OpenLeaks
OpenLeaks war eine Whistleblowing-Website, die über tote Briefkästen Dokumente Dritter anonym an Kooperationspartner wie Medien vermitteln, aber nicht selbst veröffentlichen soll. Der ehemalige WikiLeaks-Sprecher Daniel Domscheit-Berg[1] hatte das Projekt im Dezember 2010 angekündigt.[2] Neben Domscheit-Berg sind auch andere ehemalige WikiLeaks-Mitarbeiter wie Herbert Snorrason an dem Projekt beteiligt.[2] Ende Januar 2011 waren auf der Website erste Inhalte über Funktion, Realisierung und Finanzierung zugänglich.
OpenLeaks | |
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Internetplattform für Whistleblowing | |
Sprachen | Englisch |
Online | 26. Jan. 2011 |
http://openleaks.org/ |
Mittlerweile ist die Website allerdings offline. Anfang Juli 2013 sagte Daniel Domscheit-Berg gegenüber Technology Review, das Projekt würde weiter fortgesetzt werden „ohne die Öffentlichkeit groß einzubinden“.[3]
Funktionsweise
Domscheit-Berg beschrieb OpenLeaks als ein „technologisches Projekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, ein Diensteanbieter für Drittparteien zu sein, der Material von anonymen Quellen annimmt“ und an die vom Dritten festlegbaren Partner verteilt.[4] Herbert Snorrason erklärte, OpenLeaks werde selbst keine Quellen veröffentlichen, nicht einmal Dokumente selbst empfangen. Man baue ein sicheres Rechnernetz wie eine Art „toten Briefkasten“, in den jeder Dokumente einwerfen und selbst bestimmen könne, wer die Dokumente erhalten soll. Diese Briefkästen stünden auf den Internetseiten von Kooperationspartnern wie beispielsweise Medien, Gewerkschaften, Regierungen und Menschenrechtsgruppen.[5] Im Gegensatz zu WikiLeaks soll es keine exklusiven Medienpartnerschaften geben. OpenLeaks werde Dokumente technisch überprüfen, ob diese gefälscht oder bearbeitet sind. Außerdem würden die Daten derart bearbeitet, dass sie im Gegensatz zu E-Mails nicht mehr zur Quelle zurückzuverfolgen sind.[6]
Im Gegensatz zu WikiLeaks soll der Schwerpunkt auf den Inhalten liegen und die Betreiber wollen sich in der Öffentlichkeit im Hintergrund halten. Informationen, und nicht die Personen, die sie verbreiten, sollen im Mittelpunkt der Wahrnehmung stehen.[7] OpenLeaks soll nicht nur Dokumente von globaler Bedeutung, sondern auch länder- oder regionalspezifische Dokumente verwalten und ist als Schnittstelle, Dienstleistung und technische Lösung zur Anonymisierung gedacht.[8]
Geplante Realisierung
Zeitplan
Im Rahmen des 27. Chaos Communication Congress kündigte Daniel Domscheit-Berg den Start des Projekts für Januar 2011 an, nachdem der ursprüngliche Termin Mitte Dezember 2010 nicht eingehalten werden konnte. Es solle zunächst eine geschlossene Testphase mit ausgewählten Partnern starten, die im April oder Mai in eine Betaphase übergehen solle. Im August werde OpenLeaks dann nach der Vorstellung und Prüfung auf dem Chaos Communication Camp den Vollbetrieb aufnehmen.[8] Am 26. Januar sickerte ein Dokument über den Inhalt der Webseite durch und wurde bei Cryptome veröffentlicht, so dass die Verantwortlichen die Seite mit ersten Informationen für die Öffentlichkeit freischalteten, obwohl noch weitere Arbeiten notwendig sind.[9][10] Auf der Re:publica 2011 erklärte Domscheit-Berg im April, die Hintergrundarbeit hätte viel Zeit gekostet, die Technik sei weitgehend fertiggestellt und er hoffe, dass OpenLeaks in den folgenden Monaten den Betrieb aufnehmen könne. Zum offiziellen Start solle es sechs Partnerorganisationen geben: drei Medienorganisationen und drei NGOs.[11][12] Im August 2011 gab Domscheit-Berg auf dem Chaos Communication Camp bekannt, das System zum sicheren Einreichen von Informationen sei betriebsfertig und es bedürfe nur noch Arbeiten seitens der Medienpartner, um die Sicherheit für Whistleblower zu gewährleisten. Er setzte sein System in Zusammenarbeit mit der Tageszeitung einem fünftägigen Test auf Sicherheitslücken aus.[13][14] Als weitere Medienpartner wurden Der Freitag, foodwatch, die portugiesische Wochenzeitung Expresso und die dänische Tageszeitung Dagbladet Information genannt.[15] Der Chaos Computer Club, Veranstalter des Camps, warf ihm im Zusammenhang mit dem Test vor, er habe den Ruf des Vereins für sein eigenes Projekt missbraucht und schloss Domscheit-Berg aus dem Verein aus[16], nahm diese Entscheidung aber auf der folgenden Mitgliederversammlung zurück[17]. Ein knappes Jahr nach der ersten Ankündigung des Projektes war OpenLeaks als gesicherte Einreichungsplattform für Dokumente noch nicht betriebsfähig. Kurz nach dem Chaos Communication Camp hatte Domscheit-Berg einen Start des Projektes für Februar 2012 prognostiziert, ohne einen genaueren Termin nennen zu können.[18]
