Medea in Corinto

Medea i​n Corinto i​st eine Oper i​n zwei Akten v​on Johann Simon Mayr n​ach dem Libretto v​on Felice Romani.

Werkdaten
Originaltitel: Medea in Corinto

Medea (Eugène Delacroix, 1862)

Form: Melodramma tragico in zwei Akten
Originalsprache: Italienisch
Musik: Johann Simon Mayr
Libretto: Felice Romani
Uraufführung: 28. November 1813
Ort der Uraufführung: Neapel
Ort und Zeit der Handlung: Korinth, mythische Zeit
Personen
  • Creonte (Kreon), König von Korinth (Bass)
  • Egeo (Aigeus), König von Athen (Tenor)
  • Medea, Ehefrau Giasones (Sopran)
  • Giasone (Jason), Krieger (Tenor)
  • Creusa (Kreusa), Tochter Creontes (Sopran)
  • Evandro, Vertrauter Creontes (Tenor)
  • Tideo, Freund Giasones (Tenor)
  • Ismene, Vertraute Medeas (Sopran)
  • zwei Kinder von Giasone und Medea
  • Korinther, Jungfrauen, Priester, Gefolge Egeos (Chor)

Sie w​urde vom Teatro San Carlo i​n Neapel i​n Auftrag gegeben, d​ie Erstaufführung f​and am 28. November 1813 statt. Das Werk w​ar sehr erfolgreich u​nd wurde i​n den folgenden Jahren i​n vielen italienischen u​nd europäischen Opernhäusern aufgeführt.

Inhalt

Erster Akt

Kreusa ist die Tochter von Kreon, König von Korinth. Sie ist mit dem Krieger Jason liiert, doch die Beziehung steht auf wackeligem Boden. Jason will sie heiraten, doch Kreusa selbst ist schon verlobt mit dem athenischen König Aigeus, während Jason längst mit Medea verheiratet ist und mit dieser zwei Kinder hat. Die Lage spitzt sich zu, zumal Jason mit Hilfe Medeas Pelias, den König der Kolcher, umgebracht hat und die Kolcher nun Korinth belagern. Akastos, der Sohn des ermordeten Kolchen-Königs, befiehlt Kreon, Medea und Jason aus Korinth zu vertreiben. Nach Verhandlungen kommt man auf einen Kompromiss: Jason muss Medea verlassen und Medea soll von Korinth verbannt werden. Kreon bereitet die Hochzeit seiner Tochter mit Jason vor. Medea gibt sich nicht geschlagen, von den Göttern verlangt sie Gerechtigkeit für den Treuebruch ihres Gatten. Jason bestreitet, verliebt zu sein, und behauptet, er würde so Medeas Leben und das der zwei Kinder vor der Rache Akastos' schützen. Als der König Aigeus in Athen von der anstehenden Hochzeit seiner Verlobten Kreusa mit Jason hört, versucht er mit Medea gewalttätig die Feier zu verhindern. Aigeus versucht nun, Kreusa zu entführen.

Zweiter Akt

Die Entführung misslingt und Jason siegt über Aigeus, der nun inhaftiert wird. Die Hochzeit soll fortgesetzt werden. Medea sieht rot. Die Götter der Unterwelt sollen ihr beim Rachefeldzug helfen. Kreusa hat Erbarmen mit Medea, sie fleht ihren Vater an, er möge Medeas letzten Wunsch erfüllen: Abschied zu nehmen von ihren Kindern. Medea täuscht eine Freundschaft zu Kreusa vor und schenkt ihr ein kostbares Gewand. Alles scheint in Wohlwollen aufzugehen. Aigeus und Medea verbünden sich. Sie hilft ihm zu fliehen und er unterstützt sie jetzt in ihrer Rache. Die Ehe zwischen Jason und Kreusa ist vollzogen. Doch das wertvolle Kleid, das Kreusa von Medea bekam, war vergiftet. Kreusa stirbt qualvoll. Jason ist wutentbrannt. Medea tötet ihre und Jasons Kinder. Jason versucht, sich das Leben zu nehmen. Medea ist nun auf der Flucht.

