Michael Kubiciel
Michael Kubiciel (* 1. Mai 1973 in Aachen) ist ein deutscher Rechtswissenschaftler und Professor für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Medizinstrafrecht an der Universität Augsburg.
Biografie
Kubiciel besuchte die Katholische Grundschule in Beggendorf und das Gymnasium der Stadt Baesweiler. Nach seinem Zivildienst als Altenpfleger studierte er Rechtswissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (1993–1995), der Universität Granada (1996/1997) und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau (bis 1999). Während seiner Zeit als Assistent von Albin Eser am Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht promovierte er bei Uwe Blaurock zu einem kartellrechtlichen Thema (2002). Nach dem Referendariat in Berlin und Straßburg (2001–2003) war er als Strafverteidiger in einer auf das Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Sozietät in Düsseldorf tätig. Von 2005 bis 2012 war er wissenschaftlicher Assistent von Michael Pawlik und Privatdozent an der Universität Regensburg. 2012 habilitierte er sich an der Universität Regensburg, die ihm die venia legendi für Deutsches und Europäisches Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Strafrechtsvergleichung verlieh.
2013 berief ihn die Universität zu Köln auf den einen Lehrstuhl (W3) für Strafrecht, Strafrechtstheorie und Strafrechtsvergleichung. Von 2014 bis 2017 war er geschäftsführender Direktor des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht. 2017 folgte er einem Ruf an die Universität Augsburg.
Tätigkeit
Kubiciel befasst sich hauptsächlich mit dem Besonderen Teil des Strafrechts, dem Wirtschafts- und Medizinstrafrecht sowie den (ideengeschichtlichen und verfassungsrechtlichen) Grundlagen des Strafrechts. In seiner (auch ins Spanische übersetzten) Monographie "Die Wissenschaft vom Besonderen Teil des Strafrechts" analysiert Kubiciel die methodischen und rechtstheoretischen Grundlagen des Besonderen Teils. Gemeinsam mit einem Netzwerk von Rechtswissenschaftlern veranstaltet er regelmäßig Konferenzen zur strafrechtlichen Ideengeschichte, die unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Fritz-Thyssen-Stiftung gefördert worden sind.
In den letzten Jahren ist das Wirtschafts- und Medizinstrafrecht in den Fokus seiner Tätigkeit geraten. Dabei arbeitet Kubiciel an der Schnittstelle von Theorie und Politik. Kubiciel berät seit den 2000er Jahren internationale Organisationen wie den Europarat (2002–2003) und die Vereinten Nationen (2005–2007) zu Fragen der Korruptionsbekämpfung. Von Oktober 2012 bis Ende 2018 fungierte er als National Research Correspondent der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit den EU Anti-Corruption Reports. In den vergangenen Jahren war er häufig als Sachverständiger für den Deutschen Bundestag sowie verschiedene Landtage tätig. Der von ihm mitverfasste Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes schlug sich im Koalitionsvertrag von CDU, CSU, SPD von 2018 nieder. 2020 evaluierte Kubiciel im Auftrag des Deutschen Bundestages mit Elisa Hoven das Anti-Doping Gesetz; das Bundeskabinett hat den Evaluierungsbericht mit seinen Befunden im Dezember 2020 beschlossen.[1]
Bei der rechtspolitischen Diskussion nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche vertrat Kubiciel die Position, dass außerstrafrechtliche Eingriffsbefugnisse zur Terrorbekämpfung notwendig seien, da die strafrechtlichen Regelungen zu kurz griffen und diese aus rechtsstaatlichen Gründen nicht ausgedehnt werden dürften.[2] Kubiciel befasst sich auch mit der sanktionsrechtlichen Regulierung digitaler Plattformen. Während er das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken verteidigte, kritisierte er Ansätze zur Pönalisierung illegaler Handelsplattformen als zu weitgehend, da diese auch legalen Angeboten Überwachungspflichten auferlegten.[3]
2020 kritisierte ein Rezensent in einer Internetzeitschrift, dass Kubiciel und ein Zweitgutachter 2019 die Dissertation einer Doktorandin mit „summa cum laude“, also der bestmöglichen Note, bewertet haben, obgleich diese Arbeit Flüchtigkeitsfehler und sprachliche Eigenheiten enthalte.[4] Dabei war die Arbeit von der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung nach einer weiteren Begutachtung mit dem "WisteV-Preis 2019" ausgezeichnet worden.[5] Die Rezension Kuhlens wurde Gegenstand einer von der Zeitschrift weitergeführten Debatte.[6] Dabei richtet sich die Kritik auch gegen Form und Inhalt der Rezension und Diskussion[7], zumal ein Diskussionsteilnehmer eingestand, die Arbeit nicht einmal gelesen zu haben[8].