Am 7. November 2011 gab foodwatch zur geplanten Zusammenarbeit mit OpenLeaks bekannt: „Aus Sicht von foodwatch sind die Gespräche über eine Zusammenarbeit jedoch unbefriedigend verlaufen. Für eine Plattform, die auf Vertrauen angewiesen ist, müssen hohe Anforderungen vor allem hinsichtlich der Transparenz des Projektes und der Verlässlichkeit der Zusammenarbeit gelten. Darauf hatten wir uns mit den OpenLeaks-Betreibern auch verständigt. Getroffene Vereinbarungen wurden jedoch nicht wie verabredet eingehalten. Wegen der Sensibilität eines solchen Projektes hat sich foodwatch daher entschieden, die Pläne für eine Zusammenarbeit fallen zu lassen.“[19]
Finanzierung
Um den Dienst nutzen zu können, sollen die Partner das Projekt freiwillig beim Ausbau seiner Infrastruktur unterstützen, in dem sie beispielsweise Serverkapazitäten zur Verfügung stellen. Daneben sollen Spenden helfen, den Finanzbedarf von über 100.000 Euro im ersten Jahr zu decken. Würde das Netzwerk wachsen, stiege auch der Finanzbedarf. Wäre die Plattform aber irgendwann profitabel, würden laut Herbert Snorrason auch offengelegte Gehälter gezahlt.[5] OpenLeaks sieht sich mit seiner abweichenden Projektidee nicht als Konkurrent zu WikiLeaks.[20] Domscheit-Berg erklärte zu Vorwürfen einer Kommerzialisierung des Projektes, dass alle Services grundsätzlich kostenlos sein würden. Es werde aber Modelle geben, das Projekt mit Infrastrukturspenden zu unterstützen, um mit dieser Mischkalkulation den Service für möglichst viele kostenlos zu halten.[21] Zur besseren Transparenz soll es eine verantwortliche Stiftung geben, die Spenden als Haupteinnahmequelle sammelt und deren Mitglieder namentlich bekannt wären.[6] OpenLeaks nimmt Spenden über Flattr und Bitcoin entgegen; der Verkaufserlös aus Domscheit-Bergs Buch „Inside WikiLeaks“ floss in die Finanzierung ein.[12]
Medienecho
Bereits die Ankündigung des Projekts zog erhebliches mediales Echo nach sich. Unter anderem berichteten die Tageszeitung,[22] die Financial Times Deutschland,[23] Spiegel online[24] und Chip online[25] über OpenLeaks. Auch die Süddeutsche Zeitung[5] und der BBC World Service[26] nahmen sich der Thematik an.
Fehlinformationen
Eine Zeitlang stand im Quelltext der noch im Aufbau befindlichen Webseite (zeitweise auch auf der Webseite direkt), dass OpenLeaks keinen Account bei Twitter besitzt und in der Aufbauphase keine sozialen Netzwerke nutzt, um öffentliche Mitteilungen zu verbreiten. Demzufolge kann eine Schweizer Webseite,[27] die auf Facebook verlinkt, anstatt auf einen Artikel bei techPresident, wie es die offiziellen Webseiten taten,[28] derzeit nur als unaufgeforderte Unterstützung gewertet werden oder als Trittbrettfahrerei, um selbst an heikle Dokumente zu gelangen.
Der registrierte Twitter-Account (@openleaks) kann nach Angaben von OpenLeaks nicht verwendet werden, eine Lösung des Problems mit Hilfe von Twitter sei erfolglos gewesen.[29] Daher nutzt die Organisation alternativ den Kurznachrichtendienst Identi.ca.[30]
Siehe auch
Weblinks
- nicht mehr erreichbar: Offizielle Website; nicht mehr erreichbar sind auch: http://openleaks.net/, http://openleaks.rs/
- Video-Interview mit Domscheit-Berg „OpenLeaks - Warum Wikileaks mit seiner Strategie gescheitert ist“, bei dtcp, Januar 2011 (24 Minuten)
- Video-Interview mit Daniel Domscheit-Berg beim Chaos Communication Congress 2011 bei Golem.de, August 2011 (6 Minuten)
- OpenLeaks – das ewige Projekt. Wolfgang Michal bei Carta, August 2012
Einzelnachweise
- Kevin Poulsen, Kim Zetter: Unpublished Iraq War Logs Trigger Internal WikiLeaks Revolt. In: Wired. 27. September 2010 (Online [abgerufen am 10. Dezember 2010]).