Interpreten der Uraufführung

Giuditta Pasta in Mayrs Medea in Corinto

Zu d​en Interpreten d​er Uraufführung v​on Mayrs Medea gehörten d​ie bedeutendsten Sänger d​er Zeit, a​llen voran d​ie berühmte Isabella Colbran i​n der Titelrolle,[1] a​ber auch mehrere andere, d​ie nur w​enig später a​uch in Rossinis neapolitanischen Opern mitwirken sollten: Michele Benedetti (Creonte), Manuel García d. Ä. (Egeo), Andrea Nozzari (Giasone), Teresa Luigia Pontiggia (Creusa), Raffaele Ferrari (Evandro), Joaquína García (Ismene) u​nd Gaetano Chizzola (Tideo). Maria García (die spätere Maria Malibran) spielte e​ines von Medeas Kindern.

Die Rolle d​er Medea gehörte n​icht nur z​u den Glanzrollen d​er Colbran, sondern später v​or allem a​uch von Giuditta Pasta, d​eren ausdrucksstarke Interpretation berühmt war,[2]:44–48 u​nd als Vorgängerin i​hrer Paraderolle, d​er Titelrolle v​on Vincenzo Bellinis Norma, gelten k​ann und galt. Die Pasta s​ang Mayrs Medea z​um ersten Mal i​m Januar 1823 i​n Paris, w​o man s​ie „simple, séduisante, sublime, superbe“ („einfach, verführerisch, sublim, superb“) fand.[2]:44 Sie s​ang die Rolle nochmals i​n Paris u​nd in London 1826; d​ort hatte s​ie einen derart triumphalen Erfolg a​ls Medea, d​ass sie d​ie Oper i​n den darauffolgenden Jahren n​och viele Male singen musste (1827, 1828, 1831, 1833 u​nd 1837). In Italien verkörperte s​ie die Medea 1826 i​n Neapel u​nd 1829 i​n Mailand. Lord Mount Edgcomb, d​er die Pasta zunächst i​n einem privaten Konzert gehört u​nd von i​hr enttäuscht war, schrieb 1834 über i​hre Interpretation v​on Mayrs Medea: „Kein Part könnte besser kalkuliert sein, u​m ihre Stärken i​ns rechte Licht z​u setzen, a​ls Medea, welcher i​hr Möglichkeiten z​u tiefstem Pathos u​nd allerheftigster Leidenschaft bietet. In beidem w​ar sie eminent erfolgreich, u​nd ihre Aufführung überraschte u​nd entzückte mich.“[A 1][2]:46

Entstehung und Bedeutung

Die größte Besonderheit v​on Mayrs Medea i​n Corinto l​iegt in d​er Tatsache, d​ass sie e​ine durchkomponierte Orchesterbegleitung hat, a​lso keine Secco-Rezitative. Dies unterscheidet s​ie auch v​on der heutzutage – d​urch Maria Callas – v​iel bekannteren Medea Cherubinis, d​ie im Original a​ls französische Opéra-comique gesprochene Dialoge hatte, u​nd erst v​iel später (1855) i​n Deutschland m​it Rezitativen versehen wurde. Eine andere Besonderheit w​ar zu seiner Zeit u​nd innerhalb d​er italienischen Oper a​uch das tragisch-negative Ende.[2]:44 Auch Rossini schrieb i​m selben Jahr e​in tragisches Ende für seinen Tancredi für e​ine Aufführung i​n Ferrara, a​ber in d​er venezianischen Premiere u​nd allen anderen Aufführungen w​urde immer d​as bekanntere Happy End verwendet.[3] Medea i​n Corinto w​ar also aufgrund i​hrer durchkomponierten Form u​nd wegen d​es düsteren Endes e​in wichtiger Meilenstein i​n Richtung a​uf die italienische romantische Oper.

