Olga Tschechowa
Olga Konstantinowna Tschechowa (russisch Ольга Константиновна Чехова, wiss. Transliteration Ol’ga Konstantinovna Čechova; ursprünglich Olga von Knipper; * 14. Apriljul. / 26. April 1897greg. in Alexandropol, Russisches Kaiserreich, heute Gjumri, Armenien; † 9. März 1980 in München) war eine deutsche Schauspielerin russisch-deutscher Herkunft.
Leben
Sie wurde in eine deutschsprachige Familie, die ursprünglich aus Saarbrücken stammte, in Russland hineingeboren. Ihr Vater war Ingenieur und brachte es bis zum kaiserlichen Eisenbahnminister. Ihr jüngerer Bruder war der Komponist Lew Konstantinowitsch Knipper. Ihre Tante, die Schauspielerin Olga Knipper-Tschechowa, war mit dem russischen Dramatiker Anton Tschechow verheiratet.
Olga von Knipper studierte vorübergehend Bildhauerei und Medizin in St. Petersburg. Nach einer Schauspielausbildung bei Konstantin Stanislawski in Moskau übernahm sie erste Rollen am Tschechow-Künstlertheater. 1914 heiratete sie den Schauspieler Michael Tschechow. Nach drei Jahren wurde die Ehe geschieden. Aus dieser Ehe stammt ihre Tochter Ada Tschechowa.
1936 heiratete sie den belgischen Industriellen Marcel Robyns, doch auch diese Ehe wurde schon nach drei Jahren geschieden.
Olga Tschechowa, die schon 1917/18 in Russland erste Filmerfahrungen gemacht hatte, emigrierte 1921 nach Deutschland, schlug sich zunächst in Berlin als Plakatmalerin durch und wurde im gleichen Jahr von Friedrich Wilhelm Murnau für den Film Schloß Vogelöd entdeckt. Zwei Jahre später folgte ihre erste Hauptrolle in Ibsens Nora. Ihr Bühnendebüt gab sie 1925 am Berliner Renaissance-Theater. Unter der Regie von René Clair spielte sie 1927 in der französischen Komödienverfilmung Der Florentiner Hut. In England trat sie in Ewald André Duponts Moulin Rouge (1928) auf. 1928/29 war sie Co-Produzentin von fünf Filmen, beim letzten – Der Narr seiner Liebe mit Michael Tschechow in der Hauptrolle – führte sie auch Regie. Neben Lilian Harvey wirkte Olga Tschechowa 1930 in einem der ersten deutschen Tonfilme, dem Lustspiel Die Drei von der Tankstelle, in einer Nebenrolle mit. Zu ihren Filmpartnern gehörten Ewald Balser und Willy Birgel.
1930 erhielt Olga Tschechowa die deutsche Staatsbürgerschaft. Im März 1931 hob die ungarische Regierung das für ein Gastspiel von Tschechowas Berliner Truppe in Budapest ergangene Verbot auf.[1] Die Tschechowa wurde die Grande Dame des deutschen Films – dies besonders auch in der Zeit des Nationalsozialismus.[2] Sie spielte in etwa 140 deutschen Filmen mit, darunter besonders häufig in Melodramen. Ihre Regisseure waren u. a. bis 1933 Max Ophüls, dann Willi Forst, Carl Froelich, Harry Piel, Erich Waschneck und Wolfgang Liebeneiner. In ihren Memoiren verhehlte sie nicht ihre guten Beziehungen zu Hitler und anderen Nazi-Größen, oft war sie Hitlers Tischdame.[3] Sie stand 1944 in der Gottbegnadeten-Liste des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda.[4]
Bei Kriegsende 1945 wurde sie noch im April nach Moskau geflogen und in einer konspirativen Wohnung untergebracht, wo sie ungefähr zwei Monate blieb. Offiziere waren die ganze Zeit um sie herum und fuhren sie auch zu Gesprächen in den Kreml – mit dem Geheimdienstchef Beria. Dann durfte sie wieder nach Deutschland zurück.[5] Aus dieser Behandlung erwuchsen Vermutungen, sie habe einem Spionagenetz angehört.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete sie ohne großen Erfolg ein eigenes Theater in Berlin und eine eigene Filmgesellschaft. Ihr Rollentyp wandelte sich von der mondänen Dame, die sie noch in Burgtheater (1936) und Andreas Schlüter (1942) verkörperte, zur willensstarken Frau und Mutter. Tschechowa, seit 1937 Diplom-Kosmetikerin, führte auch einen Kosmetiksalon und gründete 1958 ihre erfolgreiche Kosmetikfirma Olga-Tschechowa-Kosmetik mit Niederlassungen in München, Berlin und Mailand.
