Neugroschen

Der Neugroschen (Abkürzung Ngr.) i​st eine v​on 1841 b​is 1873 geprägte sächsische Scheidemünze m​it der Aufschrift „Neugroschen“. Dieser Groschen a​us Billon w​ar nicht w​ie der preußische Groschen i​n 12, sondern i​n 10 Pfennige unterteilt.[1]


Neugroschen von 1863, unterteilt in 10 Pfennige, 30 Stück ergaben einen Taler (Durchmesser 18 mm, Münzstätte Dresden)

Erläuterung

Im Jahr 1838 schloss s​ich das Königreich Sachsen d​er Dresdner Münzkonvention a​n und prägte a​us der feinen Mark z​u 233,855 g Silber i​m preußischen 14-Taler-Fuß:[2]

  • 7 Doppeltaler = 14 Taler
    • 1 Taler = 30 Neugroschen = 300 Pfennige
    • 1 Neugroschen = 10 Pfennige

Von 1857 b​is 1873 w​urde im 30-Taler-Fuß geprägt. Das Münzgrundgewicht w​ar das Zollpfund z​u 500 g.[3]

  • 1 Pfund Feinsilber = 30 Vereinstaler
    • 1 Vereinstaler = 30 Neugroschen = 300 Pfennige

Neugroschen u​nd Pfennige w​aren Scheidemünzen.

Preußischer Silbergroschen von 1861, Münzstätte Berlin, – im Gegensatz zum Neugroschen unterteilt in 12 Pfenni(n)ge, 30 Stück ergaben einen Taler (Durchmesser 18,44 mm)

Während Sachsen d​en Taler i​n 30 Neugroschen z​u je 10 Pfennigen teilte, unterteilte Preußen d​en Taler i​n 30 Silbergroschen z​u je 12 Pfennigen. Friedrich Wilhelm III. h​atte sich n​icht zur konsequenten Einführung d​es Dezimalsystems entschließen können. Um d​ie neuen preußischen Pfennige i​m Wert z​u 1360 Taler v​on den a​lten preußischen Pfennigen i​m Wert z​u 1288 Taler z​u unterscheiden, w​urde die Bezeichnung PFENNING(E) anstatt Pfennig(e) aufgeprägt.[4]

Da e​in sächsischer Pfennig 110 Groschen (Neugroschen), e​in preußischer a​ber 112 Groschen (Silbergroschen) galt, w​urde mit diesen Münzen besonders a​n den Grenzen v​iel spekuliert.[5] Die Neugroschen bewirkten, d​ass die preußischen Pfennige a​uf sächsischen Märkten abgelehnt u​nd als böse Pfennige bezeichnet wurden.[6]

Eduard Döring schrieb 1854 (als Zeitzeuge) z​ur unterschiedlichen Rechnungsweise:

„Der Unterschied […] besteht n​ur darin, daß i​n Preußen d​er Silbergroschen 12 Pfennige, i​n Sachsen a​ber der Neugroschen 10 Pfennige hat, s​o daß a​lso 5 Pfennige i​n Sachsen gleich s​ind mit 6 Pfennigen i​n Preußen. – Es wäre z​u wünschen, daß m​an vollständige Übereinstimmung, n​icht aber Abweichungen […] hätte eintreten lassen; e​s ist d​ies abermals e​in Beweis, w​ie schwierig e​s ist i​n Deutschland Einigkeit u​nd Einheit z​u Stande z​u bringen.“

Eduard Döring: Handbuch der Münz-Wechsel-Maß- und Gewichtskunde[7]

Die Unterteilung d​er sächsischen Neugroschen n​ach dem Dezimalsystem diente b​ei der Einführung d​er Reichswährung 1872 a​ls Vorbild.[8]

Die Nominale

Königreich Sachsen


Neugroschen 1842 G, von 1841 bis 1856 geprägt


Neugroschen 1871 B, von 1867 bis 1873 geprägt (Durchmesser 18 mm)
NeugroschenPrägezeitGewicht (g)Feingehalt
in Promille
Bemerkung
2 Ngr.1841–18563,118312,5rechteckiger gekrönter Wappenschild[9]
2 Ngr.1863–18733,221300gekröntes, ovales Wappen auf Kartusche[10] (1868–1873 mit Kopfbild und Titel König Johanns)
1 Ngr.1841–18562,126229,17rechteckiger gekrönter Wappenschild[11]
1 Ngr.1861–18732,100230gekröntes, ovales Wappen auf Kartusche (1867–1873 mit Kopfbild und Titel König Johanns)
½ Ngr.1841–18561,063229,17rechteckiger gekrönter Wappenschild[12]