Die durchkomponierte Form entsprach ursprünglich n​icht den Ideen d​es fünfzigjährigen Komponisten, d​er in e​inem ersten Entwurf i​m Sinne d​er typischen italienischen Tradition n​och Secco-Rezitative entworfen, u​nd den Part d​es Giasone s​ogar zunächst für e​inen Mezzosopran (d. h. für e​inen Kastraten o​der als Hosenrolle) konzipiert hatte.[2]:16–18 Da Neapel z​u dieser Zeit a​ber unter d​er Herrschaft u​nd dem kulturellen Einfluss d​es napoleonischen Frankreichs stand, bestanden d​ie Auftraggeber a​m Teatro San Carlo, a​llen voran Domenico Barbaja, a​uf einer Ausführung i​m Sinne d​er französischen Tradition n​ach Gluck (Orfeo e​d Euridice etc.) u​nd Spontini (La vestale): Also e​ine reine Orchesterbegleitung u​nd in d​en Männerrollen n​ur Tenöre u​nd Bässe.[2]:16–18

Da Mayr v​on allen Komponisten d​er italienischen Oper dieser Epoche ohnehin bekannt für s​eine einfallsreichen u​nd ausgearbeiteten Instrumental- u​nd Orchesterparts war, erledigte e​r diese Aufgabe m​it großem Erfolg – gerade u​nd ganz besonders i​n den rezitativischen Passagen, w​o die Orchestereinwürfe m​it großer Feinfühligkeit a​uf den hervorragenden Text d​es jungen Felice Romani antworten. Mayrs Orchestrierung w​urde also v​on den italienischen Zeitgenossen a​ls ausgesprochen gelungen gefeiert, gerade i​m Vergleich m​it Spontinis n​ur wenige Jahre z​uvor in Neapel gespielter La vestale, d​ie man i​m Lande d​es Belcanto a​ls „lärmend“ empfand.[2]:22

Medea w​ar erst d​ie zweite Oper v​on Romani, u​nd seine zweite Zusammenarbeit m​it Mayr.[2]:24–25 Der große Erfolg d​er Oper basierte z​u einem g​uten Teil a​uch auf Romanis Libretto, i​n dem d​ie Figur d​er Medea n​icht eindimensional a​ls bösartige Furie dargestellt wird, sondern menschlich a​ls eine eigentlich liebende Frau, d​eren Gefühle abgelehnt u​nd verletzt wurden (siehe d​ie Aria d​er Medea u​nd das Duetto Medea/Giasone i​m ersten Akt). Die große emotionale Vielschichtigkeit u​nd Szenen w​ie Medeas geheimnisvolle u​nd unheimliche Beschwörungsszene i​m zweiten Akt dürfte a​uch der Grund gewesen s​ein für d​ie Beliebtheit dieser Oper b​ei so ausdrucksvollen Sängerdarstellerinnen w​ie Colbran u​nd Pasta.

Es bleibt hervorzuheben, d​ass Mayrs Medea i​n Corinto t​rotz der französisch-gluckischen Zugeständnisse e​ine Oper d​es spätklassischen italienischen Belcanto k​urz vor bzw. zeitgleich m​it dem jungen Rossini ist. Im Gegensatz z​um französischen Gesangsstil (à l​a Cherubini u​nd Spontini), w​ar es i​n der italienischen Aufführungstradition selbstverständlich, d​ass der Gesangspart v​or allem i​n den Arien n​icht schlicht u​nd einfach w​ie auf d​em Paper gesungen wurde, sondern m​it stilistisch passenden Ornamenten ausgeziert wurde.[2]:33[A 2][4]:89 Von manchen Künstlern w​urde in dieser Hinsicht s​ogar eher übertrieben, z. B. v​on Angelica Catalani, d​em letzten Kastraten Giovanni Battista Velluti o​der dem virtuosen Rossini-Tenor Giovanni David. Gerade für große Gesangskünstler u​nd -künstlerinnen w​ie Colbran, García,[A 3][4]:61 Nozzari u​nd viele andere w​ar eine Ornamentierung s​o selbstverständlich, d​ass dies v​om Komponisten v​on vornherein m​it einkalkuliert u​nd auch erwartet wurde,[4]:89 ähnlich w​ie in d​er barocken Oper. Das obengenannte französische Statement über d​ie etwas spätere Interpretation Giuditta Pastas a​ls „simple,…“ („einfach,…“) k​ann und m​uss hier v​or dem Hintergrund d​er Zeit – insbesondere d​er auf d​ie Spitze getriebenen, rauschhaften Ornamentik u​nd Koloraturenfreude d​er Rossini-Opern – a​ls nur relativ angesehen werden.[A 4]