Ihre Tochter Ada Tschechowa und ihre Enkelin Vera Tschechowa wurden gleichfalls bekannte Schauspielerinnen. Ada kam 1966 bei einem Flugzeugunglück in Bremen ums Leben. 1971 spielte Olga Tschechowa mit ihrer Enkelin in Duell zu dritt. Die Schauspielerin Marina Ried war ihre Nichte. Olga Tschechowas Ruhestätte liegt bei ihrer Tochter Ada auf dem Friedhof der oberbayerischen Gemeinde Gräfelfing, Landkreis München.[6]
Ihrer Autobiografie Ich verschweige nichts (1952) folgten 1973 die Erinnerungen Meine Uhren gehen anders. Vadim Glowna, der damalige Ehemann ihrer Enkelin Vera, drehte 1984 das Porträt Tschechow in meinem Leben über die Familie.
Auszeichnungen
- 1962: Filmband in Gold für langjähriges und erfolgreiches Wirken im deutschen Film
- 1972: Großes Bundesverdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
- 1978: Nach Olga Tschechowa wurde eine Rosensorte benannt.
Filmografie (Auswahl)
- 1921: Schloß Vogelöd
- 1921: Hochstapler
- 1923: Nora
- 1923: Der verlorene Schuh
- 1924: Soll und Haben
- 1925: Die Gesunkenen
- 1926: Die Mühle von Sanssouci
- 1926: Familie Schimek
- 1926: Der Mann im Feuer
- 1926: Brennende Grenze
- 1927: Der Meister der Welt
- 1928: Der Florentiner Hut
- 1928: Moulin Rouge
- 1928: Die Siegerin (After the Verdict)
- 1929: Der Narr seiner Liebe
- 1930: Liebe im Ring
- 1930: Liebling der Götter
- 1930: Die Drei von der Tankstelle
- 1931: Mary
- 1931: Panik in Chicago
- 1931: Das Konzert
- 1932: Trenck
- 1932: Spione im Savoy Hotel
- 1933: Der Choral von Leuthen
- 1933: Liebelei
- 1933: Ein gewisser Herr Gran
- 1934: Zwischen zwei Herzen
- 1934: Die Welt ohne Maske
- 1934: Peer Gynt
- 1934: Maskerade
- 1935: Regine
- 1935: Lockspitzel Asew
- 1935: Künstlerliebe
- 1935: Die ewige Maske
- 1935: Ein Walzer um den Stephansturm
- 1936: Der Favorit der Kaiserin
- 1936: Seine Tochter ist der Peter
- 1936: Petersburger Romanze
- 1936: Burgtheater
- 1936: Hannerl und ihre Liebhaber
- 1937: Unter Ausschluß der Öffentlichkeit
- 1937: Liebe geht seltsame Wege
- 1937: Gewitterflug zu Claudia
- 1937: Die gelbe Flagge
- 1938: Es leuchten die Sterne
- 1938: Rote Orchideen
- 1939: Die unheimlichen Wünsche
- 1939: Ich verweigere die Aussage
- 1939: Parkstraße 13
- 1939: Bel Ami
- 1939: Befreite Hände
- 1940: Angelika
- 1940: Leidenschaft
- 1940: Der Fuchs von Glenarvon
- 1941: Menschen im Sturm
- 1942: Mit den Augen einer Frau
- 1942: Andreas Schlüter
- 1943: Reise in die Vergangenheit
- 1943: Gefährlicher Frühling
- 1943: Der ewige Klang
- 1944: Melusine
- 1948: Im Tempel der Venus
- 1950: Eine Nacht im Séparée
- 1950: Kein Engel ist so rein
- 1950: Der Mann, der zweimal leben wollte
- 1950: Maharadscha wider Willen
- 1950: Eine Frau mit Herz
- 1950: Zwei in einem Anzug
- 1950: Aufruhr im Paradies
- 1951: Das Geheimnis einer Ehe
