O Deutschland hoch in Ehren
O Deutschland hoch in Ehren ist ein deutsches Soldatenlied. Der Text stammt von Ludwig Bauer (1832–1910) aus dem Jahr 1859. Henry Hugo Pierson verfasste die Melodie. Das Lied gehörte später auch zum Liedgut an Schulen der Weimarer Republik und der anschließenden Zeit des Nationalsozialismus.
Entstehung
Der von England nach Deutschland eingewanderte Komponist Henry Hugo Pierson (eigentlich Henry Hugh Pearson)[1] hatte 1858 eine Melodie für das patriotische Kriegslied Ye mariners of England von Thomas Campbell geschrieben.[2] 1859 lernte er Ludwig Bauer kennen, der 1861 Piersons Stieftochter Dorothea Lyser, eine damals bekannte Sängerin, heiratete. Pierson forderte Bauer auf, deutsche Worte zu dieser Melodie zu schreiben.[3] Bauer verfasste eine erste Fassung mit dem Titel Haltet aus im Sturmgebraus! und der Anfangsstrophe
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Zeitgeschichtlicher Hintergrund war die weit verbreitete Befürchtung, dass im Zuge des sich anbahnenden Sardinischen Krieges französische Truppen Deutschland angreifen könnten. Diese erste Fassung ließ Pierson durch den Würzburger Musikalienhändler Röser drucken und führte sie hier am 16. April 1859 im akademischen Musiksaal mit großem Erfolg erstmals auf. Als der wenig später begonnene Krieg für Frankreich und Österreich unkalkulierbare Gefahren heraufbeschwor, beendeten sie ihn im Juli 1859 durch den Vorfrieden von Villafranca. Damit war die unmittelbare Bedrohung vorüber und Bauer dichtete noch im gleichen Jahr das Lied um und gab ihm die später rezipierte Form mit der Überschrift Beharrlich! Eine deutsche Volkshymne. Im Druck erschien diese überarbeitete Fassung erstmals 1860 in Leipzig bei Schubert & Co. als Piersons op. 30. Bauer nahm es nie in seine eigene Gedichtsammlungen auf.[4]
Geschichte und Wirkung
Der Begriff der „Treue“ wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts politisch sakralisiert. Das Lied „O Deutschland hoch in Ehren, Du heil’ges Land der Treu“ wurde in diesem Zusammenhang am Ende des 19. Jahrhunderts zu einem der wichtigsten patriotischen Lieder. Neben dem Deutschlandlied wurde es von deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg gesungen.[5] Es galt schnell als „das beliebteste vaterländische Soldatenlied“.[6] Seiner Beliebtheit entsprechend gab es eine ganze Reihe von teils bissigen Parodien, wovon O Deutschland hoch in Ehren, Du kannst uns nicht ernähren[7] am meisten verbreitet war.
Der Titel war Anlass für einen gleichnamigen Roman von Dietrich Vinke aus dem Ersten Weltkrieg.[8] Ein Buch über das „deutsche Trutzlied“ veröffentlichte Karl Reisert 1917.[9]
Während der Weimarer Republik war das Lied neben dem Deutschlandlied und der Wacht am Rhein Bestandteil des Liedguts an Schulen. Bestrebungen, nationale Lieder als „geschmacklos und veraltet“ aus dem Unterricht zu entfernen, stießen auf politischen Widerstand.[10]
Beim Hitlerputsch war das Lied eines der Lieder, die während des Marsches am 9. November 1923 gesungen wurden.[11] Bei der SA war das Lied allerdings wenig gebräuchlich, da es an den konservativen Nationalismus der Vorkriegsjahre anknüpfte und nur schlecht zur Marschbegleitung eingesetzt werden konnte.[12] Das Lied gehörte aber auch an Schulen zum musikalischen Repertoire des Nationalsozialismus.[13] „O Deutschland hoch in Ehren“ war auch der Titel einer Auswahl deutscher Gedichte für die heranwachsende Jugend, herausgegeben von Peter Kolb 1937 bei Diesterweg.
