Giovanni Falcone

Giovanni Falcone (* 18. Mai 1939 i​n Palermo; † 23. Mai 1992 i​n Capaci b​ei Palermo) w​ar ein italienischer Jurist u​nd aktiv i​m Kampf g​egen die Cosa Nostra. Er g​ilt als Symbolfigur d​es Kampfes g​egen die organisierte Kriminalität a​uf Sizilien.

Porträt Giovanni Falcones (Zeichnung unbekannter Urheberschaft)
Giovanni Falcone (2. v. r.)

Herkunft und Ausbildung

Giovanni Falcone wurde 1939 als Sohn von Arturo Falcone und Luisa Bentivegna in Palermo geboren. Das Geburtshaus der Familie, in dem er seine Kindheit verbrachte, befand sich im Wohnviertel der heutigen Piazza Magione, das im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört wurde. Falcone war schon als Kind mit Paolo Borsellino, der in der angrenzenden Via Vetriera sein Zuhause hatte, befreundet. Für kurze Zeit besuchte er die Marineakademie in Livorno. Anschließend studierte er Rechtswissenschaft und erwarb 1961 einen Abschluss. Er arbeitete danach drei Jahre als Anwalt und wurde 1964 zum Richter ernannt.[1]

Mafiaprozess

Anfang der 1980er Jahre baute Falcone als Untersuchungsrichter gemeinsam mit dem damaligen leitenden Richter am Obersten Richterrat Rocco Chinnici und Liliana Ferraro vom Justizministerium in Palermo eine Sonderkommission zur Bekämpfung der Mafia auf. Die auf Sizilien verbreitete Organisation machte durch zahlreiche Anschläge auf die Ermittler immer wieder klar, dass sie derartige Störungen ihrer Macht und Geschäfte nicht zulassen würde; Chinnici fiel 1983 einem Bombenattentat zum Opfer.

1984 konnte Falcone die Mafiagröße Tommaso Buscetta bewegen, das Gebot der Omertà zu brechen und sich als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen. Buscettas Aussagen waren von großem Wert für die Ermittler und führten zur Inhaftierung vieler Mafiosi. Unbeirrt leitete der unter ständigem Polizeischutz stehende Falcone ab Februar 1986 als Untersuchungsrichter den sogenannten Maxi-Prozess gegen rund 400 Mitglieder der Mafia, der 22 Monate andauerte und von denen zahlreiche aufgrund der von ihm vorbereiteten Verfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.

Verhandlungsort w​ar ein eigens i​m Innern d​es Gefängnisses v​on Palermo errichtetes Bunkergebäude, d​as selbst e​inem Raketenbeschuss hätte standhalten können. Während d​es Prozesses w​urde die Anlage v​on etwa 500 Sicherheitskräften u​nd einem Panzer gesichert, d​er Luftraum w​urde überwacht. Durch s​eine Untersuchungen d​rang Falcone b​is zum Kern d​er Mafia vor. Weitere Massenprozesse folgten i​n den nächsten Jahren, nachdem Falcone d​ie Aussagen weiterer geständiger Mafiosi verwerten konnte. 1991 wechselte Falcone i​ns Justizministerium.

Attentat

Denkmal in Capaci
Erinnerung an Falcone und Borsellino auf Demonstrationsbannern mit dem bekannten Bild von Tony Gentile
Gedenkplakette an Falcone und Borsellino am Flughafen Palermo

Am 23. Mai 1992 wurde Falcone zusammen mit seiner Ehefrau Francesca Morvillo, Richterin am Jugendgericht, und drei Leibwächtern durch eine Bombe getötet, als er auf dem Weg zu seinem Wochenendhaus bei Palermo war; der Fahrer Giuseppe Costanza überlebte nur durch Zufall, wurde aber schwer verletzt.[2] Die Attentäter hatten unter der Autobahn A29 bei Capaci in einem Drainagerohr 500 kg TNT-Sprengstoff deponiert und ferngesteuert gezündet. Eine rote Granitsäule an der Autobahn erinnert heute an das Attentat. Falcone wurde auf dem Friedhof Sant’Orsola in Palermo in der Grabkapelle seiner Familie beigesetzt.

Für d​en Anschlag musste s​ich ein Anführer d​er Cosa Nostra, Giovanni Brusca, v​or Gericht verantworten, d​er 1996 verhaftet werden konnte. Laut Aussage mehrerer Pentiti w​urde das Attentat v​om damaligen „Boss d​er Bosse“ Salvatore „Totò“ Riina i​n Auftrag gegeben.

