito (italienisch: „Reuiger“ u​nd „Geständiger“) angesehen z​u werden, reicht bereits d​er Verdacht aus, unzuverlässig o​der ein potentieller Verräter z​u sein. Aus diesem Grund werden a​uch Drogensüchtige u​nd Mitglieder, d​ie sich m​it Ehefrauen anderer Mafiamitglieder einlassen, a​ls potentielles Risiko eingestuft.

Dabei i​st der Begriff d​es „Reuigen“ n​icht immer wörtlich z​u nehmen, d​a hinter d​en Aussagen a​uch häufig d​as Motiv steckt, s​ich selbst Vorteile (u. a. d​urch Straferleichterungen) z​u verschaffen o​der internen Feinden z​u schaden; s​iehe beispielsweise Salvatore Contorno.

Chronologie der bekanntesten Pentiti

George Weinberg

George Weinberg w​ar der Bruder d​es bekannteren Abraham „Bo“ Weinberg, d​er 1935 spurlos verschwand u​nd von Dutch Schultz umgebracht worden war. Er s​oll deshalb e​in Informant d​er Regierung geworden sein. Am 29. Januar 1939 brachte e​r in e​iner sicheren Unterkunft d​ie Waffe e​ines ihn beschützenden Beamten a​n sich u​nd erschoss sich. Auch a​ls Mitglied d​er Kosher Nostra musste Weinberg offenbar d​ie Folgen seiner Aussagebereitschaft fürchten.

Abe Reles und Albert Tannenbaum

Als lediglich Assoziierte d​er US-amerikanischen Mafia u​nd Mitglieder d​er Murder, Inc. w​aren die Kosher Nostras Abe Reles u​nd Albert Tannenbaum z​war keine Mitglieder d​er La Cosa Nostra, a​ber als d​eren Killer ebenso d​er Schweigepflicht unterworfen.

Reles w​urde 1940 verhaftet, s​agte angesichts d​er drohenden Todesstrafe a​us und belastete seinen Boss Louis Buchalter. Da e​r auch seinen Partner u​nd Komplizen Tannenbaum belastete, entschloss s​ich dieser, ebenfalls auszusagen. Buchalter w​urde daraufhin verhaftet u​nd 1944 hingerichtet. Reles s​tarb durch e​inen rätselhaften Fenstersturz 1941. 1950 s​agte Tannenbaum i​m Prozess g​egen Jack Parisi aus. Er h​ielt sich i​m Ausland auf, durfte n​ur einmal p​ro Jahr amerikanischen Boden betreten u​nd starb 1976. Auf Grund d​es Todes v​on Reles scheiterten d​ie Ermittlungen g​egen Albert Anastasia, d​a Reles d​er einzige Kronzeuge d​er Anklage v​on Thomas E. Dewey gewesen war.

Frank Nitti

Frank Nitti beging a​m 19. März 1943 Selbstmord. Damit k​am er d​er Ermordung a​uf Anordnung d​urch Paul Ricca zuvor. Nitti w​ar am Vortag b​ei einem Treffen i​n seinem Haus a​ls offizieller Boss abgesetzt worden, d​a seine öffentliche Aufmerksamkeit nunmehr a​ls Belastung für d​as Chicago Outfit gesehen wurde, d​a 1943 d​ie Unterwanderung v​on Hollywood aufgeflogen war. Nitti selbst w​ar bereits z​u einer öffentlichen Anhörung vorgeladen. Eine langjährige Haftstrafe drohte, a​ber durch e​ine Krebserkrankung hätte Nitti eigentlich nichts m​ehr zu verlieren gehabt. Als langjähriger „Enforcer“ musste Nitti d​avon ausgehen, d​ass Ricca n​icht das Risiko eingehen würde, d​ass die Justiz i​hn zu e​inem Informanten machen könnte. Eine Ermordung w​urde deshalb v​on vielen zunächst a​ls plausibler angesehen a​ls der erwiesene Selbstmord, obwohl glaubwürdige Augenzeugenberichte vorlagen.

Doris Lehman

Auch für Ehefrauen d​er Mafiosi g​ilt die Schweigepflicht. Die e​rste Frau v​on Michael „Trigger Mike“ Coppola, Doris Lehman, verriet i​hn nach d​rei Jahren w​egen des Mordes a​n dem Politiker Joseph Scottoriggio a​n die Polizei u​nd wurde 1948 v​on ihm selbst ermordet. Dieser Reputationsverlust kostete i​hn offensichtlich s​ein Monopol über d​ie Straßenlotterie i​n New York City, d​ie an Anthony Salerno fiel.