- Andy Greenberg: Ex-WikiLeaker Explains His Spinoff Group, OpenLeaks. Forbes, 9. Dezember 2010, abgerufen am 9. Dezember 2010.
- Ben Schwan: Daniel Domscheit-Berg: Openleaks lebt noch. In: heise online. Technology Review, 3. Juli 2013, abgerufen am 3. Juli 2013.
- WikiRebels – The Documentary. Abgerufen am 4. Oktober 2012.
- Neues Portal von Ex-Wikileaks-Mitarbeitern. So funktioniert Openleaks, Süddeutsche Zeitung, 13. Dezember 2010, abgerufen am 29. Dezember 2010
- Wikileaks-Alternative Openleaks. Zweites Leck im Januar, die tageszeitung, 14. Dezember 2010, abgerufen am 15. Dezember 2010
- Zeit online am 10. Dezember 2010: Wikileaks-Aussteiger gründen eigene Plattform. Abgerufen am 21. Dezember 2010.
- Golem.de am 30. Dezember 2010: Neues Whistleblower-Projekt vorgestellt. Abgerufen am 2. Januar 2011.
- OpenLeaks Goes Public (Memento vom 30. Januar 2011 im Internet Archive), abgerufen am 27. Januar 2011.
- Cryptome.org vom 26. Januar 2011. (PDF; 185 kB) Abgerufen am 2. Februar 2011.
- n-tv am 14. April 2011: Das bessere Wikileaks? Openleaks in den Startlöchern. Abgerufen am 17. April 2011.
- WDR.de am 15. April 2011: Gespräch mit Daniel Domscheit-Berg während der Republica. Archiviert vom Original am 20. April 2011; abgerufen am 17. April 2011.
- Portal Openleaks - Wikileaks Alternative geht online. In: www.sueddeutsche.de. 11. August 2011, abgerufen am 11. August 2011 (Süddeutsche Zeitung online am 11. August 2011).
- taz online am 12. August 2011: Probearchitektur steht. Abgerufen am 12. August 2011.
- gulli.com am 10. August 2011: OpenLeaks kurz vor der Alpha-Phase (Memento vom 4. September 2012 im Webarchiv archive.today)
- Zeit online am 14. August 2011: CCC wirft Domscheit-Berg raus. Abgerufen am 14. August 2011.
- Ergebnis der außerordentlichen Mitgliederversammlung. Abgerufen am 4. Januar 2015.
- ORF am 26. August 2011: "Alles Interessante längst veröffentlicht"; Interview mit Daniel Domscheit-Berg. Abgerufen am 4. Dezember 2011.
- Foodwatch am 7. November 2011: Kein foodwatch-Briefkasten bei OpenLeaks. Abgerufen am 13. Dezember 2011.
- Openleaks soll online gehen. Virtueller Briefkasten / "Keine Konkurrenz für Wikileaks", FAZ vom 14. Dezember 2010, Nr. 291, Seite 5
- Dominic Herzberg: Open Leaks – Wenn aus einer Idee eine Dienstleistung wird (Memento vom 16. Dezember 2010 im Internet Archive), Blog Nachtrag vom 14. Dezember 2010, abgerufen am 15. Dezember 2010
- Wikileaks-Alternative Openleaks: Zweites Leck im Januar; 14. Dezember 2008. Abgerufen am 21. Dezember 2010.
- Wikileaks findet Nachahmer in Deutschland ; 13. Dezember 2010. Archiviert vom Original am 15. Dezember 2010; abgerufen am 21. Dezember 2010.
- Spiegel online am 4. Dezember 2010: WikiLeaks-Aussteiger baut eigene Seite auf. Abgerufen am 21. Dezember 2010.
- Wikileaks-Mitgründer: Openleaks geplant ; 13. Dezember 2010. Archiviert vom Original am 19. Dezember 2010; abgerufen am 21. Dezember 2010.
- Digital Planet; 14. Dezember 2010. Abgerufen am 21. Dezember 2010.
- OpenLeaks is coming soon ...While we continue to work on our first public appearance, for a little longer, please join us on social media:. Archiviert vom Original am 18. Februar 2011; abgerufen am 2. Januar 2011.
- tech President am 17. Dezember 2010: From Wikileaks to OpenLeaks, Via the Knight News Challenge. Abgerufen am 2. Januar 2011.
- OpenLeaks. Archiviert vom Original am 30. Januar 2011; abgerufen am 8. Februar 2011.
- Openleaks bei Identi.ca. Archiviert vom Original am 24. Dezember 2010; abgerufen am 8. Februar 2011.