Pawel Trofimowitsch Morosow
Pawel Trofimowitsch Morosow (auch bekannt als Pawlik Morosow; russ. Павел Трофимович Морозов bzw. Павлик Морозов; * 14. November 1918 im Dorf Gerassimowka in der Oblast Swerdlowsk, Ural; † 3. September 1932 ebenda) war ein sowjetischer Bauernjunge, der zusammen mit seinem Bruder Fjodor – so die offizielle sowjetische Lesart – von Verwandten seines „reaktionären“ Vaters, eines „Kulaken“, erschlagen worden sein soll. Der Vater war inhaftiert worden, da Morosow ihn wegen Versteckens von Getreide angezeigt hatte. Laut Jörg Baberowski wurde der Vater im Winter 1932 anlässlich einer Massenerschießung von Häftlingen wahrscheinlich durch die GPU ermordet.[1]
Morosow wurde dadurch zur sozialistischen Heldengestalt und Ikone, so wurde er, obwohl er nicht der Pionierorganisation angehörte, als Heldenpionier Nr. 001 bezeichnet. Sein – inzwischen bezweifeltes – Schicksal diente zur Rechtfertigung und propagandistischen Durchsetzung der Kollektivierung.
Der russische Journalist Juri Druschnikow verfolgte den Fall seit Mitte der 1980er Jahre und kam zu dem Schluss, dass vieles dafür spreche, dass die Kinder von örtlichen OGPU-Funktionären umgebracht worden waren und ihr Tod mehreren „reaktionären Kulaken“ des Dorfes angelastet wurde, die sich lange gegen die Kollektivierung gewehrt hatten. Diese wurden inhaftiert, zum Tode verurteilt und hingerichtet. In Folge dieses Schauprozesses gaben die verbliebenen Einzelbauern des Dorfes auf und gründeten einen Kolchos.
Ein über Morosow 1936/37 von Sergej Eisenstein gedrehter Film, Die Beshin-Wiese (Бежин луг – Beschin lug), wurde nach persönlichem Einschreiten Stalins nicht fertiggestellt.
Literatur
- Catriona Kelly: Comrade Pavlik: The Rise and Fall of a Soviet Boy Hero, London: Granta Books 2005, ISBN 1-86207-747-9.
- Franziska Thun-Hohenstein: Pawlik Morosow — ein sowjetischer „Helden-Pionier“. Zur medialen Konstruktion eines sozialistischen Kindermärtyrers. In: Silvia Horsch und Martin Treml: Grenzgänger der Religionskulturen. Kulturwissenschaftliche Beiträge zu Gegenwart und Geschichte der Märtyrer. Fink, Paderborn 2011, ISBN 978-3-7705-5076-0, S. 315.
Weblinks
Einzelnachweise
- Baberowski, Jörg: Der rote Terror die Geschichte des Stalinismus. Hrsg.: Bundeszentrale für Politische Bildung. Bonn, ISBN 978-3-89331-842-1, S. 117.