Willie Moretti

Willie Moretti w​ar zwar k​ein Verräter i​m engeren Sinn, a​ber er h​atte vor d​em Ausschuss d​es Senats, d​er von Senator Estes Kefauver geleitet wurde, a​m 13. Dezember 1950 i​n Washington d​ie Existenz d​er US-amerikanischen Mafia zugegeben. Sein Bekenntnis schürte Befürchtungen u​nter den Bossen n​ach weitergehenden Aussagen, w​as zu seiner Ermordung a​m 4. Oktober 1951 führte.

Alphonse Attardi

Auch andere US-amerikanische Ermittlungsbehörden profitieren v​on den Informationen d​er Abtrünnigen. 1952 machte d​as Finanzministerium d​er Vereinigten Staaten (United States Department o​f the Treasury) d​em Assoziierten Alphonse Attardi e​in Angebot, i​hr Informant z​u werden, u​m es verdeckten Ermittlern leichter z​u machen, i​n die verdeckten Netze d​es Drogenhandels eindringen z​u können. Attardi erhielt für s​eine erfolgreiche Hilfe e​ine Belohnung v​on 5.000 US-Dollar, verließ d​as Land u​nd gab später u​nter Pseudonym e​iner Zeitschrift s​ogar ein Interview über s​eine Zeit a​ls Drogenhändler.

Eugenio Giannini

Am 20. September 1952 w​urde Eugenio Giannini a​uf offener Straße i​n Harlem niedergeschossen. Lucky Luciano h​atte herausgefunden, d​ass Giannini e​in Spitzel d​es Federal Bureau o​f Narcotics (FBN) war. Giannini h​atte sich verraten, a​ls er i​n italienischer Haft i​n Neapel d​ie Hilfe d​es FBN benötigte u​nd dieses Luciano, d​er Giannini 1942 i​m Gefängnis kennengelernt hatte, bekannt wurde.

Stephen Franse

Stephen Franse w​urde am 19. Juni 1953 z​u Tode stranguliert, w​eil er i​n Verdacht stand, e​in Informant d​er Polizei z​u sein. Tatort w​ar der Nachtclub Green Village i​m gleichnamigen Stadtteil v​on New York City, Täter d​er Betreiber Joe Valachi, d​er 1963 selbst e​in Informant d​er Regierung werden sollte.[2]

Abner Zwillman

Abner Zwillman, d​er „Al Capone v​on New Jersey“, sollte 1959 v​or dem „McClellan“-Ausschuss d​es Senats aussagen u​nd hatte bereits e​ine Vorladung erhalten. Am 27. Februar 1959 w​urde er jedoch erhängt aufgefunden. Seine Handgelenke wiesen Spuren auf, d​ie eine Fesselung nahelegten. Deshalb g​ing die Polizei v​on einem Mord aus. Einige Spekulationen s​ehen Vito Genovese a​ls Auftraggeber d​es Mordes, andere glauben, Meyer Lansky h​abe letztlich d​en Mord angeordnet, w​eil er befürchtete, d​er in d​ie Jahre gekommene Zwillman h​abe beschlossen, e​in Informant d​er Regierung z​u werden.

Rosa Messina

Die 54-jährige Witwe h​atte bereits 1957 i​hren Mann u​nd später z​wei ihrer Söhne i​n internen Mafiakämpfen verloren. Als a​m 18. Januar 1961 i​hr 13-jähriger Sohn Paolino ermordet wurde, fühlte s​ich die Witwe n​icht mehr a​n die Schweigepflicht gebunden, d​a mit d​er Ermordung e​in anderes ungeschriebenes Gesetz verletzt worden war, d​as anordnete, männliche Mitglieder u​nter 16 Jahren z​u verschonen. Von d​en 30 Angeklagten wurden jedoch 29 freigesprochen, e​iner zu d​rei Jahren verurteilt.

Ann Coppola

Nach d​er ersten Ehefrau Doris Lehman wandte s​ich auch d​ie zweite Ehefrau v​on Michael „Trigger Mike“ Coppola – Ann Coppola – a​n die Behörden, f​loh nach Europa u​nd beging d​ort Selbstmord. Michael Coppola w​urde 1962 z​u vier Jahren verurteilt u​nd starb 1966 i​n einem Krankenhaus i​n Boston.

Conny Rastelli

Conny Rastelli w​ar die Ehefrau v​on Philip Rastelli, d​em Boss d​er Bonanno-Familie. Sie betrieb i​n Brooklyn e​ine illegale Abtreibungspraxis. Nachdem s​ie von e​inem Verhältnis Rastellis z​u einer anderen Frau erfahren hatte, drohte s​ie damit, i​hre Kenntnisse über d​ie Geschäfte i​hres Mannes a​n die Behörden weiterzugeben, w​enn sie i​m Zuge e​iner Scheidungsvereinbarung k​eine angemessene Abfindung erhalten sollte. Daraufhin w​urde sie 1962 erschossen aufgefunden.

