Nicäno-Konstantinopolitanum
Das Nicäno-Konstantinopolitanum (auch Nicaeno-Konstantinopolitanum oder Nizäno-Konstantinopolitanum oder Großes Glaubensbekenntnis genannt) ist ein christliches Glaubensbekenntnis, das oft als Credo in der Liturgie Verwendung findet. Dort wird es oft (nicht korrekt) als „nicänisches Glaubensbekenntnis“ (lateinisch fides Nicaena oder symbolum Nicaenum) bezeichnet. Die römisch-katholische Kirche nennt es in der Liturgie (etwa im Gotteslob Nr. 586,2) das Große Glaubensbekenntnis. Im Evangelischen Gesangbuch zählt es zu den Grundtexten des Gottesdienstes (z. B. EG Württemberg Nr. 687).
Das Nicäno-Konstantinopolitanum wurde von der Kirche seit 451 als maßgebend bezeichnet. Neben dem Apostolikum ist es weithin anerkannt; die Kirchen westlicher Tradition beziehen sich außerdem noch auf das Athanasianum. In den orthodoxen Kirchen und der altkatholischen Kirche ist es ohne den Zusatz des Filioque in Gebrauch.
Geschichte
Nach der populären Annahme handelt es sich dabei um eine Erweiterung des Glaubensbekenntnisses des ersten Konzils von Nicäa (325), die auf dem ersten Konzil von Konstantinopel (381) beschlossen wurde. Dabei soll der Religionspolitik des Kaisers Theodosius I. Rechnung getragen worden sein, der das Konzil einberufen hatte. Seine tatsächliche Entstehungsgeschichte und literarische Grundlage ist jedoch bis heute nicht gesichert.
Der Text ist erstmals überliefert vom Konzil von Chalcedon (451), wo er öffentlich verlesen und als Glaubensbekenntnis von Konstantinopel („Bekenntnis der 150 heiligen Väter“) bezeichnet wird. Dabei werden sowohl das Bekenntnis von Nicäa als auch das Nicäno-Konstantinopolitanum bestätigt:[1]
„Wir haben durch gemeinsames Urteil die Lehren des Irrtums verjagt und den irrtumslosen Glauben erneuert; wir haben das Glaubenssymbol der 318 [Väter] allen verkündet und diejenigen Väter als die unsrigen anerkannt, die diese Kurzformel des rechten Glaubens angenommen haben; es sind die 150 [Väter], die danach im großen Konstantinopel zusammengekommen sind und ihrerseits denselben Glauben besiegelten … Um ihnen [=den Häretikern] alle Machenschaften gegen die Wahrheit zu verwehren, hat deshalb diese jetzt versammelte heilige, große und ökumenische Synode, die lehrt, was von Anfang an unerschütterlich verkündet wird, entschieden, daß vor allem der Glaube der 318 heiligen Väter unangetastet bleibt. Ferner bestätigt sie wegen der Kämpfer gegen den Heiligen Geist die Lehre über das Wesen des Geistes, die einige Zeit später von den 150 in der Kaiserstadt versammelten Vätern überliefert wurde.“
Als »Lehren des Irrtums« wurden hier und in den Verdammungszeilen am Ende des nicänischen Bekenntnisses Arius und seine Anhänger verurteilt, die in der Frage des Verhältnisses zwischen Gottvater und Sohn Gottes eine andere Auffassung vertraten.
Vom sechsten Jahrhundert an wird das Nicäno-Konstantinopolitanum als eine Revision des Bekenntnisses von Nicäa bezeichnet, das in den Orientalisch-Orthodoxen Kirchen bis heute verwendet wird.
In späteren Zeiten fügte die westliche Kirche beim Heiligen Geist den Zusatz „und dem Sohn“, lateinisch: Filioque, hinzu. Dieser Zusatz kam zuerst bei den Westgoten im frühmittelalterlichen Spanien vor und wurde – nach einer Zeit der Ablehnung – auf Bitten Kaiser Heinrichs II. auch von Papst Benedikt VIII. akzeptiert, ohne dass dieser die übrigen vier Patriarchate konsultiert hatte. Dieser Zusatz ist einer der theologischen Hauptgründe für die Aufrechterhaltung des Morgenländischen Schismas zwischen der West- und der Ostkirche.
Abgesehen von diesem Streitpunkt ist das Nicäno-Konstantinopolitanum das Glaubensbekenntnis, das alle Kirchen, die die ersten beiden ökumenischen Konzilien anerkennen, verbindet.