- 1951: Mein Freund, der Dieb
- 1951: Begierde
- 1952: Hinter Klostermauern
- 1953: Alles für Papa
- 1954: Rosen-Resli
- 1954: Rittmeister Wronski
- 1955: Die Barrings
- 1958: U 47 – Kapitänleutnant Prien
- 1963: Jack und Jenny
- 1971: Duell zu dritt (Fernsehserie)
- 1973: Die Zwillinge vom Immenhof
- 1974: Frühling auf Immenhof
Literatur
- Antony Beevor: Die Akte Olga Tschechowa. Das Geheimnis von Hitlers Lieblingsschauspielerin. 1. Auflage. Bertelsmann, München 2004. ISBN 3-570-00826-6
- Viktor Fishman, Der Filmstar Olga Tschechowa. In: Das russische München. Hrsg. Mir e.V., Zentrum russischer Kultur in München. München 2010, S. 195–205, ISBN 978-3-98-05300-9-5.
- Renata Helker: Die Tschechows. Wege in die Moderne. Hrsg. v. Deutsches Theatermuseum München. Henschel, Berlin 2005. ISBN 3-89487-502-X
- Renata Helker: „Schön. Und von besonderer Kultur.“ Olga Tschechowa in Schloss Vogelöd. In: Michael Omasta, Brigitte Mayr, Christian Cargnelli (Hrsg.): Carl Mayer, Scenar[t]ist. Ein Script von ihm war schon ein Film – „A script by Carl Mayer was already a film“. Synema, Wien 2003. ISBN 3-901644-10-5
- Claudia Romani, Die Diven des Dritten Reiches – Stars zwischen Kult und Terror. Gremese, Rom 2001, ISBN 3-89472-374-2.
- Ingrun Spazier: Olga Tschechowa – Schauspielerin. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 26, 1995.
- Olga Tschechowa, C. C. Bergius: Ich verschweige nichts! Autobiografie. Zimmer & Herzog, Berchtesgaden 1952.[7]
- Olga Tschechowa: Meine Uhren gehen anders. Herbig, München/Berlin 1973, ISBN 3-7766-0632-0.
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 8: T – Z. David Tomlinson – Theo Zwierski. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 71 f.
Weblinks
- Literatur von und über Olga Tschechowa im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Olga Tschechowa in der Internet Movie Database (englisch)
- Olga Tschechowa bei filmportal.de
- Olga Tschechowa. In: Virtual History (englisch)
- Olga Tschechowa: Schauspielerin, Sexsymbol und auch Spionin? bei Russland HEUTE
Einzelnachweise
- Aufhebung des Budapester Spielverbotes für Olga Tschechowa.. In: Neue Freie Presse, Abendblatt, 24. März 1931, S. 3, unten links. (online bei ANNO).
- Claudia Romani: Die Diven des Dritten Reiches – Stars zwischen Kult und Terror. Gremese, Rom 2001, ISBN 3-89472-374-2, S. 53.
- Hans Sarkowicz: Hitlers Künstler: Die Kultur im Dienst des Nationalsozialismus. Insel Verlag, 2004. ISBN 3-458-17203-3. S. 358.
- Tschechowa, Olga. In: Theodor Kellenter: Die Gottbegnadeten : Hitlers Liste unersetzbarer Künstler. Kiel: Arndt, 2020 ISBN 978-3-88741-290-6, S. 414
- Olga Tschechowa biography. Abgerufen am 7. April 2018 (englisch).
- knerger.de: Das Grab von Olga Tschechowa
- Permalink Deutsche Nationalbibliothek.