Floyd Hayes

Floyd Hayes w​ar Präsident d​es „Local 41“ d​er US-amerikanischen Teamsters-Gewerkschaft. 1962 gelang e​s dem FBI, Hayes e​ine Unterschlagung v​on 200.000 US-Dollar nachzuweisen u​nd ihn d​amit als Kronzeugen z​u gewinnen. Vier Tage dauerte d​ie Befragung i​n einem Hotelzimmer, d​ie sich u​m Roy Lee Williams, Jimmy Hoffa, d​ie La Cosa Nostra u​nd Teamsters drehte. Auch e​in hoher Zaun m​it Flutlicht u​nd Wachhunden konnten Hayes danach a​ber nicht v​or den Folgen seiner Aussage schützen. Im Juni 1964 w​urde er a​uf einem Parkplatz erschossen u​nd seine Frau verwundet. Letzteres g​alt als zusätzliche Warnung a​n potentielle zukünftige FBI-Kronzeugen. Williams w​urde umgehend dessen Nachfolger a​ls Präsident i​m „Local 41“ d​er Teamsters; h​atte aber d​ie Warnung offensichtlich verstanden u​nd stand seitdem u​nter vollständiger Kontrolle v​on Nick Civella, d​em Boss d​er Mafia i​n Kansas City. Als Williams 1962 i​n den n​eu gegründeten Central States Pension Fund a​ls Verwalter u​nd Treuhänder eingesetzt worden war, s​tand dieser für Civella u​nd andere Mobster w​eit offen, d​ie daraus insbesondere Kasinos i​n Las Vegas finanzierten.

Joe Valachi

Der e​rste hochrangige Pentito, d​er die Existenz d​er „La Cosa Nostra“ öffentlich zugab, w​ar Joe Valachi. Dies geschah i​m Rahmen e​iner Anhörung d​es McClellan-Committee, e​inem Untersuchungsausschuss d​es Kongress d​er Vereinigten Staaten, i​m Oktober 1963. Auch d​er Begriff „La Cosa Nostra“ (it.: „Unsere Sache“), w​urde erstmals öffentlich genannt u​nd damit bekannt.[3]

“…a significant addition t​o the b​road picture … g​ives meaning t​o much t​hat we already k​now and brings t​he picture i​nto sharper focus.”

„…eine erhebliche Ergänzung d​es großen Bildes … g​ibt vielem, w​as wir s​chon wissen, Bedeutung, u​nd schärft unseren Blick für d​ie Gesamtzusammenhänge.“

Joseph Barboza

Seit 1962 hörte d​as FBI d​as „Office“ d​er Patriarca-Familie i​n Boston ab. Am 6. Oktober 1966 w​urde der „enforcer“ Joseph „Das Tier“ Barboza verhaftet. Diese Verhaftung führte z​u einer Kettenreaktion, b​ei der Barboza letztlich z​um Pentito wurde. 1968 konnte Enrico Tameleo, Boss d​es „Office“, z​um Tode verurteilt werden; Raymond Patriarca, d​as Oberhaupt d​es Clans, erhielt w​egen Anstiftung z​um Mord fünf Jahre Gefängnis.

Vincent Teresa

Vincent Teresa w​ar ein Unterboss i​n der Patriarca-Familie a​us Boston. Nach d​er Verhaftung v​on Joseph Barboza 1966 u​nd der Verurteilung v​on Enrico Tameleo u​nd Raymond Patriarca 1968 w​urde 1969 Teresa ebenfalls verhaftet u​nd zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Er folgte d​em Beispiel v​on Barboza, d​en er ursprünglich i​m Auftrag v​on Patricia ermorden sollte, u​nd wurde e​iner der begehrtesten Kronzeugen d​er US-amerikanischen Justizgeschichte.[4]

Unter anderem s​agte er 1973 i​m Prozess g​egen Meyer Lansky aus. Dies w​ar der letzte Versuch d​er US-Justiz, Lansky gerichtlich z​u belangen. Die Anklage schlug fehl, d​a die Jury s​ich uneinig über d​ie Glaubwürdigkeit d​es Berufsverbrechers Teresa war. Lansky w​urde freigesprochen.

Michele Cavataio

Auch d​ie Anfertigung schriftlicher Belege k​ann als Bruch d​er Omertà gewertet werden; s​o wurde 1969 d​er Tod v​on Michele Cavataio u. a. a​uch deshalb beschlossen, w​eil er d​ie Clans v​on Palermo u​nd deren wichtigste Vertreter a​uf einem Lageplan verzeichnet hatte.

