Mohammed Nadschibullāh
Mohammed Nadschibullāh (arabisch محمد نجیبالله; * 6. August 1947 in Kabul; † 27. September 1996 ebenda) war ein afghanischer Politiker. Er war von September 1987 bis April 1992 afghanischer Präsident und von Mai 1986 bis April 1992 Vorsitzender der Demokratischen Volkspartei Afghanistans.
Leben
Mohammed Nadschibullāh wurde in Kabul als Sohn einer Ghilzai-paschtunischen Familie geboren. 1975 schloss er ein Medizinstudium an der Universität von Kabul ab. Er wurde Gynäkologe, wie eine seiner beiden Töchter, die Friedens- und Konfliktforscherin Heela Nadschibullah, in einem Interview 2017 mitteilte.[1]
Bereits 1965 trat er der Partscham-Fraktion der kommunistischen Demokratischen Volkspartei Afghanistans bei. Diese führte 1978 einen erfolgreichen Staatsstreich durch, aber die Khalq-Fraktion der Partei gewann die Oberhand. Nach einem Zwischenspiel als Botschafter in Teheran wurde Nadschibullāh aus der Regierung entlassen und ging ins Exil nach Moskau.
Nadschibullāh organisierte politische Sitzungen in Afghanistan. Dabei wurde der Gründer und Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei der Paschtunen, Kabir Stori, nach Kabul eingeladen.[2][3]
Nach der sowjetischen Intervention in Afghanistan 1979 kehrte er nach Kabul zurück. 1980 wurde er Chef der Geheimpolizei KHAD.
1987 löste Nadschibullāh Hadschi Mohammed Tschamkani ab und wurde fünfter Präsident der Demokratischen Republik Afghanistan.[4] Nach dem Abzug der Sowjets im Jahr 1989 überstand er 1990 einen Staatsstreich des Verteidigungsministers Schahnawaz Tanai.[5] Daraufhin lockerte er seine autokratische Herrschaft, um öffentliche Unterstützung zu gewinnen.
Nach seinem Sturz im April 1992 versuchte Nadschibullāh, Kabul zu verlassen, wurde aber von Einheiten Raschid Dostums daran gehindert. Er suchte Schutz im UN-Hauptquartier von Kabul. Dort blieb er bis zur Eroberung Kabuls durch die fundamentalistischen Taliban, die ihn am 27. September 1996 abholten, folterten und ermordeten[1] und den Leichnam, aufgehängt an einer Betonplattform für Verkehrspolizisten, vor dem Präsidentenpalast zur Schau stellten.[6][7][8]
Rezeption
Nach dem Sturz der Taliban-Herrschaft 2001 genoss Nadschibullāh, besonders in Städten, wieder begrenzte Verehrung; immer wieder fand man Bildnisse und Porträts Nadschibullāhs in Teehäusern oder auf Plakatwänden. Für viele Afghanen steht er für Modernisierung und Elektrifizierung des Landes, für viele gilt er auch als letzter starker Präsident, der auch eine starke Armee geführt und das Land gegen Pakistan verteidigt hat.[9]
Weblinks
- Olaf Ihlau: Der Drache verschlingt unsere Söhne. In: Der Spiegel. Nr. 26, 1986, S. 104–106 (online – Interview mit Mohammed Nadschibullah).
- Nur Extremisten setzen diesen Kampf fort. In: Der Spiegel. Nr. 10, 1987, S. 148–149 (online – Interview mit Mohammed Nadschibullah).
- Siegfried Kogelfranz: Die Afghanen sind kriegsmüde. In: Der Spiegel. Nr. 21, 1988, S. 148–150 (online – Interview mit Mohammed Nadschibullah).
- Christian Parenti: Wer war Nadschibullah? Die sowjetische Invasion und die Irrtümer der afghanischen Kommunisten. In: Le Monde diplomatique. Deutsche Ausgabe, August 2012.
- Emran Feroz: In Afghanistan, the Dead Cast a Long Shadow. In: Foreign Policy. 1. Juli 2020 (englisch).
Literatur
- Prakash Bajpai (Hrsg.): Encyclopaedia of Afghanistan. 6 Bde. New Delhi 2001.
- Bernhard Chiari (Hrsg.): Wegweiser zur Geschichte. Afghanistan. Paderborn 2009.
- Karl-Heinz Golzio: Geschichte Afghanistans. Von der Antike bis zur Gegenwart. (= Bonner Asienstudien Band 9). Berlin 2010.
- Conrad Schetter: Kleine Geschichte Afghanistans. München 2010.
- Mohammad Nadschibullah Ahmadsai im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Einzelnachweise
- Viktoria Morasch: ‚Mein Vater sagte: Es ist Krieg‘. Tochter eines Ex-Präsidenten Afghanistans. taz, 5. Februar 2017, abgerufen am 12. Februar 2017.
- Articles about Stori – http://kabirstori.com/?page=DeStoriPaAraLeekaney&id=256
- Dr. Najibullah – http://www.khaama.com/dr-najibullah
- Henry S. Bradsher: Afghan Communism and Soviet Intervention. Oxford University Press, Oxford 1999, ISBN 0-19-579506-7, S. 160–162 (englisch).
- Steve Coll: In Afghanistan, Dinner and Then a Coup. In: The New Yorker. 28. November 2012, abgerufen am 24. Januar 2021 (englisch).
- Sturm geerntet. In: Der Spiegel. Nr. 40, 1996, S. 185–186 (online).
- They cannot see why they are hated In: The Guardian.
- Matin Baraki: Die Talibanisierung Afghanistans.
- https://monde-diplomatique.de/artikel/!568899