Nesenbach
Der Nesenbach ist ein Nebenfluss des Neckars mit einer Länge von knapp 13 km. Der Nesenbach hat die Talmulde eingeschnitten, in der sich die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart entwickelt hat. Der kleine Bach durchquerte die Stadt früher von Südwest nach Nordost, ist jedoch heute auf ganzer Länge durch den gleichnamigen Hauptsammler der Stuttgarter Mischkanalisation ersetzt. Der ursprüngliche Bachlauf ist auf etwa einem Kilometer Länge zwischen den Stadtteilen Kaltental und Heslach, wo die geschlossene Bebauung der Kernstadt beginnt, renaturiert worden. Diesen zur Unterscheidung vom Hauptsammler als Stadtbach Nesenbach bezeichneten Lauf speist jedoch nicht mehr die Nesenbachquelle, sondern nur kleinere lokale Zuläufe. Er fließt dann ebenfalls dem Hauptsammler zu. Entlang des früheren Bachlaufs liegen unterhalb der Kernstadt im Schlossgarten Ziergewässer, die aus der Trinkwasserversorgung gespeist werden. Wegen der damit verbundenen Kosten gleicht man hier nur die Verdunstung und Versickerung aus.
Nesenbach historische Abschnittsnamen: Vaihinger Bach, Kaltentaler Bach, Laisebach, Furtbach | ||
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Daten | ||
Gewässerkennzahl | DE: 23834 | |
Lage | Fildern
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Flusssystem | Rhein | |
Abfluss über | Neckar → Rhein → Nordsee | |
Quelle | Stuttgart-Vaihingen 48° 43′ 58″ N, 9° 5′ 36″ O | |
Quellhöhe | ca. 462 m ü. NN[2] | |
Mündung | Stuttgart-Bad Cannstatt 48° 47′ 59″ N, 9° 12′ 35″ O | |
Mündungshöhe | 213,6 m ü. NN[2] | |
Höhenunterschied | ca. 248,4 m | |
Sohlgefälle | ca. 19 ‰ | |
Länge | 12,7 km[2] | |
Einzugsgebiet | 36,33 km²[2] |
Bezeichnung
Der Volkskundler Helmut Dölker ging davon aus, dass das Lemma „Nesenbach“ von dem Personennamen Nes abgeleitet ist.[3] Dieser könnte sich von einem Familiennamen oder dem Namen Agnes abgeleitet haben. Erstmals als Nesenbach wurde das Gewässer 1504 geführt. Zuvor wurde der Nesenbach als „der Bach“, streckenweise auch Vaihinger Bach, Kaltentaler Bach, in Heslach auch Laisebach, Richtung Stadtmitte als Furtbach bezeichnet. Daran erinnern bis heute die Furtbachstraße in Stuttgart-Süd und die Bachstraße in Stuttgart-Vaihingen.[4]
Bedeutung
Weder nach der Länge, noch nach der Größe des Einzugsgebietes, noch nach der gewöhnlichen Wasserführung ist der Nesenbach besonders bedeutsam. Er entspringt im Stadtbezirk Vaihingen und fällt auf seinem 12,7 km langen Lauf durch sein Tal um fast 250 m.
Noch im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts bezog der Nesenbach sein Wasser aus den Honigwiesen, einst ein Feuchtgebiet im Westen von Vaihingen. Heute ist dieses von Straßen und der Autobahn A 831 durchzogen und wurde schon im 20. Jahrhundert intensiv bebaut. Von den Honigwiesen kann man heute fast nichts mehr erkennen; nur die Honigwiesenstraße erinnert daran. Das Quellgebiet des Nesenbachs liegt heute westlich der Autobahn A 831. Im Jahr 2012 wurde die Grünfläche Vaihingen-West mit einem Sportgelände fertiggestellt. Dabei wurde hier dem Nesenbach ein neues Bett gegeben. Das spärliche fließende Wasser wurde jedoch in einer Röhre unter der Autobahn nach Osten geführt. Es läuft unterirdisch durch Vaihingen und weiter in Richtung Kaltental.