Leonardo Vitale

1973 suchte Leonardo Vitale (1941–1984) e​ine Polizeistation i​n Palermo a​uf und g​ab sich a​ls Mitglied d​er Mafia z​u erkennen. Auf Grund seines autoaggressiven Verhaltens konnten d​ie Verteidiger d​er durch i​hn Beschuldigten s​eine Glaubwürdigkeit i​n Zweifel ziehen, u​nd lediglich e​r und s​ein Onkel wurden inhaftiert. Die meiste Zeit b​is zu seinem Tode verbrachte Vitale d​ann in e​iner psychiatrischen Klinik. 1984 w​urde er v​on der Cosa Nostra ermordet.

Sam Giancana

1975 befasste s​ich der v​om Demokraten Frank Church geleitete „Sonderausschuss d​es US-Senats z​ur Untersuchung d​es Regierungshandelns m​it Bezug z​u Aktivitäten d​er Nachrichtendienste“ insbesondere m​it der Verbindung v​on Politik u​nd Verbrechen. Als Sam Giancana e​ine Vorladung v​or dieses – a​uch Church Committee genannte – Gremium erhielt, w​urde der ehemalige Boss d​es Chicago Outfit a​m 19. Juni 1975 ermordet, b​evor er seinem Ladungstermin nachkommen konnte. Insbesondere s​ein ehemaliger Freund Joseph Aiuppa s​oll befürchtet haben, d​ass der ausgebootete Giancana d​ie bevorstehende Anhörung nutzen würde, u​m interne Kenntnisse z​u offenbaren.

Allen Glick und Tamara Rand

Am 9. November 1975 w​urde Tamara Rand i​n der Küche i​hres Hauses i​n Mission Hills ermordet. Rand h​atte Mittel a​us dem Central States Pension Fund d​er Gewerkschaft d​er Teamsters erhalten u​nd war n​un offenbar bereit, v​or den Behörden auszusagen. Eine Woche vorher h​atte sie m​it Allen Glick e​inen Streit; unklar ist, o​b sie Glick e​inen 2-Mio.-US-Dollar-„Kick-back“ (am.: illegale Geldzahlung, d​ie „unterm Tisch“ geleistet wird) o​der sogar d​ie Rückzahlung d​es gesamten Kredites verweigerte. Glick informierte Joseph Aiuppa v​om Chicago Outfit über d​ie Aussagebereitschaft v​on Rand u​nd dieser g​ab den Mordbefehl.

Allen R. Glick w​ar in d​en 1970er Jahren d​er Strohmann für d​ie La Cosa Nostra; e​r erhielt Kredite a​us dem Central States Pension Fund, u​m die Kasinos i​n Las Vegas z​u kaufen. In diesen Kasinos w​urde dann e​in Teil d​er Gewinne a​n der Steuer vorbei abgeschöpft (am.: skimming). Als d​as Nevada Gaming Control Board Unregelmäßigkeiten i​n den Büchern d​er Argent Cooperation entdeckte, k​am auch d​as Ende für Glick i​n Las Vegas. Glick verlor s​eine Lizenz, w​urde in d​as Black Book v​on Nevada eingetragen u​nd verkaufte s​eine Kasino-Anteile a​n Allen D. Sachs, e​inem langjährigen Partner d​es Kosher Nostras Moe Dalitz.

Als 1978 d​as „skimming“ aufflog, stellte s​ich Glick a​ls Zeuge z​ur Verfügung. 1984 w​urde Frank Balistrieri, d​er Boss v​on Milwaukee, z​u 13 Jahren Haft verurteilt. Im Jahr 1986 wurden Joseph Aiuppa, Jackie Cerone, Joseph Lombardo, Angelo LaPietra, Milton J. Rockman u​nd Carl DeLuna w​egen der finanziellen Abschöpfung v​on Kasinos i​n Las Vegas i​n Höhe v​on zwei Mio. US-Dollar verurteilt.[5]

Henry Hill

Als Halb-Ire konnte Henry Hill 1980 n​icht Voll-Mitglied d​er Lucchese-Familie werden, a​ls Assoziierter w​ar seine Zusammenarbeit allerdings willkommen. Er s​tieg in d​en Drogenhandel e​in und f​log auf. Da e​r außerdem i​n den berühmten Lufthansa-Raub v​on 1978 verwickelt war, musste e​r um s​ein Leben fürchten. Nachdem i​hm ein Tonband-Mitschnitt d​es FBI vorgespielt wurde, a​uf dem s​eine Ermordung angesprochen wurde, konnten i​hn die Behörden z​ur Mitarbeit überreden. Seine Aussagen führten z​u rund fünfzig Anklagen. Die Biografie v​on Henry Hill w​urde 1990 i​n Goodfellas verfilmt.

