Matteo Messina Denaro
Matteo Messina Denaro (* 26. April 1962 in Castelvetrano auf Sizilien) ist ein Anführer der sizilianischen Cosa Nostra. Sein Spitzname ist U siccu (sizilianisch: „der Dürre“); er wird aber auch Diabolik oder Rolex[1] genannt. In Sizilien ist sein Vater Francesco Messina Denaro bekannt unter dem Namen Don Ciccio. Nach der Verhaftung von Salvatore Lo Piccolo 2007 gilt er als möglicher alleiniger Nachfolger von Bernardo Provenzano und Salvatore Riina[2] und damit als Nummer 1 der sizilianischen Mafia.[3]
Denaro ist 1993 untergetaucht.[2] Mehrere Versuche ihn durch Razzien zu fassen blieben seither erfolglos.[4]
Biografie
Matteo Messina Denaro wurde als Sohn einer mächtigen Mafiafamilie geboren. Francesco Messina Denaro leitete bereits in den 1970er Jahren die Familie von Castelvetrano. Die Provinz Trapani gilt neben Palermo als stärkste Basis der Cosa Nostra. Mit 14 Jahren lernte Matteo Messina Denaro zu schießen, mit 18 beging er seinen ersten Mord und stieg schnell in der sizilianischen Mafia auf. Seit 1992 gehört er zur Führungsriege der Cosa Nostra. Er arbeitete mit anderen Führungsmitgliedern wie Bernardo Provenzano und Totò Riina zusammen und gehörte stellvertretend sowohl zum Gremium, welches die Attentate auf Giovanni Falcone und Paolo Borsellino beschloss, wie auch später zum nachfolgenden „Direktorium“ Provenzanos. Im Mai 2002 wurde er für seine Mittäterschaft bei diesen Attentaten in Abwesenheit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Auch an einer Attentatswelle auf dem italienischen Festland in den Jahren 1993–1995 war er aktiv beteiligt. Seit 1993 ist Matteo Messina Denaro flüchtig. Als im selben Jahr ein Haus in Mazara del Vallo durchsucht wurde, fand man einen Brief von Denaro, in welchem stand:
„Ich muss gehen, aber ich kann dir die Gründe dafür nicht erklären. Momentan spricht vieles gegen mich. Ich kämpfe für eine Sache, welche in dieser Zeit noch nicht verstanden werden kann. Aber eines Tages werden die Menschen sehen, dass ich auf der richtigen Seite gestanden habe.“
Inzwischen wurden Inhalte weiterer Briefe aus den Jahren 2005 und 2006 veröffentlicht. Darin lästert er über den „alten Provenzano“, klagt darüber, dass die Justiz „verrottet“ sei, es keine „Rassen-Politiker“ mehr gäbe und die Cosa Nostra an Bedeutung verloren habe. Zugleich kündigt er aber auch an: „Man wird noch viel von mir sprechen.“
Neben der italienischen Polizei sucht auch das amerikanische FBI nach ihm. Das FBI sieht in ihm einen der gefährlichsten Drogenhändler der Welt und fahndet nach ihm. Er soll enge Kontakte zu großen Drogenhändlern in Kolumbien und zur kalabrischen ’Ndrangheta unterhalten. Seit der Verhaftung von Bernardo Provenzano im Jahr 2006 gilt er als ein möglicher neuer Kopf der Cosa Nostra. Messina Denaro ist der Capomafia der Provinz Trapani, seit Vincenzo Virga im Jahr 2001 festgenommen wurde. Bis dahin nur capo-mandamento von Castelvetrano und dem umgebenden Territorium, schweißte Messina Denaro die ganze Provinz zu einem einzigen Mandamento unter seinem Kommando zusammen. Insbesondere nach der Festnahme Salvatore Lo Piccolos im Jahr 2007 soll er zudem auch an Einfluss in der Provinz Palermo gewonnen haben. Mit der Familie von Brancaccio (einem Stadtteil von Palermo) unterhält er enge Verbindungen; mit Giuseppe und Fillippo Guttadauro, den Regenten der Familie, ist er durch Heirat verwandt. Im Jahr 2000 entging er nur knapp der Festnahme auf dem Territorium von Brancaccio; zudem fand man heraus, dass er sich eine Zeitlang auch in der traditionellen Mafia-Hochburg Bagheria versteckt gehalten hatte. Mitte 2010 wurde Salvatore Messina Denaro verhaftet, der als Mittler und enger Vertrauter für seinen Bruder Matteo fungierte.
