Offiziersbursche
Ein Offiziersbursche, in Österreich-Ungarn Offiziersdiener, auch umgangssprachlich „Pfeifendeckel“ bzw. „Putzfleck“ genannt, war eine jüngere Ordonnanz, die den Offizieren aller Grade, Ärzten und Zahlmeistern zur persönlichen Bedienung zugewiesen wurden. Ihnen standen Soldaten außerhalb aktiven Dienststandes zu, die nicht Gefreite sein durften. In Österreich-Ungarn zählten Offiziersdiener nicht zu den Kombattanten, sondern waren zum Dienst ohne Waffe ausgehoben.[1]
Geschichte
Bereits die Ritter des Mittelalters kannten den Schildknappen als jemanden, der sich vom untersten Ende der militärischen Leiter „von der Pike auf“ hochzudienen hatte. Jedoch entwickelte sich der Offiziersbursche aus den Leib- und Kammerdienern der adeligen Offiziere im Feudalismus. Aufgabe der Offiziersburschen war es, dem adeligen Herrn in den alltäglichen Aufgaben und Besorgungen zur Stelle zu sein. Diese Kammerdiener wurden zumeist vom Adel selbst mitgebracht und ausgehalten und zählten daher auch nicht zum offiziellen Heer. Als zunehmend bürgerliche Kreise in die Offizierslaufbahn strebten, wurde diesen, die in der Regel keinen Leibdiener mitbrachten, ein Soldat für diese Aufgaben bereitgestellt: der Offiziersbursche.
In der Reichswehr der Weimarer Republik, der Wehrmacht und der Bundeswehr gab bzw. gibt es keine Offiziersburschen, wohl aber den Ordonnanzoffizier und den Adjutanten.
Aufgaben
Im Deutschen Kaiserreich begann die Wehrpflicht mit 17 Jahren, der aktive Dienst begann mit dem vollendeten 20. Lebensjahr und dauerte zwei Jahre bei der Infanterie und drei Jahre bei der Kavallerie.
„Der Offizier hat bekanntlich einen Burschen, das heißt einen Soldaten als Diener zu seiner persönlichen Verfügung. Soweit der betreffende Offizier dienstlich beritten ist, also vom Hauptmann an aufwärts, hat er deren sogar zwei. Der zweite hat lediglich auf das Pferd aufzupassen und es zu pflegen. [auch Reitbursche genannt, Anm. d. V.] Jeder Bursche muss ein Jahr an der Front dienen [gemeint ist der gewöhnliche militärische Drill, Anm. d. V.] und dient das zweite Jahr als Bursche. Ein Posten, der sehr gesucht ist. Diese Männer sind im Allgemeinen dienstfrei und werden nur dreimal in der Woche, entweder am Vormittag oder nachmittags herangezogen, damit sie nicht zu fett werden und nicht alles Gelernte wieder vergessen.“
Gegenüber dem Offizier, der sich seinen Burschen auswählte, bestand in der Regel ein Treueverhältnis bis hin zur Intimität. Erwartet wurde unbedingte Loyalität bis hin zur aufopferungsvollen Hingabe für den Dienstherrn. Die Regimentsgeschichten des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts sind voll mit Berichten, in denen der Bursche seinen Herrn trotz Lebensgefahr nicht verlassen hat, bzw. beim Bergen des Dienstherrn selbst gefallen ist.
„Bursche zu sein ist eine besondere Vertrauensstellung. Nur wen der Hauptmann für besonders treu, zuverlässig, ordentlich, selbstständig und ehrlich hält, wird er zum Burschen bestimmen.“
Zu seinen täglichen Aufgaben gehörten das Reinigen und Pflegen von Uniform und Waffen, Besorgungs- und Botengänge, das tägliche Reiten des Dienstpferdes, sofern der Offizier nicht dazu kam, das Reinigen des Pferdestalles und die Pflege und Fütterung des Tieres, das Bereitstellen des entsprechenden Anzuges für Paraden, Kirchgang oder Vorgesetzte, die Organisation des Tagesablaufes. Offiziersburschen bekleideten zwar die geringste Dienststellung innerhalb der Streitkräfte, hatten aber in ihrem Offizier einen potenten Fürsprecher und genossen daher auch eine gewisse Freiheit.
Rezeption
Berühmt geworden ist in der Rolle des Offiziersburschen Schwejk, der die sprichwörtliche Burschentreue gegenüber dem bigotten Offiziersdünkel derart kolportierte, dass sie in zeitlichem Sinne als überkommene Gesellschaftskritik aufgefasst werden muss: Er half seinem Leutnant aus allen Verlegenheiten und Geldnöten, vertröstete die Gläubiger des notorisch Spielsüchtigen, organisierte dem Alkoholkranken Branntwein und arrangierte die Weibergeschichten des Frauenhelden, bis schließlich der Drückeberger an die Front geschickt wurde.
Im Film Kaisermanöver von 1954 spielen sowohl Josef Meinrad als auch Hans Moser „Pfeifendeckel“.
Siehe auch
- Der Bursche und der Offizier, Kurzgeschichte (1880) von Wsewolod Garschin
- Der brave Soldat Schwejk, Roman von Jaroslav Hašek (1883–1923), 1960 verfilmt
Einzelnachweise
- Quelle: „Meyers Konversationslexikon“ 1910
- „Mal wieder der Junker“ - Band 1: Vom Eintritt in die Königlich-Preußische Armee bis zur Kriegsschule Engers (Ein Soldatenleben in 10 Bänden 1910 - 1923), S. 64
- Der gute Kamerad. Ein Lern- und Lesebuch für den Dienstunterricht des deutschen Infanteristen. S. 90 ff
Literatur
- Major von Klaß (Hrsg.): Der gute Kamerad. Ein Lern- und Lesebuch für den Dienstunterricht des deutschen Infanteristen. Ausgabe für Bayern, 20. Auflage, Berlin 1915