Der Nesenbach spielte nie eine entscheidende Rolle für die Gewerbeentwicklung der Stadt Stuttgart, nicht einmal hemmend durch einige verheerende Hochwasser. Er war jedoch jahrhundertelang ein wichtiger Trinkwasserlieferant. Doch mit jeder neu gefassten Quelle an seinem Oberlauf führte der Nesenbach selbst immer weniger Wasser; den Müllern fehlte deshalb der Antrieb für ihre Wasserräder. Ihrer Beschwerde ist es unter anderem zu verdanken, dass im Jahr 1566 der Pfaffensee mit seinem Abfluss Christophstollen in die Heidenklinge angelegt wurde. Die Anlage der Seen am Katzenbach und Steinbach im Jahr 1812, des Bärensees und des Neuen Sees (1833) im Quellgebiet der Glems sorgten für mehr Zufluss nutzbaren Wassers in den Nesenbach.
Vermutlich ist die schützende Wirkung dieses engen Tals der Grund dafür, dass sich trotz der an sich ungünstigen Topographie die Residenz- und spätere Großstadt entwickeln konnte.
Vielfältig war der Nutzen des Nesenbachs für die Bevölkerung: Er lieferte das Wasser zum Waschen, Reinigen, Gießen, zum Tränken und Schwemmen des Viehs, für viele handwerkliche Tätigkeiten, zum Abschwemmen des Unrats und selbstverständlich auch das Löschwasser.
Erhebliche Hochwasserschäden richtete der Nesenbach immer dann an, wenn bei heftigem Gewitterregen die Wassermassen von den steilen Hanggebieten ins Tal strömten. Innerhalb weniger Minuten konnte die normale Wasserführung von 20 bis 100 l/s auf 60 bis 100 m³/s, also bis zum Tausendfachen anschwellen.
Archäologische Ausgrabungen von 2008 im ehemaligen Württembergischen Weinkeller des Alten Schlosses deuten darauf hin, dass die äußere Schutzmauer des Vorgängerbauwerks während eines Hochwassers durch Unterspülung eingestürzt war. Beim Wiederaufbau wurden die neuen Mauerzüge um 45 Grad gedreht, so dass sie nun parallel zum Bachverlauf lagen.
Da der Nesenbach im Laufe der Zeit immer mehr verschmutzte, wurde er in zunehmendem Maße überwölbt und vollständig eingedolt. Er ist heute der wichtigste Hauptsammler im Stuttgarter Kanalnetz und dient als Abwasser- und Regenkanal für das gesamte südliche Stadtgebiet. Er mündet nicht mehr bei Berg in den Neckar, sondern wird der Kläranlage Mühlhausen zugeführt. Der Nesenbach fließt als Kanal unter dem Kaufhaus Breuninger am Stuttgarter Marktplatz. Zwischen den beiden Teilgebäuden Mittelbau und Hochhaus muss man ihn mittels zweier Rolltreppen im Untergeschoss unterqueren. Bis in die 1980er Jahre waren an dieser Stelle zwei Aquarien angebracht.
Bis zur Inbetriebnahme des Nesenbachdükers im Herbst 2020 unterquerte der Nesenbachkanal das Carl-Zeiss-Planetarium in Stuttgart, wenige Meter von der Grube für den Projektor entfernt. Mit Fertigstellung des neuen Dükers wurde das alte Teilstück zwischen Königin-Katharina-Stift-Gymnasium und Planetarium stillgelegt.
Stuttgart am Neckar
Die Stadt Stuttgart liegt, besonders wenn man ihre langsame Entwicklung aus dem “Stutengarten” bedenkt, keineswegs (direkt) am Neckar, sondern lag am Nesenbach. Am Neckar lag und liegt nämlich Bad Cannstatt, das in der Geschichte jahrhundertelang eine ähnliche oder zunächst auch bedeutendere Rolle als die sich langsam entwickelnde württembergische Residenz spielte. Auch heute gehören beide Seiten des Neckars zum Stadtbezirk Bad Cannstatt, die rechte mit der Cannstatter Altstadt und die linke mit dem Gebiet um die Wilhelma. Neckaraufwärts schließt sich dann Stuttgart-Berg an.