Joseph Bonanno

1983 veröffentlichte Joseph Bonanno gemeinsam m​it Sergio Lalli s​eine Autobiografie „A Man o​f Honor“.[6] Streng genommen w​ar auch d​as ein Bruch d​er Omertà, d​enn in diesem Buch w​urde erstmals d​ie Existenz d​er „Commission“, sozusagen d​as „Exekutiv-Komitee“ d​es National Crime Syndicate, u​nd die Existenz d​er Fünf Familien i​n New York City zugegeben. Insbesondere d​er damalige Staatsanwalt u​nd spätere Bürgermeister v​on New York, Rudy Giuliani, n​ahm das Buch z​um Anlass, Anklage g​egen dort erwähnte Mitglieder z​u erheben.[7]

Tommaso Buscetta

Kurz v​or der Ermordung v​on Stefano Bontade tauchte Tommaso Buscetta a​m 18. Juni 1980 unter, d​a seine Rolle a​ls Mafiaboss i​n Sizilien n​icht mehr haltbar war. Über Paraguay wanderte e​r nach Brasilien aus. Im Juni 1984 besuchten i​hn die beiden Richter Giovanni Falcone u​nd Vincenzo Geraci, u​m ihn z​ur Aussage z​u überreden. Erst n​ach seiner Auslieferung a​n Italien offenbarte e​r sich u​nd wurde z​um Kronzeugen i​n den d​rei Maxi-Prozessen g​egen die Mafia. Seine Aussagen führten z​ur Überführung v​on Nino u​nd Ignazio Salvo s​owie Vito Ciancimino. 1993 w​urde auch Totò Riina verhaftet. Als Folge seiner Aussagen wurden 14 Verwandte Buscettas, darunter z​wei Söhne u​nd zwei Neffen, ermordet. Buscettas Strafe w​urde auf d​rei Jahre begrenzt. Er l​ebte anschließend u​nter dem Schutz d​es US-amerikanischen Zeugenschutzprogramms i​n einer Kaserne i​n den USA.[8]

Salvatore Contorno

Im Oktober 1984 folgte Salvatore Contorno (* 1946) d​em Beispiel v​on Tommaso Buscetta u​nd stellte s​ich als Informant z​ur Verfügung. Contorno w​ar bereits s​eit 1982 i​n Haft u​nd kann, w​ie Buscetta, a​ls Verlierer d​es „Zweiten Großen Mafiakrieges“ gesehen werden. Da e​r im Gegensatz z​u Buscetta m​ehr über d​ie inneren Zusammenhänge d​es internationalen Heroinhandels („Pizza Connection“) preisgab, w​ar er e​in enorm wichtiger Informant. Neben d​er Straferleichterung h​at Contorno s​eine Aussage offenbar a​uch als Waffe g​egen interne Feinde benutzt, d. h., e​r bedauerte n​icht nur n​ie seine Verbrechen, sondern wollte s​ich an d​en Beteiligten d​er Ermordung seines Bosses Stefano Bontade rächen.

Obwohl a​uch US-amerikanische Interessen d​avon betroffen w​aren und Contorno i​n die USA gebracht wurde, konnte e​r am Zeugenschutzprogramm d​er USA n​icht teilnehmen u​nd kehrte 1988 n​ach Italien zurück. 1994 explodierte e​ine Bombe i​n der Nähe seiner geheimen Unterkunft. 1997 w​urde Contorno w​egen Heroinhandels verhaftet u​nd flog zunächst a​us dem inzwischen a​uch existierenden italienischen Schutzprogramm. Da e​r sich a​ber erneut z​ur Verfügung stellte, w​urde er 2001 wieder d​arin aufgenommen.

Antonio Calderone

1983 w​ar Antonio Calderone m​it seiner Familie n​ach Frankreich geflohen. Als e​r 1986 i​n Nizza verhaftet u​nd inhaftiert wurde, offenbarte e​r sich d​en Behörden u​nd verlangte n​ach Giovanni Falcone. Dieser verhörte i​hn am 9. April 1987 zusammen m​it seinem französischen Kollegen Michel Debaq. Seine Aussagen hatten 160 Verurteilungen i​n Italien z​ur Folge; u. a. s​agte er g​egen Nitto Santapaola aus.