Zwanzig Jahre nach dem Attentat, im November 2012, nahm die Polizei den mutmaßlichen Lieferanten des Sprengstoffes, den Fischer Cosimo D’Amato, fest. Das Geständnis eines früheren Mafioso hatte die Ermittler auf seine Spur gebracht. Angaben aus Polizeikreisen zufolge soll D’Amato geholfen haben, das bei dem Anschlag verwendete TNT aus Weltkriegsbomben zu extrahieren, die er aus dem Meer gefischt hatte.[3]

Folgen

  • Das Attentat auf Falcone stürzte Italien in eine schwere Krise, nicht zuletzt wegen des berechtigten Verdachts, dass seine streng geheim gehaltene Ankunft auf dem Flughafen Palermo von Mitarbeitern im innersten Kreis der Staatsmacht verraten worden war.
  • Wenige Wochen später, am 19. Juli 1992, fiel auch Falcones Kollege und engster Vertrauter Paolo Borsellino zusammen mit vier Begleitern und einer Begleiterin in Palermo einem Sprengstoffanschlag zum Opfer.
  • Falcone erlangte wegen seines Kampfes gegen das organisierte Verbrechen vor allem auf Sizilien große Popularität. Der Flughafen Palermo-Punta Raisi wurde umbenannt in Flughafen Palermo-Punta Raisi Falcone e Borsellino.
  • 1992 wurde von der Familie Falcones in Palermo die Stiftung Giovanni e Francesca Falcone begründet. Das primäre Ziel der Stiftung besteht in der Förderung von kulturellen Aktivitäten, von Studium und Forschung zur Förderung einer von der Mafia unabhängigen Kultur in der Gesellschaft. Im Jahr 1996 erhielt die Stiftung Beraterstatus als Nichtregierungsorganisation bei ECOSOC (Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen).
  • Am 30. März 2010 wurde ein 1999 entdeckter Asteroid nach Giovanni Falcone benannt: (60183) Falcone.
  • Am 22. Mai 2017, einen Tag vor dem 25. Jahrestag des Anschlags auf Falcone, wurde in Palermo der Mafia-Boss Giuseppe Dainotti auf offener Straße ermordet.[4] Dainotti galt als rechte Hand der Mafia-Größe Salvatore Cancemi, der am Attentat auf Falcone beteiligt war. Obgleich Dainotti offenbar Opfer eines mafiainternen Konflikts wurde, verstand der zuständige Palermische Staatsanwalt das Attentat als Warnung an den Staat: „Sobald irgendwer behauptet, die Mafia existiere nicht mehr oder sei zerschlagen, passiert etwas, das bestätigt, dass sie immer noch da ist.“[5]

Verwandte Themen

Literatur und Filme

  • Giovanni Falcone, Marcelle Padovani: Inside Mafia. Herbig, München 1992, ISBN 3-7766-1765-9.
  • Vincenzo Delle Donne: Falcone: Die Biographie – Leben und Tod im Kampf gegen die Mafia. Ullstein, Frankfurt a. M./Berlin 1993, ISBN 3-550-07193-0.
  • Vincenzo Delle Donne: Giovanni Falcone: Die Biographie – Leben und Tod im Kampf gegen die Mafia. Aktualisierte Ausgabe, Epubli, Berlin 2016, ISBN 978-3-7418-7218-1.
  • Raoul Muhm, Gian Carlo Caselli: Die Rolle des Staatsanwaltes – Erfahrungen in Europa / Il ruolo del pubblico ministero – Esperienze in Europa. Vecchiarelli Editore Manziana, Rom 2005, ISBN 88-8247-156-X.
  • Alexander Stille: Die Richter: Der Tod, die Mafia und die italienische Republik. C.H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-42303-5. (Rezension)
  • Giovanni Falcone – Im Netz der Mafia, italienischer Film aus dem Jahr 1993
  • Falcone – Im Fadenkreuz der Mafia in der Internet Movie Database (englisch), 1998
  • Die Mafia, vierteilige Dokumentation von Matthew Thompson und Charlie Smith, 2005.
  • John Dickie: Cosa Nostra. Die Geschichte der Mafia. S. Fischer, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-10-013906-2.
  • Attilio Bolzoni: Uomini soli. Pio La Torre e Carlo Alberto Dalla Chiesa, Giovanni Falcone e Paolo Borsellino. Melampo 2012
  • Luigi Garlando: "Per questo mi chiamo Giovanni". (italienisch) Bur Biblioteca Univ. Rizzoli (März 2012)
  • Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra (Il traditore), Italien/Frankreich/Deutschland/Brasilien 2019; Regie: Marco Bellocchio
Commons: Giovanni Falcone – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Dokumentationen

Einzelnachweise

  1. Hickey, Eric: Encyclopedia of Murder and Violent Crime, Thousand Oaks/London/New Delhi 2003, S. 159.
  2. einestages – Zeitgeschichten bei: Spiegel Online, Bericht vom 22. Mai 2012 Ermordung von Mafiajäger Falcone: Tod per Fernzünder
  3. Stefan Troendle: Erneute Festnahme 20 Jahre nach Mord an Mafia-Jäger. www.tagesschau.de, 12. November 2012, archiviert vom Original am 26. Dezember 2012; abgerufen am 2. Juni 2016.
  4. Italian mafia boss gunned down while riding his bike in Sicily. In: The Guardian. 22. Mai 2017, abgerufen am 27. Oktober 2017 (englisch).
  5. Mafia-Boss vom Fahrrad geschossen. In: Spiegel Online. 23. Mai 2017, abgerufen am 27. Oktober 2017.
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