Der im Konzentrationslager Lichtenburg inhaftierte Rabbiner Max Abraham berichtete später, dass dort Häftlinge „im Marsch-Marsch-Tempo stundenlang durch den Hof gejagt“ wurden, wobei sie die Lieder O Deutschland hoch in Ehren, Ich hatt’ einen Kameraden, O Straßburg, Märkische Heide und Deutschland, Deutschland über alles singen mussten.[14]
Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Melodie regelmäßig zur Untermalung besonders feierlicher oder heroischer Beiträge in der Deutschen Wochenschau eingesetzt.[15]
Abwandlungen des Liedes sind in jüngerer Zeit auch im Rechtsrock populär, beispielsweise in einer Version der Band Schwarzer Orden als „Lied des deutschen Soldaten“, in der der christliche Bezug des Liedes durch Odin ersetzt wird.[16]
Text
In den Sammlungen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts finden sich sowohl dreistrophige als auch zweistrophige Fassungen des Liedes. Die dreistrophige Fassung lautet:
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Bei der zweistrophigen Fassung, die vor allem durch das Liederbuch für Deutsche Turner, das offizielle Liederbuch der deutschen Turnbewegung, weit verbreitet wurde, lautet die zweite Strophe:[17]
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Literatur
- Karl Reisert: O Deutschland hoch in Ehren: das deutsche Trutzlied: sein Dichter und Komponist, seine Entstehung und Überlieferung. Stürtz, Würzburg 1917.
- Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Bd. 2, Akademie-Verlag, Berlin 1962 (und weitere Auflagen), S. 360 (Nr. 255).
Weblinks
- O Deutschland hoch in Ehren: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project
- O Deutschland hoch in Ehren auf YouTube
Einzelnachweise
- Deutsches Rundfunkarchiv, Marion Gillum, Jörg Wyrschowy: Politische Musik in der Zeit des Nationalsozialismus: ein Verzeichnis der Tondokumente (1933–1945). Band 30 von Veröffentlichungen des Deutschen Rundfunkarchivs. Verlag für Berlin-Brandenburg, 2000, ISBN 3-932981-74-X, S. 113.
- Nicholas Temperley: Henry Hugo Pierson, 1815–73. The Musical Times, Vol. 114, No. 1570 (Dec., 1973), Musical Times Publications Ltd., S. 1217–1220 (online).
- Steinitz (Lit.), S. 362
- Nach Johannes Trüper: Über das Leben und Wirken des Dichters des Liedes: O Deutschland hoch in Ehren. In: Zeitschrift für Kinderforschung: Organ der Gesellschaft für Heilpädagogik und des Deutschen Vereins zur Fürsorge für Jugendliche Psychopathen 23 (1918), S. 95–97 (Digitalisat).
- Michael Kohlstruck: Hitlers Stellvertreter. Die Mythologisierung von Rudolf Heß im deutschen Rechtsextremismus, www.netz-gegen-nazis.de, 2008, abgerufen am 31. Oktober 2010
- Wilhelm Schumacher: Leben und Seele unseres Soldatenlieds im Weltkrieg. Frankfurt a. M. 1928 (Deutsche Forschungen 20), S. 222, zitiert bei Steinitz (Lit.), S. 362.
- Steinitz (Lit.), S. 361
- www.archive.org (Dietrich Finke – Roman aus dem Ersten Weltkrieg)
- Karl Reisert: O Deutschland hoch in Ehren: das deutsche Trutzlied: sein Dichter und Komponist, seine Entstehung und Überlieferung. Stürtz, 1917.
- Steffen Rassloff: Flucht in die nationale Volksgemeinschaft: das Erfurter Bürgertum zwischen Kaiserreich und NS-Diktatur (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen: Kleine Reihe, Band 8). Böhlau Verlag, Köln/Weimar 2003, ISBN 3-412-11802-8, S. 274 (online).
- Joachim C. Fest: Hitler. Vlg. Houghton Mifflin Harcourt, 2002, ISBN 0-15-602754-2, S. 189 (online).
- Günter Hartung: Deutschfaschistische Literatur und Ästhetik: gesammelte Studien. Leipziger Universitätsverlag, 2001, S. 182.
- Emil Preyer: So habe ich’s erlebt. BoD, 2009.
- Guido Fackler: Des Lagers Stimme. Edition Temmen, Bremen 2000, ISBN 3-86108-759-6, S. 135.
- Vgl. z. B. Wochenschauen Nr. 647 vom 27. Januar 1943, Nr. 712 vom 26. April 1944, Nr. 741 vom 16. November 1944.
- Stefan von Hoyningen-Huene: Religiosität bei rechtsextrem orientierten Jugendlichen. LIT Verlag, 2003, S. 258.
- Zitiert nach Liederbuch für Deutsche Turner. 87. Auflage. Westermann, Braunschweig o. J. [ca. 1880], S. 69 (Nr. 96).