Zuflüsse
Karte mit allen Koordinaten: OSM | WikiMap
- Kohlbach, von rechts ⊙ , 1,5 km und 1,2 km²
- Elsenbach, von links ⊙ , 1,9 km und 2,8 km²
- Schwälblesklinge, von rechts ⊙ , 0,9 km und ca. 0,8 km²
- Vogelrainklinge, von links ⊙ , 0,5 km und ca. 0,2 km²
- Heidenklinge, von links ⊙ , 1,9 km und 2,0 km²
- Ziegelklinge, von links ⊙ , 1,0 km und 0,6 km²
- Hahnklinge, von rechts ⊙ , 1,5 km und 1,3 km²
- Fangelsbach, von rechts ⊙ , 1,6 km
- Dobelbach, von rechts ⊙ , 2,9 km und wenigstens 1,6 km²
- Vogelsangbach, von links ⊙ , 5,3 km
- Störzbach, von links ⊙ , 3,5 km
Brücken
Zwischen Vaihingen und Kaltental überspannen zwei bemerkenswerte Viadukte das Nesenbachtal: die Ortsumfahrung von Vaihingen (Nord-Süd-Straße) sowie die Gäubahnbrücke.
Nesenbachdüker
Für die Unterquerung des mit Stuttgart 21 im Bau befindlichen neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs wurde ab 2015 für den Nesenbach ein Düker gebaut, der den Hauptsammler unter dem neuen Bahnhofstrog hindurchführt. Der Bau des Nesenbachdükers war eine unabdingbare Voraussetzung für die Realisierung dieses Projekts. Bei Baubeginn rechnete die Deutsche Bahn als Bauherrin mit einer Bauzeit von drei Jahren.[5] Der 390 m lange, 7 m breite und 3,5 m hohe Düker verläuft mit einer Längsneigung von einem Prozent und liegt bis zu 22 m unter der Geländeoberfläche. Er gliedert sich in drei Querschnitte. Während in der Regel nur zwei Leitungen mit 1,0 m und 2,4 m Durchmesser in Betrieb sind, wird eine Flutung des großen Querschnitts mit 7,0 m x 3,5 m nur bei Starkregenereignissen etwa einmal pro Monat erwartet.[6]
Zunächst war eine Vergabe des Bauloses zum 12. Mai 2010 und eine Fertigstellung bis Mitte 2014 vorgesehen.[7][8] Der Bau sollte dabei unterirdisch in bergmännische Bauweise unter Druckluft erfolgen, es konnte jedoch dafür kein ausführendes Unternehmen gewonnen werden.[9][10] Auf diese Weise wäre der Stadtbahnbetrieb kaum beeinträchtigt worden.
Der Auftrag im Volumen von 323 Millionen Euro wurde dann Mitte März 2012, zusammen mit dem Rohbau des Hauptbahnhofs, an eine Bietergemeinschaft unter Führung des Stuttgarter Bauunternehmens Züblin vergeben.[11][12] Am 8. Juni 2015 begannen die Hauptmaßnahmen, nachdem das Eisenbahn-Bundesamt im November 2014 ein geändertes Baukonzept in offener Bauweise und mit verkürzter Länge genehmigt hatte.[5] Um ein Aufsteigen von Mineralwasser zu verhindern waren die Baugruben teilweise geflutet, sodass unter Wasser gebaut wurde.[6]
Die Ausführung erfolgte teilweise zusammen mit dem Neubau der Stadtbahn-Haltestelle Staatsgalerie. Bedingt durch die offene Bauweise ist der Stadtbahnverkehr zwischen dieser Haltestelle und dem Hauptbahnhof seit 10. Dezember 2017 unterbrochen.[13] Insgesamt wurden 20.000 Kubikmeter Beton und 2500 Tonnen Stahl verbaut.[6]
Im Zuge der Errichtung war geplant, 20 Liter Wasser pro Sekunde vom Stadtbach in Kaltental durch separate Leitungen innerhalb des Hauptsammlers dem Unteren Schlossgarten zuzuführen. Das Wasser sollte zur Verbesserung der Wasserqualität des Eckensees dienen. Vom Unteren Schlossgarten aus sollte der Nesenbach dann mit einem Abfluss von 15 bis 20 l/s wieder bis zum Neckar fließen.[14]
Am 14. Oktober 2020 wurde der Nesenbachdüker in Betrieb genommen.[15]
Literatur
- Ulrich Gohl: Der Nesenbach – Geheimnis unter Stuttgarts Straßen. Silberburg-Verlag, Tübingen 2002, ISBN 3-87407-528-1.