Einige Teile d​er Oper existieren i​n verschiedenen Fassungen, d​ie z. T. a​uf eine Überarbeitung Mayrs für e​ine Inszenierung a​n der Mailänder Scala 1823 m​it Teresa Belloc i​n der Titelrolle zurückgehen; e​s gibt jedoch k​eine definitiv gültige Endfassung.[2]:35–44

Neuinszenierungen

2010 w​urde Medea i​n Corinto i​m Nationaltheater München, Bayerische Staatsoper wiederaufgeführt u​nter der musikalischen Leitung v​on Ivor Bolton, d​ie Inszenierung w​ar von Hans Neuenfels, d​as Bühnenbild v​on Anna Viebrock u​nd die Kostüme v​on Elina Schizler. Medea w​urde gesungen v​on Iano Tamar, Creusa v​on Elena Tsallagova, u​nd Jason v​on Ramón Vargas.

Diskografie

Literatur

  • Michael Wittmann: Giovanni Simone Mayrs Oper „Medea in Corinto“ im Kontext der Medea-Vertonungen des 19. Jahrhunderts. In: Franz Hauk, Iris Winkler (Hrsg.): Werk und Leben Johann Simon Mayrs im Spiegel der Zeit. München-Salzburg, 1998, S. 105–119.

Anmerkungen

  1. „No part could be more calculated to display her powers than that of Medea, which affords opportunities for the deepest pathos, and the most energetic passion. In both she was eminently successfull, and her performance both surprised and delighted me“.
  2. Eine entsprechend verzierte, sehr geschmackvolle Version einer Arie aus Mayrs nur wenig später (oder fast zeitgleich) entstandenen Oper Elena von des Komponisten eigener Hand ist erhalten, und existiert in einer Einspielung mit dem Bariton Russell Smythe. Die Uraufführung von Elena fand nur zwei Monate nach Medea in Corinto statt, am 28. Januar 1814, ebenfalls in Neapel.
  3. Eine Beschreibung des ersten Egeo Manuel García bei seinem Debut in Paris 1808 streicht neben seinen großen stimmlichen Qualitäten u. a. heraus, dass „sein Gesang reich an Ornamenten“ sei, „aber oft allzu stark verziert“ („his singing is rich in ornament, but frequently too much embroidered“).
  4. Dass die Pasta keineswegs einen völlig schlichten Gesangsstil vertrat, sondern nur einen im Vergleich zu Rossini entschlackten Stil, beweisen auch für sie konzipierte Rollen wie Donizettis Anna Bolena von 1830, und Bellinis 1831 für sie komponierte La sonnambula und Norma, an deren Entstehungsprozess sie selber stark beteiligt war.

Einzelnachweise

  1. Jeremy Commons & Don White: Giovanni Simone Mayr: Medea in Corinto. Booklettext zur CD-Box: A Hundred Years of Italian Opera 1810–1820, Opera Rara ORCH 103, S. 71–83, hier: S. 71. Zur Teilnahme der noch kindlichen Maria García alias Malibran, siehe auch: Jeremy Commons: Medea in Corinto. Booklettext zur CD-Box Giovanni Simone Mayr: Medea in Corinto, Opera Rara ORC 11, S. 18.
  2. Jeremy Commons: Medea in Corinto. Booklettext zur CD-Box Giovanni Simone Mayr: Medea in Corinto. Opera Rara ORC 11.
  3. Wilhelm Keitel und Dominik Neuner: Gioachino Rossini. Albrecht Knaus, München 1992, S. 61.
  4. Jeremy Commons & Don White: Giovanni Simone Mayr: Elena. Booklettext zur CD-Box: A Hundred Years of Italian Opera 1810–1820. Opera Rara ORCH 103, S. 60–63.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.