Text mit Übertragungen
Griechisch | Lateinisch | Deutsch | Syrisch / Aramäisch |
---|---|---|---|
Πιστεύομεν εἰς ἕνα Θεόν, |
Credo in unum Deum, |
Wir[2] glauben an den einen Gott, |
ܡܗܝܡܢܝܢܢ ܒܚܕ ܐܠܗܐ. ܐܒܐ ܐܚܝܕ ܟܠ |
Textvergleich
Trotz ungesicherter Textgeschichte steht das Nicäno-Konstantinopolitanum in engem Zusammenhang mit dem Bekenntnis von Nicäa. Zum genauen Vergleich werden die beiden Texte gegenübergestellt (mit den Streichungen und Ergänzungen).
Nicänisches Bekenntnis | Nicäno-Konstantinopolitanum |
---|---|
Wir glauben an einen Gott, | Wir glauben an einen Gott, |
den allmächtigen Vater, | den allmächtigen Vater, |
der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, | |
den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren. | alles Sichtbare und Unsichtbare. |
Und an den einen Herrn Jesus Christus, | Und an den einen Herrn Jesus Christus, |
den Sohn Gottes, | den Sohn Gottes, |
der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ist, d. h. aus dem Wesen des Vaters | der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ist vor aller Zeit, |
Gott von Gott[5], Licht vom Licht, | Licht vom Licht, |
wahrer Gott vom wahren Gott, | wahrer Gott vom wahren Gott, |
gezeugt, nicht geschaffen, | gezeugt, nicht geschaffen, |
eines Wesens mit dem Vater; | eines Wesens mit dem Vater; |
durch den alles geworden ist, was im Himmel und was auf Erden ist; | durch den alles geworden ist; |
der für uns Menschen und wegen unseres Heils herabgestiegen | der für uns Menschen und wegen unseres Heils vom Himmel herabgestiegen |
und Fleisch geworden ist, | und Fleisch geworden ist durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria, |
Mensch geworden ist, | Mensch geworden ist, |
der für uns gekreuzigt wurde unter Pontius Pilatus | |
gelitten hat | gelitten hat und begraben worden ist, |
und am dritten Tage auferstanden ist | und am dritten Tage auferstanden ist nach der Schrift |
und aufgestiegen ist zum Himmel, | und aufgestiegen ist zum Himmel, |
Er sitzt zur Rechten des Vaters | |
und wird wiederkommen, um die Lebenden und die Toten zu richten; | und wird wiederkommen in Herrlichkeit, um die Lebenden und die Toten zu richten; |
und seiner Herrschaft wird kein Ende sein. | |
und an den Heiligen Geist. | Und an den Heiligen Geist, |
der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, und die eine, heilige, katholische / allgemeine / christliche und apostolische Kirche. Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt. |
Literatur
- Josef Wohlmuth (Hrsg.): Dekrete der ökumenischen Konzilien (Concilium Oecumenicum Decreta). Band 1: Konzilien des ersten Jahrtausends: vom Konzil von Nizäa (325) bis zum Vierten Konzil von Konstantinopel (869/870). 2. Auflage. Schöningh, Paderborn 1998, ISBN 3-506-79806-5 (Dokumente im Wortlaut)
- Reinhart Staats: Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Historische und theologische Grundlagen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996, ISBN 3-534-01840-0
- John N. D. Kelly: Early Christian Creeds. 3. Auflage. Longman, Harlow 1972, ISBN 0-582-49219-X
Weblinks
Anmerkungen
- Horos (Glaubensentscheidung) des Konzils von Chalcedon; zitiert nach Josef Wohlmuth (Hrsg.): Concilium oecumenicorum decreta, Band 1; Paderborn: Ferdinand Schöningh, 19983, S. 83–85
- Der griechische Originaltext hat durchgängig die Mehrzahl. In der Fassung der lateinischen und auch der griechischen Liturgie steht durchgängig die Einzahl („Ich glaube …“), da das Bekenntnis als Taufbekenntnis des Einzelnen gebräuchlich war, während es im griechischen Original als verbindendes Bekenntnis des Konzils konzipiert ist.
- Das sogenannte Filioque entfällt in der Fassung der griechisch-katholischen, orthodoxen und altkatholischen Kirchen.
- In der katholischen Kirche wird altgriechisch καθολικός katholikós „das Ganze betreffend, allgemein“ mit katholisch wiedergegeben. Im Protestantismus ist seit der Zeit Martin Luthers die Wiedergabe mit christlich gängig, siehe Albrecht Peters: Kommentar zu Luthers Katechismen. Bd. 2: Der Glaube. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1990, S. 222; das Evangelische Gottesdienstbuch. Agende für die EKU und die VELKD. Verlagsgemeinschaft Evangelisches Gottesdienstbuch, Berlin 1999, S. 75, gibt es mit allgemein wieder.
- Der Ausdruck „Gott von Gott“ fehlt in der griechischen Version des Nizäo-Konstantinopolitanums, wurde aber in der lateinischen Tradition wieder eingefügt; im Gegensatz zum Filioque ist er inhaltlich unumstritten.