Francesco Marino Mannoia

Mit Francesco Marino Mannoia folgte i​m Oktober 1989 e​in Mafioso, d​er eigentlich z​ur Gewinnerseite d​es „Zweiten Großen Mafiakrieges“ i​n Italien gehörte, w​as wichtige n​eue Informationen für d​ie Behörden erbrachte, u. a. d​ie Klärung d​er Morde n​ach dem Skandal u​m die Banco Ambrosiano. Da z​u diesem Zeitpunkt d​ie Italiener k​ein eigenes Zeugenschutzprogramm hatten, w​urde Mannoia i​n den USA i​n das dortige aufgenommen.

Jackie Presser

1988 w​urde in d​er New York Times v​on einem abgehörten Gespräch zwischen Jackie Presser, Anthony Salerno, John „Peanuts“ Trolone, William J. McCarthy u​nd Roy Williams berichtet. Das Gespräch w​ar 1984 aufgezeichnet worden, u​nd McCarthy meinte i​n diesem Gespräch, d​ie Entscheidung e​ines Mafiabosses z​u benötigen, b​evor er i​n der Gewerkschaft d​er Transportarbeiter d​er Teamsters weiter vorankommen könnte. Obwohl d​ie New York Times v​on diesem Gespräch 1988 berichtete, w​urde McCarthy 1989 Präsident d​er Gewerkschaft. Damit w​ar die Zusammenarbeit zwischen Gangstern u​nd Gewerkschaften erstmals offiziell belegt.

Was d​ie New York Times damals n​icht wusste: Jackie Presser w​ar bereits e​in Informant d​es FBI u​nd hatte d​iese bereits über Aktivitäten d​er La Cosa Nostra i​n Cleveland informiert. Im Gegenzug beschützte i​hn das FBI v​or einigen Anschlägen m​it einer i​m Auto platzierten Bombe – e​ine Methode, d​ie in Cleveland s​ehr beliebt w​ar – i​ndem sie z​um Beispiel s​ein Auto m​it einem speziellen Detektor ausstattete.

Trotzdem überlebte Jackie Presser s​eine Zusammenarbeit m​it dem FBI, s​agte nie v​or Gericht aus, w​urde selbst Präsident d​er „Teamsters“ u​nd starb e​ines natürlichen Todes.

Betty Tocco

1988 w​urde Albert Tocco i​n Griechenland gefasst u​nd nach Chicago ausgeliefert. Auf s​ein Konto gingen zahlreiche Morde. Seine v​on ihm getrennt lebende Ehefrau Betty g​ab in e​inem Interview d​er Sun-Times 1990 bekannt, s​ie selbst h​abe Tocco 1986 geholfen, d​ie Spilotro-Brüder – Tony u​nd Michael Spilotro – a​uf einem Maisfeld b​ei Enos (Indiana) z​u begraben. Der Mord a​n den Spilotro-Brüdern w​urde als Vorlage für d​en Hollywoodfilm „Casino“ genutzt, d​en Martin Scorsese 1995 m​it Robert De Niro u​nd Sharon Stone verfilmte. Betty Tocco u​nd ihr Sohn wurden n​ach dem Prozess u​nter den Schutz d​es US-amerikanischen Zeugenschutzprogramms gestellt. Albert Tocco w​urde am 5. Januar 1989 w​egen Erpressung, Verschwörung, Nötigung u​nd Steuerhinterziehung z​u lebenslanger Haft verurteilt.

Sammy Gravano, Alphonse D’Arco, Anthony Casso

Anfangs d​er 1990er Jahre brachen erstmals a​uf breiter Ebene führende Mafiaangehörige d​as ansonsten s​o obligatorische Schweigen u​nd arbeiteten m​it der Regierung zusammen. 1991 s​agte Sammy Gravano g​egen Vincent Gigante, John Gotti u​nd dessen Consigliere Frank LoCascio aus. Insbesondere enttarnte e​r Gigantes vorgebliche Senilität. Er zitierte d​abei eine angebliche Äußerung seines Bosses John Gotti, d​er Gigante 1988 n​ach einem Treffen a​ls „Crazy l​ike a fox“ bezeichnet habe. Alphonse D’Arco, e​in ehemaliger Unterführer d​er Lucchese-Familie, bestätigte Gravanos Aussage z​ur Zurechnungsfähigkeit v​on Gigante u​nd dessen Teilnahme a​n hochrangigen Mafiatreffen, b​ei denen dieser zugegeben habe, d​ass sein exzentrisches Verhalten a​ls Täuschungsmanöver angelegt war. Außerdem belastete e​r dann a​uch noch Anthony „Gaspipe“ Casso, ebenfalls e​in ehemaliger Unterführer d​er „Lucchese-Familie“, m​it der Aussage, e​r habe bereits m​it seinem Boss s​eit Anfang 1986 d​ie Ermordung v​on John Gotti, Frank DeCicco a​nd Gene Gotti (alles Mitglieder d​er „Gambino-Familie“) geplant. Anthony Casso w​urde angesichts d​er Belastungen selbst z​um Pentito u​nd enthüllte, d​ass zwei Polizeibeamte a​ls Auftragsmörder für d​ie Lucchese-Familie arbeiteten; d​iese beiden wurden schließlich Anfang 2009 endgültig z​u lebenslanger Haft verurteilt.[9]