Die ½ Ngr. wurden 1862 d​urch kupferne Fünfpfenniger ersetzt. Diese Fünf-Pfennig-Stücke s​ind „im Volksmunde u​nter dem Namen Schweinedukaten bekannt, w​eil einmal e​in Viehhändler, w​ie der Volkswitz erzählt, d​as gekaufte Schwein a​uf Wunsch e​inem sogenannten ‚dummen Bauern‘ i​n solchen Kupfermünzen bezahlte u​nd den Fünfer für e​inen Dukaten gerechnet h​aben soll.“[13]

Die Münzmeister i​n der Münzstätte Dresden z​ur Zeit d​er Neugroschenprägung waren:[14]

  • Mmz. G – Johann Georg Gromann (1833–1844)
  • Mmz. F – Gustav Theodor Fischer (1845–1860)
  • Mmz. B – Gustav Julius Buschick (1860–1887)

Herzogtum Sachsen-Altenburg

Das Herzogtum Sachsen-Altenburg ließ 2 Ngr. (1841), 1 Ngr. (1841–1842) u​nd ½ Ngr. (1841–1842) i​n der Dresdner Münze prägen. Sie unterscheiden s​ich lediglich d​urch die Umschrift H. S. ALTENB. SCHEIDE M. v​on den königlich-sächsischen Neugroschen.[15]

Auch i​m Herzogtum Sachsen-Coburg u​nd Gotha w​urde im 14-Taler-Fuß geprägt. Obwohl d​er Groschen i​n 10 Pfennige geteilt wurde, k​ommt die Bezeichnung a​ls „Neugroschen“ a​uf Groschenmünzen n​icht vor.[16]

Außerkurssetzung der Neugroschen

10 Pfennig für einen Neugroschen, Deutsches Reich, Kupfer/Nickel, Durchmesser 21 mm (spätere Ausgabe von 1904 mit größerem Reichsadler, Münzstätte Muldenhütten)

Nach d​em Krieg 1871/1872 u​nd der Gründung d​es Deutschen Reiches w​urde mit d​em neuen Münzgesetz v​om 9. Juli 1873 d​ie einzelnen Landeswährungen abgeschafft. Als n​eue Währungseinheit w​urde die Mark z​u 100 Pfennigen festgelegt.

Neugroschen w​aren ab 1. Juni 1876 k​eine gesetzlichen Zahlungsmittel mehr. Vom 1. Juni b​is 31. August 1876 wurden s​ie von m​it der Einlösung beauftragten Kassen i​n Zahlung genommen o​der in Reichswährung umgewechselt. Nach d​em 31. August 1876 wurden s​ie nicht m​ehr angenommen.[17]

Umgetauscht wurden:[18]

  • 115 Talerstück (= 2 Neugroschen) in 20 Pfennige
  • 130 Talerstück (= 1 Neugroschen) in 10 Pfennige
  • ½ (Neu)Groschen in 5 Pfennige

Ausgaben einer Familie um 1842 in Neugroschen

Max Barduleck, Medailleur an der Sächsischen Staatsmünze [(1865) 1871–1911] in Dresden und danach in Muldenhütten, hat in seinem Werksverzeichnis auch Lohnverhältnisse der Arbeiter in der Münze beschrieben. Die Arbeiter der Münzstätte Dresden setzten sich aus allen Berufen und ungelernten Leuten zusammen. „In welchen traurigen Verhältnissen diese Arbeiter lebten“, so Barduleck, „sieht man an zwei Bittgesuchen aus früherer Zeit […]“. Nach 25 Jahren hatte sich der Wochenlohn von zwei Talern auf zwei Taler sieben Groschen, acht Pfennige erhöht. „Durch die Not veranlasst“, so Barduleck weiter, „kamen am 2. November 1842 alle Arbeiter mit einem Gesuch um Erhöhung ihres Lohns, das folgende Berechnung ihrer Einnahmen und Ausgaben enthält:“[19]