Italienischen Ermittlern zufolge hat Denaro im Lauf seiner Verbrecher-Karriere mindestens 50 Menschen persönlich umgebracht oder umbringen lassen. Hierbei handelt es sich um den Mord an Vincenzo Milazzo und Antonella Bonomo. Milazzo war ein Mafiakollege auf der gleichen Seite wie Messina Denaro, allerdings hatte er das Vertrauen seiner eigenen Leute verloren. Tatsächlich aber waren eine ganze Reihe von Mafiamitgliedern, unter anderem auch Leoluca Bagarella, der Schwager Salvatore Riinas, an dem Doppelmord beteiligt, zum Erwürgen der Frau nutzten sie ein Seil. Ob Bonomo schwanger war oder hoffte, durch das Betteln um das Leben ihres ungeborenen Kindes könne sie ihr eigenes Leben retten, lässt sich heutzutage nicht mehr sagen.[5]
Charakter
Denaro gilt als Vertreter der „neuen Generation“ der Cosa Nostra. Er rühmt sich selbst damit, mit seinen Opfern einen ganzen Friedhof füllen zu können. Bekannte von früher berichten, der junge Matteo Messina Denaro sei gern mit einem Porsche voller Champagner-Flaschen aus seinem Heimatort Castelvetrano hinab an die Strände von Selinunt gefahren, um dort rauschende Partys zu feiern.
Mystifizierung
Im Jahre 2008 tauchten an mehreren Orten in Sizilien Wandbilder, genannt Murales, auf, welche Denaro zeigen. Das erste Bild befand sich an einer Wand auf der Rückseite des Normannendoms in Palermo. Ein ähnliches Bild fand man bald darauf beim Eingang der juristischen Fakultät in Palermo, dann im Heimatort Messina Denaros, in Castelvetrano, sowie im nahegelegenen Ort Sciacca. Die Bilder zeigen vier Mal farbig das Gesicht von Denaro, wie es aus den Fahndungsfotos hervorgeht. Darunter befindet sich eine Reihe von Dollar-Zeichen.
Ermittler rätseln, ob diese Bilder eine künstlerische Provokation, eine Ermutigung für die Polizei, eine Warnung für ein Erstarken der Mafia oder eine Mystifizierung von Denaro darstellen sollen. Auch in einem Rap-Song taucht er bereits auf und Experten bestätigen ebenfalls, dass er zu einem Idol unter den Jugendlichen in Sizilien geworden ist.
Juristische Aufarbeitung
Am 13. März 2018 wurden 12 Männer gefasst, die mit Denaro in Verbindung gestanden haben sollen.[6] Wegen seiner Beteiligung an Bombenanschlägen im Jahr 1992, bei denen die gegen die Mafia vorgehenden Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino sowie weitere Menschen getötet wurden, hat ein Gericht in Sizilien Denaro im Oktober 2020 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt.[2]
Quellen
- Profiteur der Krise: Die neue Mafia. In: Süddeutsche Zeitung. 21. Juli 2011, abgerufen am 21. Juli 2011 (englisch).
- Meistgesuchter Mafia-Boss Italiens zu lebenslanger Haft verurteilt. In: Der Spiegel. Abgerufen am 21. Oktober 2020.
- Rai – Chi l'ha visto: Fahndungsaufruf bezüglich Matteo Messina Denaro (Memento des Originals vom 15. Mai 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Großfahndung auf Sizilien: Mafia-Boss Denaro geht Einsatzkräften durchs Netz. In: Der Spiegel. 1. Oktober 2021 (spiegel.de [abgerufen am 1. Oktober 2021]).
- Mugno, Salvatore: Matteo Messina Denaro. Un padrino del nostro tempo. Bolsena: Massari Editore 2011. S. 92–95.
- Mafia: soldi clan per latitanza Messina Denaro. 13. März 2018, abgerufen am 23. September 2021 (italienisch).
Weblinks
- Sie nennen ihn Diabolik, Süddeutsche Zeitung, 28. April 2006
- Weitere Informationen (deutsch)
- Weitere Informationen (italienisch)