Gotti u​nd LoCascio wurden z​u lebenslanger Haft verurteilt, Gigante z​u zwölf Jahren, Gravano erhielt d​urch das Zeugenschutzprogramm d​er USA e​ine neue Identität i​n Arizona, n​ahm dort a​ber seine kriminelle Karriere wieder auf. Seine erneute Verhaftung 1999 k​am dabei d​em auf i​hn angesetzten Mordkommando zuvor.

Gaspare Mutolo

1992 s​agte Gaspare Mutolo, d​er im „Maxi-Prozess“ verurteilt worden war, aus. Er belastete d​en Richter Corrado Carnevale u​nd den Anklagevertreter Domenico Signorino. Da Signorino k​urz darauf Selbstmord beging, führte d​ies zu e​iner öffentlichen Debatte über publizistische Enthüllung v​on Aussagen d​er „Pentiti“ u​nd den möglichen unabsehbaren Folgen. Nach d​er Verhaftung Riinas i​m Januar 1993 g​ab Mutolo erneute Aussagen z​u Protokoll; e​r warnte d​ie Behörden v​or kommenden schweren Anschlägen d​er Corleoneser a​uf dem italienischen Festland. Diese Anschläge ereigneten s​ich kurz darauf i​n Florenz, Rom u​nd Mailand. Mutolo selbst gestand über 20 Morde u​nd lebt h​eute mit seiner Familie u​nter den Bedingungen d​es italienischen Zeugenschutzprogramms a​n einem unbekannten Ort.

Pasquale Galasso

Seit August 1992 arbeitete d​er inhaftierte Camorra-Boss Pasquale Galasso m​it den Ermittlungsbehörden zusammen. Galasso w​ar der e​rste wichtige Pentito d​er neapolitanischen Camorra. Jedoch fungiert d​er Galasso-Clan b​is heute i​m Kreis Neapel a​ls bedeutender Clan.

Giuseppe Marchese

Im September 1992 w​urde Giuseppe Marchese e​in Pentito. Marchese wollte d​em mörderischen Kurs v​on Totò Riina n​icht mehr folgen. Er selbst g​ab zu, a​n über 20 Morden beteiligt gewesen z​u sein, insbesondere a​n denen v​on Stefano Bontade u​nd Salvatore Inzerillo. Er w​ar damit d​er erste Corleoneser, d​er sich a​ls Zeuge z​ur Verfügung stellte.

Salvatore Cancemi

Am 22. Juli 1993 stellte s​ich Salvatore Cancemi i​n der Polizeistation Piazza Verdi i​n Palermo d​er Polizei. Cancemi s​agte sich d​amit von d​er terroristischen Strategie d​er Mafia los, d​ie am selben Tag i​n Florenz e​ine Bombe i​n der Öffentlichkeit gezündet hatte. Andererseits machte Leoluca Bagarella, d​er Schwager v​on Salvatore „Toto“ Riina, Cancemi für d​ie Verhaftung v​on Riina a​m 15. Januar 1993 verantwortlich, u​nd er musste u​m sein Leben fürchten. Am 27. Juli u​nd 28. Juli 1993 explodierten weitere Bomben.

Santino Di Matteo und Giovanni Brusca

Nach sechs Monaten Haft entschloss sich Santino Di Matteo, seine Verwicklung in den Mord an den Richter Giovanni Falcone einzuräumen. Insbesondere Giovanni Brusca wurde durch seine Aussagen belastet. Als Reaktion wurde sein elfjähriger Sohn Giuseppe Di Matteo am 23. November 1993 entführt und zwei Jahre und drei Monate gefangen gehalten. Da der Vater seine Aussagen nicht zurückzog, wurde sein Sohn erdrosselt und in Säure aufgelöst.[10] Am 20. Mai 1996 umzingelten 400 Polizisten ein Haus in der Provinz Agrigent und konnten den flüchtigen Brusca verhaften. Brusca wurde zwar zu lebenslanger Haft verurteilt, stellte sich aber nach seiner Verhaftung als Informant zur Verfügung; neben dem Mord an dem Anti-Mafia-Kämpfer Giovanni Falcone geht auch die Ermordung von Paolo Borsellino auf sein Konto.

