Paul Herre

Paul Herre (* 14. Juni 1876 i​n Magdeburg; † 6. Oktober 1962 i​n Rottenburg a​m Neckar) w​ar ein deutscher Historiker.

Leben

Paul Herre studierte Neuere u​nd neueste Geschichte i​n Berlin, Jena u​nd Leipzig. Von 1906 b​is 1912 w​ar er Privatdozent a​n der Universität Leipzig u​nd danach b​is 1920 außerordentlicher Professor.

Herre h​at den 7. Band d​er Ullsteinschen Weltgeschichte redaktionell betreut u​nd darin d​as Kapitel über d​ie allgemeine Entwicklung d​es Staatensystems verfasst.[1] Gemeinsam m​it Otto Buek versuchte s​ich Herre a​n der Herausgabe d​er Zeitschrift Die Geisteswissenschaften.[2] Sie musste jedoch i​m Unterschied z​u der v​on Arnold Berliner (1862–1942) i​m gleichen Jahr herausgebrachten u​nd heute n​och erscheinenden Zeitschrift Die Naturwissenschaften 1914 bereits wieder eingestellt werden.[3]

Ab 1920 w​ar er Regierungsrat i​m Auswärtigen Amt u​nd ab 1921 Direktor i​m Reichsarchiv. 1941 veröffentlichte e​r in d​em Band Deutschland u​nd die europäische Ordnung, herausgegeben v​on Georg Leibbrandt u​nd Egmont Zechlin, e​ine Huldigung Adolf Hitlers u​nd der nationalsozialistischen Vorstellung v​on Volksgemeinschaft. Nach Kriegsende wurden s​eine Schriften Die Südtiroler Frage (Beck, München 1927), d​ie ethnozentrisch-deutschnationale Züge trägt[4], u​nd Deutschland u​nd die europäische Ordnung (Deutscher Verlag, Berlin 1941) i​n der Sowjetischen Besatzungszone a​uf die Liste d​er auszusondernden Literatur gesetzt.[5]

In seiner 1954 erschienenen Schrift Kronprinz Wilhelm distanzierte s​ich Herre v​on seiner eigenen weltanschaulichen Vergangenheit, i​ndem er d​ie damnatio memoriae d​es 1951 verstorbenen Friedrich Wilhelms v​on Preußen eröffnete. Wie Fritz Fischer u​nd andere namhafte Historiker d​er Weimarer Republik u​nd des Dritten Reiches vollführte a​uch so Paul Herre n​ach Kriegsende e​inen plötzlichen Sinneswandel.

Werke (Auswahl)

"Germane". Römisches Triumphalrelief im Vatikanisches Museum zu Rom. Abbildung aus Deutsche Kultur des Mittelalters in Bild und Wort von Dr. Paul Herre. Verlag von Quelle & Meyer in Leipzig 1912.
  • Der Kampf um die Herrschaft im Mittelmeer. Die geschichtliche Entwicklung des Mittelmeerraums. Quelle & Meyer, Leipzig 1909.
  • Deutsche Kultur des Mittelalters in Bild und Wort. Quelle & Meyer, Leipzig 1912.
  • Von Preußens Befreiungs- und Verfassungskampf. Aus den Papieren des Oberburggrafen Magnus von Brünneck (1786–1866). E. S. Mittler, Berlin 1914.
  • Politisches Handwörterbuch. Unter redaktioneller Mitwirkung von Kurt Jagow hrsg. von Paul Herre. 2 Bände. K. F. Koehler, Leipzig 1923, DNB 560549334.
  • Weltgeschichte der neuesten Zeit. 1890–1925. 2 Bände. Ullstein, Berlin 1925.
  • Die Südtiroler Frage. Entstehung und Entwicklung eines europäischen Problems der Kriegs- und Nachkriegszeit. München 1927.
  • Fürst Bülow und seine Denkwürdigkeiten. Quaderverlag, Berlin 1931.
  • Die geheime Ehe des Erbprinzen Wilhelm Gustav von Anhalt-Dessau und die Reichsgrafen von Anhalt. Gast, Zerbst 1932.
  • Nordafrika als Objekt der europäischen Kolonialpolitik. In: Die Welt als Geschichte. Zeitschrift für universalgeschichtliche Forschung (WaG). Bd. 2 (1936), S. 169–185.
  • Das Mittelmeer als geschichtlicher Schauplatz. In: Mittelmeer. Handbuch für Reisende von Karl Baedeker. Karl Baedeker Verlag, Leipzig 1934, S. XXXVII-LI [37-51].
  • Schöpferisches Alter. Geschichtliche Spätaltersleistungen in Überschau und Deutung. Hase & Koehler, Leipzig 1939; 2., ergänzte Auflage 1943.
  • Deutschland und die europäische Ordnung. Deutscher Verlag, Berlin 1941.
  • Kronprinz Wilhelm. Seine Rolle in der deutschen Politik. Beck, München 1954.

Literatur

  • Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender. 1935
  • Wer ist Wer in der sowjetisch besetzten Zone? Berlin 1958
  • Roger Griffin: Fascism. 1995, ISBN 0-19-289249-5

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Jahresberichte für deutsche Geschichte. Hrsg. v. Albert Brackmann u. Fritz Hartung. Leipzig: Koehler. 1. Jahrgang 1925 (1927). XIV, 752 S., S. 299.
  2. Sie war als Wochenschrift für das gesamte Gebiet der Philosophie, Psychologie, Mathematik, Religionswissenschaft, Geschichtswissenschaft, Sprach- und Literaturwissenschaft, Kunstwissenschaft, Rechts- und Staatswissenschaft, Gesellschaftswissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Statistik, Militärwissenschaft, Länder- und Völkerkunde, Pädagogik konzipiert und erschien ab 1. Oktober 1913 im Verlag von Veit & Comp. in Leipzig
  3. Auf Anregung von Arthur Kronfeld, der im Anschluss an seine Psychoanalysekritik von 1912 in Heft 16 von Berliners Die Naturwissenschaften vom 18. April 1913 einen umfangreichen Artikel über Freuds psychoanalytische Theorien veröffentlichen konnte, hat Buek auch drei Rezensionen von Kronfelds Kollegen Karl Jaspers in seine Zeitschrift aufgenommen.
  4. Hannes Obermair: Danger Zones – der englische Historiker John Sturge Stephens (1891–1954), der italienische Faschismus und Südtirol. In: Richard Faber u. a. (Hrsg.): Italienischer Faschismus und deutschsprachiger Katholizismus. Königshausen & Neumann, Würzburg 2013, ISBN 978-3-8260-5058-9, S. 138–162, hier: S. 152.
  5. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-h.html
Commons: Paul Herre – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.