Während der Corona-Pandemie plädierte er gemeinsam mit anderen Strafrechtlern für eine gesetzliche Flankierung der sog. Triage, die Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit rechtmäßiger anstatt bloß entschuldigter Priorisierungsentscheidungen eröffnet.[9]
Mehrere Aufsätze und Bücher von Kubiciel wurden ins Spanische, Chinesische, Japanische, Türkische, Polnische und Russische übersetzt.
Ehrungen
- 2016: Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universidad San Pedro (Peru)
- 2013: Habilitationspreis der Freunde der Universität Regensburg
- 2011: Preis für gute Lehre des Freistaates Bayern
Werke (Auswahl)
- Die Wissenschaft vom Besonderen Teil des Strafrechts. Ihre Aufgaben, ihre Methoden, Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M. 2013
- Institutions against Corruption – A Comparative Study of National Anti-Corruption Strategies, mit Eser, Nomos Verlag, Baden-Baden 2005
- Verhaltensbeschränkungen marktbeherrschender Unternehmen durch § 19 GWB, Duncker&Humblot, Berlin 2003
- Corrupcion, compliance y responsiblidad penal de la empresas, mit Carrion, Editores del centro, Lima, 2020
- Zukunftsperspektiven des Strafrechts. Symposium zum 70. Geburtstag von Thomas Weigend, hrsg. mit Hoven, Nomos 2020
- Strafrecht zwischen Novemberrevolution und Republik, hrsg. mit Koch, Löhnig, Mohr Siebeck, 2020
- Eine gewaltige Erscheinung des positiven Rechts. Die Rechts- und Straftheorie Karl Bindings, hrsg. mit Löhnig, Pawlik, u. a., Mohr Siebeck, 2020
- The United Nations Convention Against Corruption. A Commentary, hrsg. mit Rose, Landwehr, Oxford University Press, 2019
- Korruption im Sport, hrsg. mit Hoven, Nomos 2018
- Korruption im Gesundheitswesen, hrsg. mit Hoven, Nomos 2017
- Hegels Erben? Strafrechtliche Hegelianer vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, hrsg. mit Pawlik und Seelmann, Mohr Siebeck, 2017
- Das Verbot der Auslandsbestechung, hrsg. mit E. Hoven, Nomos 2016
- Lebendiges und Totes in Welzels Verbrechenslehre, hrsg. mit Jakobs, Frisch, Pawlik, Stuckenberg, Mohr Siebeck 2015
- Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch. Die Geburt liberalen, modernen und rationalen Strafrechts, hrsg. mit Koch, Löhnig, Pawlik, Mohr Siebeck, 2014
Weblinks
Einzelnachweise
- Evaluierungsbericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen der im Anti-Doping-Gesetz enthaltenen straf- und strafverfahrensrechtlichen Regelungen, auf dip21.bundestag.de
- Michael Kubiciel: Reicht das Recht? In: Legal Tribune Online. 3. Januar 2017, abgerufen am 28. März 2018.
- Michael Kubiciel: Kriminalisierung internetbasierter Handelsplattformen. In: [Augsburger Papiere zur Kriminalpolitik]. 1. Januar 2019, abgerufen am 18. Januar 2021.
- Lothar Kuhlen: Cornelia Spörl, Die Auslandsbestechung und die deutsche Strafrechtswissenschaft - eine Rezension; Zu Cornelia Spörl, Das Verbot der Auslandsbestechung, 2019. (PDF) In: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik. Abgerufen am 19. Oktober 2020.
- Pressemitteilung. (PDF) Abgerufen am 5. Januar 2021.
- Sonderausgabe der ZIS - Heft 10/2020. (PDF) In: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik. Abgerufen am 19. Oktober 2020.
- Tatjana Hörnle: Plädoyer für einen behutsamen Umgang mit Kristallkugeln. (PDF) In: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik. Abgerufen am 5. Januar 2021.
- Wolfgang Mitsch: Summa cum laude. (PDF) In: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik. Abgerufen am 5. Januar 2021.
- Maximilian Amos: Behandelt wird, wer die besten Chancen hat. In: LTO. 9. April 2020, abgerufen am 26. Januar 2021 (d).