Einzelnachweise
- Friedrich Huttenlocher, Hansjörg Dongus: Geographische Landesaufnahme: Die naturräumlichen Einheiten auf Blatt 170 Stuttgart. Bundesanstalt für Landeskunde, Bad Godesberg 1949, überarbeitet 1967. → Online-Karte (PDF; 4,0 MB)
- Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) (Hinweise)
- Helmut Dölker: Die Flurnamen der Stadt Stuttgart in ihrer sprachlichen und siedlungsgeschichtlichen Bedeutung (= Tübinger Germanistische Arbeiten, Band 16). Stuttgart 1933, S. 85.
- Heike Armbruster und Annegret Jacobs: Nesenbach-Tour: „Nesabach, vrdreckt, vrsteckt.“ Stuttgarter Zeitung, 12. Januar 2013, abgerufen am 20. Februar 2018.
- Holger Gayer: Bahn beginnt Bau des Abwasserkanals. In: Stuttgarter Zeitung. 8. Juni 2015, abgerufen am 16. Oktober 2020.
- Christian Milankovic: Der Nesenbach nimmt am Bahnhof einen neuen Weg. In: Stuttgarter Nachrichten. Band 75, 14. Oktober 2020, S. 16 (online).
- Maßnahmen Düker Nesenbach. (PDF; 153 kB) Bei Abriss Aufstand, 17. Juni 2011, abgerufen am 18. Juni 2015.
- Was passiert wann? Rahmenterminplan Talquerung mit Hauptbahnhof – Übersicht (PFA 1.1). Grafik. In: Bahnprojekt Stuttgart–Ulm (Hrsg.): Dialog 21. Nr. 3, Januar 2011, ZDB-ID 2569219-7, S. 3 (bahnprojekt-stuttgart-ulm.de [PDF; 1,4 MB]).
- Wolfgang Schuster: Nesenbach. Antwort auf einer Bürgerdialogplattform. In: Direktzu Stuttgart 21. Bahnprojekt Stuttgart–Ulm, 1. Dezember 2010, abgerufen am 3. Juli 2011.
- Thomas Braun: Bieter beklagen sich über die Bahn. In: Stuttgarter Zeitung. 18. Juni 2011, abgerufen am 18. Juni 2015.
- Bahn vergibt Stuttgart-21-Aufträge. In: Handelsblatt. 13. März 2012, abgerufen am 18. Juni 2015.
- Markus Heffner: „Jede Generation muss Neues schaffen“. Interview mit Züblin-Vorstand Klaus Pöllath. In: Stuttgarter Zeitung. 22. Mai 2012, abgerufen am 18. Juni 2015.
- Julia Barnerßoi: Hauptbahnhof statt Charlottenplatz. In: Stuttgarter Zeitung. 3. Mai 2015, abgerufen am 18. Juni 2015.
- Verbesserung Wasserqualität Eckensee. (PDF) Beschlussvorlage GRDrs 806/2008. Landeshauptstadt Stuttgart, 17. Oktober 2008, abgerufen am 3. Dezember 2010.
- Franziska Nieß: Stuttgarts Abwasser auf neuen Wegen. In: Stuttgarter Zeitung. 13. Oktober 2020, abgerufen am 16. Oktober 2020.