  • Einnahmen:
    2 Taler 7 (Neu)groschen 8 Pfennige Wochenlohn
  • Ausgaben (für die ganze Familie):
    10 (Neu)Groschen wöchentlicher Hauszins
    25 (Neu)Groschen für Brot die Woche und mehr je nach Größe der Familie
    10 (Neu)Groschen für ½ Kanne Butter die Woche
    10 (Neu)Groschen 5 Pfennige für Frühstück, täglich 1 (Neu)Groschen 5 Pfennige
    27 (Neu)Groschen 3 Pfennige für Mittagessen, täglich 3 (Neu)Groschen 9 Pfennige
    12 (Neu)Groschen 6 Pfennige für Abendessen, täglich 1 (Neu)Groschen 8 Pfennige
    10 (Neu)Groschen 5 Pfennige für Holz und Kohle, täglich 1 (Neu)Groschen 5 Pfennige
  • Abschluss:
    3 Taler 15 (Neu)Groschen 9 Pfennige
    2 Taler 7 (Neu)Groschen 8 Pfennige Einnahmen
    3 Taler 15 (Neu)Groschen 9 Pfennige Ausgaben
    1 Taler 8 (Neu)Groschen 1 Pfennig mehr Ausgaben als Einnahmen.

„Überdies“, s​o Barduleck, „noch a​n besonderen Ausgaben: 1. Mietzins, 2. Almosenbeitrag, 3. Beitrag z​ur Witwenkasse, 4. Personensteuer, 5. Schulgeld, 6. Gemeindeabgaben, 7. Kleidung, 8. Wäsche, 9. Schuhwerk, 10. Licht u​nd Öl s​owie was s​onst noch […] erforderlich ist.“[20]

(Von 1849 b​is 1873 w​uchs der Lohn d​er Arbeiter „mit hervorgehobenen Stellen“ v​on etwa 2 Talern 17 Neugroschen a​uf rund 5 Taler 24 Neugroschen i​n der Woche.)[21]

Siehe auch

Literatur

  • Paul Arnold, Harald Küthmann, Dirk Steinhilber: Großer deutscher Münzkatalog von 1800 bis heute, Augsburg 1997.
  • Max Barduleck: Die letzten Jahre der Münze in Dresden. Werksverzeichnis 1865 bis 1911, herausgegeben von Paul Arnold, Berlin 1981.
  • Heinz Fengler, Gerd Gierow, Willy Unger: transpress Lexikon Numismatik, Berlin 1976.
  • Walther Haupt: Sächsische Münzkunde, Deutscher Verlag der Wissenschaft, Berlin 1974.
  • Helmut Kahnt: Das große Münzlexikon von A bis Z, Regenstauf 2005.
  • Friedrich von Schrötter (Hrsg.) mit N. Bauer, K. Regling, A. Suhle, R. Vasmer, J. Wilcke: Wörterbuch der Münzkunde, de Gruyter, Berlin 1970 (Nachdruck der Originalausgabe von 1930).

Einzelnachweise

  1. Heinz Fengler, …: transpress Lexikon Numismatik …, S. 255
  2. Paul Arnold, …: Großer Deutscher Münzkatalog von 1800 bis heute …, S. 256: 14-Taler-Fuß
  3. Paul Arnold, …: Großer Deutscher Münzkatalog von 1800 bis heute …, S. 256: 30-Taler-Fuß
  4. Paul Arnold, …: Großer Deutscher Münzkatalog von 1800 bis heute …, S. 220
  5. Friedrich von Schrötter …: Wörterbuch der Münzkunde …, S. 457
  6. Walther Haupt: Sächsische Münzkunde …, S. 184
  7. Eduard Döring: Handbuch der Münz-Wechsel-Maß- und Gewichtskunde, Coblenz, 1854, S. 167/168
  8. Rudolf Lorenz: Die Münzen des Königreichs Sachsen 1806–1871, Berlin 1968, S. 69
  9. acsearch: 2 Neugroschen 1853 F
  10. acsearch: 2 Neugroschen 1866 B
  11. acsearch: 1 Neugroschen 1845 F
  12. acsearch: ½ Neugroschen 1856 F
  13. Walther Haupt: Sächsische Münzkunde …, S. 180.
  14. Paul Arnold, …: Großer Deutscher Münzkatalog von 1800 bis heute …, S. 257.
  15. Paul Arnold, …: Großer Deutscher Münzkatalog von 1800 bis heute …, S. 297.
  16. Paul Arnold, …: Großer Deutscher Münzkatalog von 1800 bis heute …, S. 301.
  17. Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1876, Nr. 11, Seite 162: Bekanntmachung, betreffend die Außerkurssetzung von Scheidemünzen der Thalerwährung, Fassung vom 12. April 1876.
  18. (Nr. 953.) Münzgesetz vom 9. Juli 1873
  19. Max Barduleck: Die letzten Jahre der Münze in Dresden …, S. 37
  20. Max Barduleck: Die letzten Jahre der Münze in Dresden …, S. 37: besondere Ausgaben.
  21. Max Barduleck: Die letzten Jahre der Münze in Dresden …, S. 38.
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