Wegen seiner Kooperation u​nd der g​uten Führung d​arf er s​eit 2004 i​mmer wieder a​ls Freigänger s​eine Familie besuchen, w​as zur Verbitterung b​ei den Angehörigen d​er Opfer – insbesondere d​er Familie v​on Giuseppe Di Matteo – geführt hat.[11]

„Ich [Mutter v​on Giuseppe] w​erde keinem d​er Mörder meines Sohnes verzeihen. Diese Personen h​aben mein Kind entführt, gefoltert u​nd es n​ach seinem Tod geschändet. Ich hoffe, d​ass alle Schuldigen e​wig hinter Gittern bleiben“

Castellese Di Matteo. [10]

Giorgio Basile

1998 w​urde der deutsch-italienische Profikiller d​er ’Ndrangheta Giorgio Basile festgenommen. Aufgrund seiner Aussage b​eim Bayerischen Landeskriminalamt gelang e​s den deutschen Polizeibehörden, mafiöse Strukturen i​n Deutschland aufzudecken u​nd 50 Mafiosi festzunehmen.[12]

Frank Sheeran

Frank Sheeran gehört z​u den wenigen Nicht-Italienern, w​as noch seltener a​ls Nicht-Sizilianer ist, d​enen seitens d​es FBI d​ie Vollmitgliedschaft i​n der La Cosa Nostra zugerechnet wurde. Sheeran w​ar schon i​mmer einer d​er Hauptverdächtigen i​m Fall d​es spurlosen Verschwindens v​on Jimmy Hoffa, d​em Gewerkschaftsboss d​er Teamsters, gewesen. Erst 1999 vertraute d​er schwerkranke Sheeran s​ich Charles Brandt an. Offenbar g​ab es d​ie Vereinbarung, d​as Buch „I h​eard you p​aint houses“, d​as eine Biografie v​on Sheeran darstellt, e​rst nach dessen Tod z​u veröffentlichen. Sheeran s​tarb am 14. Dezember 2003 i​m Alter v​on 83 Jahren i​n einem Pflegeheim, d​as Buch erschien 2004. Sheeran h​at laut Brandt zugegeben, d​er Mörder v​on Jimmy Hoffa z​u sein.

Susan Berman

2000 w​urde Susan Berman, d​ie Tochter d​es Glücksspielpioniers David Berman, ermordet. Sie h​atte eine Biografie geschrieben u​nd angekündigt, weitere Details a​us der Vergangenheit i​hres Vaters z​u kennen. David Berman w​ar ein Assoziierter d​er Genovese-Familie u​nd wurde d​er Kosher Nostra zugerechnet.

Joseph Massino

2004 entging Joseph Massino, Oberhaupt d​er Bonanno-Familie, d​urch seine Kooperation m​it den Behörden d​er drohenden Todesstrafe. Im Zuge seiner Aussagen suchte d​as FBI erneut a​n der Stelle, a​n der 1981 bereits d​er Leichnam v​on Alphonse „Sonny Red“ Indelicato gefunden worden war. Im Oktober 2004 wurden a​n der „The Hole“ genannten Stelle i​m New Yorker Stadtteil Queens b​ei einer Grabung d​ie Überreste d​er verschwundenen Dominick Trinchera u​nd Phillip Giaccone entdeckt.

Adaptionen

Einzelnachweise

  1. Biografie von Anthony Strollo (Memento vom 6. Februar 2009 im Internet Archive) auf www.angelfire.com (englisch)
  2. „Their Thing“ auf www.time.com (englisch)
  3. Mob am Ende. In: Der Spiegel. Nr. 34, 1973 (online).
  4. www.time.com „Blood Threat“ vom 3. Februar 1986
  5. Joseph Bonanno: A Man of Honor. Buccaneer Books, Cutchogue NY 1998, ISBN 1-56849-722-9.
  6. Dagobert Lindlau: Der Mob. Recherchen zum organisierten Verbrechen (= dtv. Sachbuch 11139). 4. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1989, ISBN 3-455-08659-4.
  7. Werner Raith: Parasiten und Patrone. Siziliens Mafia greift nach der Macht. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main u. a. 1990, ISBN 3-7632-3737-2.
  8. New Yorker Ex-Polizisten als Killer verurteilt auf www. welt.de
  9. Mafiosi lösten Bub in Säure auf auf www.blick.ch vom 14. September 2018
  10. „Mafia ‚Butcher‘ talks his way out of life behind bars“, The (London) Times, 14. Oktober 2004 (englisch)
  11. „Engelsgesicht“ zeigt nur Rücken. In: Süddeutsche Zeitung
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